Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Wenn Sie einen Musiker kennen, tun Sie ihm etwas Gutes“
In der Mengener Pauluskirche erklingen Cello und Harfe beim Konzert am Vorabend des Lockdowns
MENGEN - Das Konzert in der Pauluskirche am Sonntagabend hat in einer ganz besonderen Stimmung stattgefunden: Publikum und Instrumentalisten wussten, dass es das letzte Konzert am Vorabend des erneuten Kultur-Lockdown ist und dass schon am nächsten Morgen Cello und Harfe für mehrere Wochen verstummen werden. Felix Thiedemann am Cello und Emilie Jaulmes an der Harfe haben mit feinfühliger und Energie geladener Musik ihr Publikum begeistert. Thiedemann deutete auf die kommenden schweren Wochen und sagte am Ende des Konzerts: „Wenn Sie einen Musiker, einen Schauspieler oder einen Tänzer kennen, dann tun Sie ihm in den nächsten Wochen bitte etwas Gutes.“
Pfarrerin Heidrun Stocker freute sich, dass das Konzert, das bereits von April auf Oktober verschoben worden war, noch stattfinden durfte. Es sei schon fast ein Krimi gewesen, sagte sie. Doch verschieben wollte sie das Konzert nicht noch einmal, auch wegen der Musiker.
Die Kirche war in mildes Licht getaucht; Kerzen flackerten leise. Thiedemann und Jaulmes spielten fast ein Pariser Programm mit Werken von Gabriel Fauré, Jacques Offenbach und Camille Saint-Saens. In diese Struktur hinein woben sie Werke von Johann Sebastian Bach und von Bedrich
Smetana. Der lyrische und ernste Klang des Cellos und die zarte, aber auch rauschende Harfe verbanden sich zu einem musikalischen Ereignis. Cello und Harfe sind eine seltene Instrumenten-Kombination: Klanglich ergänzten sie sich wunderbar und machten bekannte Werke zu einem neuen Hörerlebnis. Das Konzert begann mit Gabriel Faurés
„Elegie“. Klangvoll und zupackend gestalteten Cello und Harfe dieses Stück. Thiedemann und Jaulmes warfen sich hingebungsvoll und ebenbürtig in diese Musik hinein. Sie erreichten gleich in den ersten Takten das Herz des Publikums. Danach spielte Thiedemann aus Bachs zweiten Suite das „Präludium“, die „Allemande“und die „Sarabande“für Cello
solo. Es war sehr bewegend in diesen ernsten Stunden Bachs erhabene Musik zu hören.
Dann wechselte das Duo zwischen der schwelgerischen Romantik von Offenbachs Operettenklang und Faurés bereits modernen Nuancen. Hoch emotional und mitreißend kulminierten die Stücke in eine Variation der „Larmes de Jacqueline“. Man spürte die Lust am Musizieren. Man genoss es, wie das Duo den Raum in Besitz nahm und verwandelte. Thiedemann und Jaulmes interpretierten nuancenreich und gekonnt. Sie ließen Volumina souverän anschwellen und verstummen. Sie setzten sensibel die Akzente.
Die Harfenistin überraschte das Publikum mit dem ausladenden symphonischen Werk „Die Moldau“von Smetana, das sie solistisch bot. Jaulmes ließ die Wellen magisch rauschen. Sie malte mit glitzernden perlenden Klängen die Stationen. Es war wie ein Zauber: diese Harfe schuf eine überzeugende Klangfülle, die meist von einem Orchester geleistet wird.
Das Konzert endete mit virtuosen Sonaten-Klängen von Saint-Saens: Noch einmal zeigten Cello und Harfe, wie viel sie einander und dem Publikum zu sagen haben. Als Zugabe spielten sie den Choral „Du bist bei mir“und das klang wie ein letztes Gebet gen Himmel vor dem angeordneten Verstummen.