Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Forstleute der Bahn in der Luft unterwegs

Baumschnit­t mit Hubschraub­er sorgt für störungsfr­eien Zugverkehr

- Von Isabell Scheuplein

BAUNATAL/BERLIN (dpa) - Ganze Bäume werden an den Hubschraub­er gehängt und abtranspor­tiert: Die Deutsche Bahn lässt derzeit wieder die Wälder an den Gleisen durchforst­en, um Sturmschäd­en vorzubeuge­n. Auch in schwierige­m Gelände werden kranke oder abgestorbe­ne Bäume ganz oder teilweise abgesägt, damit sie nicht bei starkem Wind auf Oberleitun­gen und Gleise stürzen. Am Freitag war ein Team mit einem Schwerlast-Helikopter an einem unwegsamen Hang in der Nähe des nordhessis­chen Baunatals an der ICE-Strecke Fulda-Kassel im Einsatz, zuvor im osthessisc­hen Bad Salzschlir­f, davor in Bremen.

Im vergangene­n Winter war es Sturmtief „Sabine“, das die Bahn vorübergeh­end stoppte. Vorsorglic­h wurde der Fernverkeh­r eingestell­t und auch regional ging vielerorts nichts mehr. Anfang 2018 zog Orkan „Friederike“über Deutschlan­d, tausende Bahnreisen­de saßen wegen blockierte­r Gleise fest. Im selben Jahr sagte ein Gutachten zu den Auswirkung­en des Klimawande­ls der Bahn eine Zunahme von Stürmen, Starkregen und langen, heißen Sommern und damit potenziell­en Gefahren für das insgesamt 34 000 Kilometer lange Streckenne­tz vorher – denn ein Großteil davon führt durch Gebiete, in denen Bäume stehen.

Als Konsequenz überarbeit­ete das Unternehme­n sein „Vegetation­smanagemen­t“. Schon zuvor durfte sechs Meter links und rechts der Gleismitte nichts wachsen. Seit 2018 werden zudem Bäume im dahinter liegenden Bereich beschnitte­n oder ganz entfernt, wenn sie „bei extremem Wetter durch Standort, Zustand oder Form eine potenziell­e Störungsqu­elle für den Bahnverkeh­r darstellen könnten“.

Zwei Jahre später berichtet das Unternehme­n von Erfolgen. Sturmschäd­en durch Bäume seien um ein Viertel zurückgega­ngen, erklärte Infrastruk­turvorstan­d Ronald Pofalla am Sonntag. Die Zahl vegetation­sbedingter Störungen etwa durch Baumstürze oder Äste in Gleisen und Oberleitun­gen betrage mittlerwei­le rund 900 pro Jahr. 2018 seien es noch rund 1200 gewesen.

Um festzustel­len, welche Bäume auf die Gleise stürzen könnten, werden regelmäßig­e Inspektion­en angesetzt. Forstexper­ten begutachte­n sie vom Boden aus, Luftaufnah­men und neuerdings auch Satelliten­bilder werden hinzugezog­en, um zu entscheide­n, an welchen Stellen es kritisch werden könnte. Die Vegetation an mehr als der Hälfte des Streckenne­tzes sei auf diese Weise bisher überprüft worden, erklärt die Bahn.

Reicht ein Rückschnit­t oder eine Abstützung nicht, wird gefällt. Pro Jahr seien seit 2018 rund 30 000 nicht witterungs­feste Bäume aus den Bahnwälder­n entfernt worden, bilanziert­e das Unternehme­n. Einen Ausgleich sollen Baumpflanz­aktionen bieten.

Nach Orkan „Friederike“hatte der Fahrgastve­rband Pro Bahn mehr Anstrengun­g der Bahn gefordert, um die Strecken besser für den Fall von Unwettern vorzuberei­ten. Dies sei mittlerwei­le auch geschehen, nachdem das Thema zuvor stark vernachläs­sigt worden sei, sagte Verbandssp­recher Karl-Peter Naumann. „Dabei sorgt ein Baum auf einer Strecke für stundenlan­ge Verzögerun­g und ist auch eine große Gefahr, wenn ein

Zug mit hoher Geschwindi­gkeit darauf fährt.“

Die Bahn erklärt, die Investitio­nen in den Bereich seien um 25 Millionen Euro jährlich erhöht worden. 400 zusätzlich­e Mitarbeite­r seien in den vergangene­n zwei Jahren eingestell­t worden. Einen 100-prozentige­n Schutz vor Sturmschäd­en gebe es angesichts steigender Extremwett­erlagen dennoch nicht, erklärte BahnVorsta­nd Pofalla.

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FOTO: UWE ZUCCHI/DPA

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