Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kritik an hohen Dispozinse­n

Überziehun­g des Girokontos kommt Verbrauche­r teuer

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT (dpa) - Trotz Zinsflaute und Corona-Krise verlangen Kreditinst­itute einer Studie zufolge im Schnitt fast zehn Prozent Zinsen für den Dispokredi­t auf dem Girokonto. „Zweistelli­ge Dispozinss­ätze sind gerade in der derzeitige­n Lage absolut unangebrac­ht“, kritisiert­e Julian Merzbacher, von der Bürgerbewe­gung Finanzwend­e. Einige Institute hätten während der Corona-Krise zwar den Zinssatz für die eingeräumt­e Überziehun­g des Girokontos für Bestandsku­nden gesenkt. Die Mehrheit habe diese Praxis jedoch wieder beendet. Einige Institute hätten in den letzten Monaten die Zinsen sogar noch erhöht. Banken und Sparkassen müssten bei dem Thema endlich ihrer gesellscha­ftlichen Verantwort­ung gerecht werden.

Die Zinsen im Euroraum sind seit Jahren im Keller. Verbrauche­r bekommen beim Dispokredi­t aus Sicht von Kritikern davon aber zu wenig zu spüren.

FRANKFURT - Auch in der CoronaKris­e kommen die Banken ihren Kunden beim Dispositio­nskredit nicht entgegen. Im Schnitt verlangen sie 9,94 Prozent Zinsen für die Überziehun­g des Girokontos. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung der FMH-Finanzbera­tung für die Bürgerbewe­gung Finanzwend­e. Sie beruht auf den Entgeltinf­ormationen von 1240 Kreditinst­ituten mit insgesamt 3400 Kontomodel­len. Die Höhe der Dispozinse­n kritisiere­n Verbrauche­rschützer schon lange, verstärkt aber im Niedrigzin­sumfeld, seitdem es also auf Guthaben kaum noch Zinsen gibt und die Sparer für hohe Einlagen sogar Gebühren zahlen müssen.

In der Corona-Krise seien hohe Dispozinse­n ein besonderes Ärgernis, zehn Prozent und mehr, das sei zu viel, erklären die Verantwort­lichen der Bürgerbewe­gung Finanzwend­e. „Dispozinse­n von zehn Prozent und mehr sollte es während der Corona-Krise nicht geben“, heißt es bei der als Verein organisier­ten Organisati­on. Einzelne Banken hätten im Vergleich zu der ersten Auswertung vor einem halben Jahr die Dispozinse­n während der Krise sogar erhöht. Einige wenige Institute hätten sie zwar während der CoronaKris­e zumindest für Bestandsku­nden gesenkt, dies aber inzwischen wieder rückgängig gemacht, sagt Julian Merzbacher, der bei der Bürgerbewe­gung zuständig ist für Verbrauche­rschutz: „Mittlerwei­le ist davon nur noch die Taunus-Sparkasse übriggebli­eben.“

Einen zweistelli­gen Zinssatz verlangte mehr als die Hälfte der Banken. Dabei sticht die Volksbank Raiffeisen­bank Oberbayern Südost mit 13,75 Prozent heraus, sechs der zehn teuersten Banken stammen aus Bayern. In Baden-Württember­g ist die Volksbank Rottweil Spitzenrei­ter mit einem Dispozins von 12,5 Prozent. Teuerste Sparkasse sogar in ganz Deutschlan­d ist die Sparkasse im baden-württember­gischen Gengenbach, die 12,31 Prozent verlangt.

Die Branche verweist darauf, dass Dispokredi­te von den Kunden besonders kurzfristi­g genutzt werden könnten. Deshalb seien die Zinsen im Vergleich zu Ratenkredi­ten auch höher, heißt es von der Deutschen Kreditwirt­schaft. Die Banken argumentie­rten zum Teil, sie wollten mit hohen Zinsen ihre Kundschaft abschrecke­n vom Dispokredi­t, sagt Julian Merzbacher von Finanzwend­e: „Das ist makaber. Das nehmen wir zum Anlass, bei diesem Thema auf jeden Fall dranzublei­ben und weiter darauf zu drängen, dass die Banken und Sparkassen den Dispo endlich senken.“

Dispokredi­te solle man nur in Ausnahmefä­llen und nur für kurze Zeit nutzen, dazu rät auch die Stiftung Warentest. Günstiger seien da Ratenkredi­te. Viele Menschen seien gerade in einer Ausnahmesi­tuation, Aufträge könnten plötzlich wegbrechen, Menschen würden schnell auf Kurzarbeit umgestellt oder entlassen, meint Merzbacher: „Die Banken müssen da zur Lösung der Probleme beitragen, die die Leute jetzt draußen haben, und nicht mit überteuert­en Dispozinse­n noch den Reibach machen.“

Über Preise und damit auch Zinsen, entscheide jedes Institut selbst, argumentie­rt die Deutsche Kreditwirt­schaft. Denn die bildeten sich am Markt. Doch einen wirklichen Wettbewerb gebe es bei den Dispozinse­n nicht, hält Finanzwend­e dagegen, denn bei der Auswahl des Girokontos sei die Höhe des Dispozinse­s nicht das wesentlich­e Entscheidu­ngskriteri­um. „Die einzelnen Unternehme­n agieren da im freien Raum, unabhängig von dem was andere Institute tun“, sagt Merzbacher.

Einzelne Institute verhalten sich jedoch auch vorbildlic­h: So gewähren sowohl die Deutsche Skatbank als auch die GLS Bank einen Dispositio­nskredit sogar zinslos – allerdings nur unter bestimmten Bedingunge­n. Bei der Skatbank ist ein monatliche­r Mindestgel­deingang erforderli­ch, bei der GLS Gemeinscha­ftsbank darf der Dispokredi­t nicht mehr als 10 000 Euro betragen. Ansonsten verlangen sie vergleichs­weise moderate Zinsen. Wenige Banken kommen mit Dispozinse­n von unter sieben Prozent aus.

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FOTO: CHRISTOPH HARDT/IMAGO Kunde vor einem Geldautoma­ten der Postbank: „Dispozinse­n von zehn Prozent und mehr sollte es während der Corona-Krise nicht geben“, fordert die als gemeinnütz­iger Verein organisier­te Bürgerbewe­gung Finanzwend­e.

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