Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wie sich ein Dorf für die Zukunft rüstet

Hermenting­en steht vor großen Herausford­erungen, zeigt sich aber trotzdem optimistis­ch

- Von Sebastian Korinth

HERMENTING­EN - Gerade einmal 143 Einwohner zählt Veringenst­adts Ortsteil Hermenting­en, zwei Drittel sind älter als 40. Die Zeiten, in denen es eine Schule und einen Krämerlade­n gab, sind lange vorbei. Selbst die einzige Gaststätte ist seit fast 20 Jahren geschlosse­n. Und dennoch: Dass ihr Dorf eine Zukunft hat – daran lassen die Menschen keinen Zweifel. „Solange es Arbeitsplä­tze in der Nähe gibt, mache ich mir keine Sorgen“, sagt Ortsvorste­her Peter Knaus.

Ein Blick ins Wohngebiet Obere Wiesen erklärt, woher er diesen Optimismus nimmt. In den vergangene­n drei Jahrzehnte­n sei das Interesse, sich dort niederzula­ssen, ziemlich gering gewesen, erzählt er. Zuletzt aber habe sich das geändert. Nur noch einer von sieben Bauplätzen steht zum Verkauf, einen Interessen­ten gibt es bereits. Die Stadt bereitet derzeit eine Erweiterun­g des Wohngebiet­s vor.

Thomas Haug und seine Frau Ramona gehören zu denjenigen, die den Traum vom Eigenheim dort in die Tat umgesetzt haben. „Meine Eltern leben hier, ich bin hier fest verwurzelt“, sagt der 36-Jährige. Deshalb habe er mit seiner Familie auch in Hermenting­en leben wollen. „Das fand ich am Anfang schon ein bisschen schwierig“, gesteht Ramona Haug, die in Stetten am kalten Markt aufgewachs­en ist. „Aber inzwischen möchte ich nicht mehr zurück.“

Was die 27-Jährige bemerkensw­ert findet, ist zum Beispiel der Zusammenha­lt im Ort. „Man kennt sich und man hilft einander“, sagt sie. Tochter Amelie (3) und Sohn Lukas (1) könnten behütet groß werden. „Der Spielplatz müsste halt mal dringend renoviert werden“, findet Haug. Das Wichtigste sei, über günstige Bauplätze für Familien attraktiv zu bleiben, ergänzt ihr Mann: „Es sollte alles dafür getan werden, dass sich junge Familien auch in Zukunft hier niederlass­en können.“

Zwei der bekanntest­en Einwohner kamen vor knapp 40 Jahren eher durch Zufall nach Hermenting­en: Evi Clus und ihr Ehemann Herbert. In dessen Elternhaus wurde 1982 eine Wohnung frei – gerade als er eine neue Stelle in Gammerting­en antrat. Zwei Jahre später wurde er zum Ortsvorste­her gewählt. 30 Jahre lang sollte er diesem Amt treu bleiben. Immer an seiner Seite: Ehefrau Evi, bekannt für ihr ehrenamtli­ches Engagement und seit 2018 Trägerin des Bundesverd­ienstkreuz­es.

Ähnlich wie Ramona Haug fremdelte Evi Clus zunächst mit ihrem neuen Zuhause. „Inzwischen aber ist Hermenting­en zu meiner Heimat geworden“, sagt sie. Der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt, die wunderschö­ne Natur, die familiäre Atmosphäre – das alles wolle sie nicht mehr missen. Und auch ihr Mann sagt: „Wir fahren gerne woanders hin in den Urlaub. Aber darüber, wieder wegzuziehe­n, haben wir nie nachgedach­t.“Kinder könnten in Hermenting­en hervorrage­nd aufwachsen. Deshalb sei es wichtig, dass es weiterhin Bauplätze für junge Familien gibt. „Und dass die starke Gemeinscha­ft im Dorf erhalten bleibt“, ergänzt Evi Clus mit Blick auf die nächsten zehn Jahre.

In diesen gelte es die eine oder andere Herausford­erung zu meistern, sagt Ortsvorste­her Knaus. Früher habe es sich bei jedem zweiten Gebäude im Dorf um einen landwirtsc­haftlichen Betrieb gehandelt. Nur drei größere gebe es heute noch. „Aber wie lange?“, fragt Knaus. „Der Strukturwa­ndel trifft auch uns.“

Der Klimawande­l bringt Knaus ebenfalls ins Grübeln. Die Hermenting­er Gallusquel­le sei für die Region 27 12 9 ein wichtiger Wasserspei­cher, sagt er. So schnell werde der Vorrat auch nicht versiegen. Bis 2030 jedenfalls nicht. Aber darüber hinaus? „Die Sommer werden immer heißer und trockener. Andere Gegenden haben bereits zu kämpfen.“Ein akutes Problem sieht Knaus im schlechten Zustand von Straßen, Wasserleit­ungen und Kanälen. Eine Sanierung wünschten sich die Hermenting­er schon seit Jahren, sagt er. Bisher sei diese am Geld gescheiter­t, während die Corona-Krise die Finanzlage der Kommunen jetzt noch verschärfe.

Dennoch blickt Peter Knaus optimistis­ch in die Zukunft. Von der guten Verkehrsan­bindung, egal ob mit Bus, Zug oder Auto, über schnelles

Internet bis hin zur ruhigen Lage: Gerade für Familien habe der Ort seinen Reiz, sagt er. Und auch an der Sache mit dem Spielplatz sei man dran.

Armin Christ, Bürgermeis­ter von Veringenst­adt, sieht Hermenting­en ebenfalls gut aufgestell­t. Er verweist auf die seit Jahren konstante Einwohnerz­ahl und das außergewöh­nliche gemeinscha­ftliche Engagement. Der Ort biete eine Perspektiv­e für Einheimisc­he, aber auch für Menschen von außerhalb. „Viele Leute sagen: In der Stadt ist es mir einfach zu teuer“, sagt Christ. Unter anderem deshalb werde sich Hermenting­en auch 2030 noch behaupten können. „Und mit der Sanierung der Ortsdurchf­ahrt klappt es bis dahin vermutlich auch.“

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