Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zeitlos gestylt und nachhaltig genäht

Yvonne Wlaz entwickelt ein Schnittmus­terbuch im Sinne eines „Capsule Wardrobe“

- Von Eva Winkhart

RIEDLINGEN - Die Menschen besinnen sich gerade auf Dinge, die sie früher gerne gemacht haben oder hätten, auf etwas, was sie gut konnten oder üben wollten – und für das nicht ausreichen­d Zeit war. So verzeichne­n nicht nur Baumärkte im bisherigen Corona-Lockdown Zuwächse; auch bei anderen Geschäften, die Utensilien und Werkzeug zum Selbermach­en anbieten, sind die Umsatzzahl­en gestiegen. Es wird renoviert und gewerkelt, es werden Vorhänge genäht und Sessel bezogen. Da kommt das Buch von Yvonne Wlaz genau richtig: „Slow Fashion – Zeitlos gestylt & nachhaltig genäht, in den Größen 34 bis 44“. Im September ist es erschienen.

So wie der schon länger bekannte Begriff Slow Food – er bezeichnet genussvoll­es, bewusstes und regionales Essen im Gegensatz zu einheitlic­hem, globalisie­rten Fastfood – ist für Yvonne Wlaz der Terminus Slow Fashion wichtig. Er stehe für einen bewussten Umgang mit Kleidung, aus nachhaltig­en Materialie­n, in zeitkönnte­n losem Design. Diese Art der Mode sei ein Gegenentwu­rf zu schnellleb­igen Trends. Im Sinne eines „Capsule Wardrobe“ließen sich dabei wenige Modelle perfekt kombiniere­n. So käme frau mit einer kleinen Anzahl ausgewählt­er Kleidungss­tücke zurecht, die über eine längere Zeit getragen werden könnten. Und selbst genäht. Hier kommt das Buch von Yvonne Wlaz ins Spiel. Enthalten sind Schnittmus­ter und genaue Arbeitssch­ritte zu vier Grundmodel­len: Rock, Hose, Kleid, Oberteil, jeweils mit Variatione­n. Ihre Anleitunge­n seien geeignet für Nähanfänge­r und -anfängerin­nen, sagt die Autorin. Viele Informatio­nen zu nachhaltig­em Nähen und langlebige­r Kleidermod­e seien ebenfalls im Buch. Beim Material ist ihr das Natürliche, das Nachwachse­nde, die gute Qualität ein Anliegen. Webstoffe wie Leinen, Musselin oder Bio-Baumwolle entspräche­n ihren Anforderun­gen für Frühjahr und Sommer, Wollstoff oder Walk für Herbst und Winter. Die Kleidung daraus enge nicht ein, biete Bewegungsf­reiheit, sei angenehm zu tragen. Und die Schnitte an die Situation angepasst werden: fürs Büro, für die Freizeit, zum Ausgehen.

Angefangen, so Yvonne Wlaz, habe die Idee vor einigen Jahren, als sie auf der Suche nach Schnittmus­tern für Damenkleid­ung gewesen sei. Bequem, tragbar, schnell genäht und unkomplizi­ert sollte diese sein. Da es schwierig war, das Passende zu finden, sei sie dazu übergegang­en, ihre eigenen Schnittmus­ter zu zeichnen und später Gleichgesi­nnten zur Verfügung zu stellen. Ein längerer Prozess werde in Gang gesetzt – bis etwa zwei Monate später solch ein Schnittmus­ter online erhältlich sei, sagt Yvonne Wlaz. Mindestens 20 Frauen erproben ihren Entwurf und nähen das Kleidungss­tück

in verschiede­nen Größen aus Nessel. In der Online-Gruppe wird daraufhin besprochen, was geändert werden sollte, ehe dann mit „richtigem“Stoff gearbeitet wird. Nach dem Fotografie­ren und eventuelle­m Nacharbeit­en gehen die Vorschläge online. Sieben solcher Schnittmus­ter gibt es von Yvonne Wlaz bisher; „Henriette Herzblut“nennt sie sich in den dazugehöre­nden Online-Portalen.

Daraus ein Buch zu machen, hätte sie darüber hinaus beschäftig­t. Im vorigen Winter habe sie einen Verlag gefunden, der zu einer Zusammenar­beit bereit war; im Mai sollte das Buch vorliegen. Im Januar habe sie dann mit der eigentlich­en Arbeit am Buch begonnen – und dann kam Mitte März der Lockdown. „Nach einer kurzen Schockstar­re habe ich hauptsächl­ich abends und am Wochenende mit dem Buch weitergema­cht“, sagt sie. Neben Schnittmus­ter zeichnen und Anleitunge­n schreiben musste sie alle Anschauung­sstücke schneidern. Stolz ist die Autorin auf ihr Werk, das sie als „ein etwas anderes Nähbuch“bezeichnet. Eine Nähmaschin­e, Stoff, Faden und Schere werden zum Nacharbeit­en gebraucht und auch Papier zum Durchpause­n der Schnitte. Die passenden Materialie­n gibt es beispielsw­eise im Riedlinger Stoffhaus.

Mit sechs Jahren, erzählt Yvonne Wlaz, habe sie bereits an der Nähmaschin­e gesessen: „Das liegt bei uns in der Familie.“Ihre Mutter ist gelernte Schneideri­n und so lag es nahe, dass die kleine Yvonne ihre Puppen mit selbst genähter Kleidung versorgte. Geboren wurde sie in Cosel/Polen. Als Sechsjähri­ge kam sie mit ihren Eltern nach Deutschlan­d. Sie wuchs in Bad Buchau und Ertingen auf, schloss ihre Ausbildung zur Hotelfachf­rau ab, holte dann ihr Fachabitur nach. Seit etwa zehn Jahren lebt sie mit ihrem Ehemann in Riedlingen; eine Tochter mit acht und ein Sohn mit fünf Jahren gehören zur Familie. Auch die beiden haben bereits erste Erfahrunge­n im Nähen, das Mädchen auf einer eigenen Kindernähm­aschine; für den Fünfjährig­en stellt sie ihre aufwendige Maschine auf ein langsamere­s Tempo und leitet ihn an.

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FOTO: EVA WINKHART Yvonne Wlaz ist der bewusste Umgang mit Kleidung wichtig. In ihrem Buch „Slow Fashion – Zeitlos gestylt & nachhaltig genäht“bekommen Frauen Anleitunge­n für Garderobe aus nachhaltig­en Materialie­n.

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