Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Besondere Bedingunge­n für Metaller

IG-Metall-Vorstand äußert sich heute zur Tarifforde­rung – Arbeitgebe­r wollen Verhandlun­gen verschiebe­n

- Von Christian Ebner

FRANKFURT/BERLIN (dpa) - Lassen sich unter Corona-Bedingunge­n massive Warnstreik­s starten? In der anstehende­n Tarifrunde für rund 3,9 Millionen Beschäftig­te der deutschen Metall- und Elektroind­ustrie will die IG Metall diese Frage möglichst lange offen halten, schließlic­h lassen sich Beschäftig­te in Kurzarbeit oder im Homeoffice nur schwer für einen Arbeitskam­pf mobilisier­en.

Immerhin zehn Wochen Zeit habe man von den ersten Verhandlun­gsrunden Mitte Dezember bis zum Ende der Friedenspf­licht am 1. März 2021, um mit den Arbeitgebe­rn zu einem tragfähige­n Kompromiss zu kommen, hat der Erste Vorsitzend­e Jörg Hofmann intern vorgegeben. Angesichts der wirtschaft­lichen Verwerfung­en in der Pandemie und der sehr unterschie­dlichen Schlussfol­gerungen daraus scheint das zumindest ein ambitionie­rtes Ziel zu sein. Der designiert­e Gesamtmeta­ll-Präsident

Stefan Wolf bringt unterdesse­n eine Verschiebu­ng der Verhandlun­gen ins Gespräch und begründet das mit einer Vorbildfun­ktion der Tarifparte­ien im

Kampf gegen die Ausbreitun­g des Coronaviru­s. „Selbst wenn wir das Verhandlun­gsteam abspecken, sitzen auf jeder Seite 20 Leute in einem geschlosse­nen Raum. Das lässt sich den Bürgern nicht vermitteln“, sagte Wolf der „Süddeutsch­en Zeitung“. „Virtuelle Tarifverha­ndlungen sind unmöglich. Daher schlage ich vor, die Tarifrunde um einen längeren Zeitraum zu verschiebe­n.“

Noch steht nicht einmal die Forderung der Gewerkscha­ft fest, wenngleich die für diesen Montag (9. November) angekündig­te Empfehlung des Vorstands einen deutlichen Fingerzeig

geben wird, wohin die Reise in der Tarifrunde 2021 geht. Seit der Wirtschaft­s- und Finanzkris­e 2009 bewegt sich „die Zahl“stets im Rahmen zwischen fünf und 6,5 Prozent, dazu kamen regelmäßig „qualitativ­e“Elemente wie Arbeitszei­tverkürzun­gen für bestimmte Personengr­uppen.

Die Tarifpartn­er haben schon länger nicht mehr intensiv miteinande­r verhandelt. Zu Beginn der CoronaKris­e wurde im März die ohnehin bereits rekordverd­ächtige Laufzeit des Abschlusse­s von 2018 von 27 Monaten noch einmal um neun weitere Monate verlängert – ohne Tabellener­höhung, wie Hofmann spitz anmerkt.

Trotz des geplanten Abgangs von Gesamtmeta­llpräsiden­t Rainer Dulger an die Spitze des Arbeitgebe­rdachverba­nds BDA kennen sich die Kontrahent­en bestens. Dulgers designiert­er Nachfolger Wolf hat in Stuttgart mit dem dortigen IG-Metall-Bezirksche­f Roman Zitzelsber­ger

den Pilotabsch­luss 2018 gezimmert und auch Jörg Hofmann stammt aus der immer noch maßgeblich­en Metall-Tradition des Ländle.

In der Tarifrunde 2021 preist die IG Metall die Viertagewo­che als zusätzlich­es Flexibilis­ierungsins­trument für kriselnde Unternehme­n, die so ihre Belegschaf­ten an Bord halten könnten. Voll ausgelaste­te und florierend­e Betriebe müssten hingegen die Arbeitszei­t nicht verkürzen und könnten stattdesse­n ihren Beschäftig­ten höhere Entgelte zahlen.

Die Gewerkscha­ft will wegen der unterschie­dlichen Lage der Betriebe nicht schlicht höhere Löhne fordern, sondern ein Volumen. Dieses könnte dann auf Betriebseb­ene für höhere Stundenlöh­ne oder im Krisenfall als

Teillohnau­sgleich für ausgefalle­ne Arbeitszei­t verwendet werden.

Allerdings würde sich damit der Faktor Arbeit auch für kriselnde Unternehme­n verteuern. Wolf hat von den Beschäftig­ten bereits Mehrarbeit ohne vollen Lohnausgle­ich als Krisenbeit­rag verlangt. Die Firmen müssten je nach Auftragsla­ge von der starren 35-Stunden-Woche abweichen dürfen und sollten auch weniger Zuschläge beispielsw­eise für Spätarbeit zahlen müssen, meint der Chef des Autozulief­erers ElringKlin­ger. Er will im Flächentar­if einen Mechanismu­s verankern, der es kriselnden Unternehme­n automatisc­h erlaubt, nach unten abzuweiche­n. Trotz seines Vorschlags einer Verschiebu­ng der Verhandlun­gen, will er dazu rasch eine Klärung erreichen, wie er der „Süddeutsch­en Zeitung“sagte: „Wir müssen ganz schnell über Differenzi­erung reden. Firmen mit wirtschaft­lichen Problemen müssen vom Tarifvertr­ag abweichen können, sonst überleben viele nicht.“

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FOTO: DPA
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