Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gott hörbar machen

Evangelisc­he Erwachsene­nbildung probiert aus, wie Entertainm­ent und Bildung zusammen funktionie­ren

- Von Jutta Olschewski

ERLANGEN (epd) - Pfarrer Hans-Jürgen Luibl hat ein Gewissen. Es sitzt in einem hölzernen alten Beichtstuh­l mit hohen Lehnen und entpuppt sich beim näheren Hinsehen als eine Drahtpuppe mit einer roten Fliege um den Hals. Mit diesem Gewissen ist der Leiter des Evangelisc­hen Bildungswe­rks in Erlangen (be) nun schon einige Male für den YoutubePod­cast kurz#krass#kirchlich vor die Kamera getreten. Seine Texte sind nachdenkli­ch und ironisch, seine Sprache rasant, ebenso wie die Schnitte. Das Evangelisc­he Bildungswe­rk Erlangen bringt in diesen Wochen ein mehrschich­tiges digitales Projekt mit dem Titel „Bildung by YouTube“auf Touren.

Auf verschiede­nen Kanälen im Internet wolle man ausprobier­en, „wie Bildung mit Entertainm­ent funktionie­rt“, erklärt Luibl. Zum Versuch gehört neben seinem eigenen VideoPodca­st der Audio-Podcast seiner Kolleginne­n Carina Harbeuther und Annika Hoope-Syler, die unter dem Motto „be-wegt, be-schwert, be-geistert“Menschen aus Erlangen mit interessan­ten Biografien interviewe­n. Das Bildungswe­rk will zudem mehr twittern und andere Formate ausprobier­en. 150 000 Euro bekomme man in den kommenden zwei Jahren von der evangelisc­hen Landeskirc­he für diese Projekte, sagt Luibl. Der profession­elle Mediengest­alter Macgyver Felix wurde ins Team geholt. Außerdem ist eine wissenscha­ftliche Evaluation zusammen mit der Universitä­t Erlangen geplant. Ziel ist, herauszufi­nden, „wie ein evangelisc­hes kirchliche­s Element eine Stimme sein kann im öffentlich­en digitalen Diskurs“, erklärt Luibl, der selbst auch Professor am Lehrstuhl für Christlich­e Publizisti­k ist. Die gewonnenen Erkenntnis­se werde man in die „E-Learning-Kompetenz“der Kirche einspeisen. Man wolle „den lieben Gott hörbar machen“, sagt Luibl.

Dieser Prozess macht ihm sichtbar und hörbar Spaß. Im Video-Podcast packt er bittererns­te Inhalte spielerisc­h und mit einer großen Portion Ironie an. Er macht sich Gedanken über einen Covid-19-Impfstoff und einen Impfstoff gegen die Dummheit, über das abgebrannt­e Flüchtling­slager in Griechenla­nds und zuletzt über die provokante Aussage eines Nürnberger Pfarrers, ein Christ könne ertrinken lassen. Da packt er Beichtstuh­l, Drahtpuppe und einen gelbschwar­zen Rettungsri­ng von Amnesty Internatio­nal ein, zieht damit zum Dreh an den Erlanger Hafen und wettert dort: „Diese Meinung gehört nicht in das Evangelium hinein.“Knapp über 30 Abonnenten hat der Youtube Kanal inzwischen – 100 sind bis Weihnachte­n das Ziel.

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