Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wie sich ein Dorf für die Zukunft rüstet
Hermentingen steht vor großen Herausforderungen, zeigt sich aber trotzdem optimistisch
HERMENTINGEN - Gerade einmal 143 Einwohner zählt Veringenstadts Ortsteil Hermentingen, zwei Drittel sind älter als 40. Die Zeiten, in denen es eine Schule und einen Krämerladen gab, sind lange vorbei. Selbst die einzige Gaststätte ist seit fast 20 Jahren geschlossen. Und dennoch: Dass ihr Dorf eine Zukunft hat – daran lassen die Menschen keinen Zweifel. „Solange es Arbeitsplätze in der Nähe gibt, mache ich mir keine Sorgen“, sagt Ortsvorsteher Peter Knaus.
Ein Blick ins Wohngebiet Obere Wiesen erklärt, woher er diesen Optimismus nimmt. In den vergangenen drei Jahrzehnten sei das Interesse, sich dort niederzulassen, ziemlich gering gewesen, erzählt er. Zuletzt aber habe sich das geändert. Nur noch einer von sieben Bauplätzen steht zum Verkauf, einen Interessenten gibt es bereits. Die Stadt bereitet derzeit eine Erweiterung des Wohngebiets vor.
Thomas Haug und seine Frau Ramona gehören zu denjenigen, die den Traum vom Eigenheim dort in die Tat umgesetzt haben. „Meine Eltern leben hier, ich bin hier fest verwurzelt“, sagt der 36-Jährige. Deshalb habe er mit seiner Familie auch in Hermentingen leben wollen. „Das fand ich am Anfang schon ein bisschen schwierig“, gesteht Ramona Haug, die in Stetten am kalten Markt aufgewachsen ist. „Aber inzwischen möchte ich nicht mehr zurück.“
Was die 27-Jährige bemerkenswert findet, ist zum Beispiel der Zusammenhalt im Ort. „Man kennt sich und man hilft einander“, sagt sie. Tochter Amelie (3) und Sohn Lukas (1) könnten behütet groß werden. „Der Spielplatz müsste halt mal dringend renoviert werden“, findet Haug. Das Wichtigste sei, über günstige Bauplätze für Familien attraktiv zu bleiben, ergänzt ihr Mann: „Es sollte alles dafür getan werden, dass sich junge Familien auch in Zukunft hier niederlassen können.“
Zwei der bekanntesten Einwohner kamen vor knapp 40 Jahren eher durch Zufall nach Hermentingen: Evi Clus und ihr Ehemann Herbert. In dessen Elternhaus wurde 1982 eine Wohnung frei – gerade als er eine neue Stelle in Gammertingen antrat. Zwei Jahre später wurde er zum Ortsvorsteher gewählt. 30 Jahre lang sollte er diesem Amt treu bleiben. Immer an seiner Seite: Ehefrau Evi, bekannt für ihr ehrenamtliches Engagement und seit 2018 Trägerin des Bundesverdienstkreuzes.
Ähnlich wie Ramona Haug fremdelte Evi Clus zunächst mit ihrem neuen Zuhause. „Inzwischen aber ist Hermentingen zu meiner Heimat geworden“, sagt sie. Der gesellschaftliche Zusammenhalt, die wunderschöne Natur, die familiäre Atmosphäre – das alles wolle sie nicht mehr missen. Und auch ihr Mann sagt: „Wir fahren gerne woanders hin in den Urlaub. Aber darüber, wieder wegzuziehen, haben wir nie nachgedacht.“Kinder könnten in Hermentingen hervorragend aufwachsen. Deshalb sei es wichtig, dass es weiterhin Bauplätze für junge Familien gibt. „Und dass die starke Gemeinschaft im Dorf erhalten bleibt“, ergänzt Evi Clus mit Blick auf die nächsten zehn Jahre.
In diesen gelte es die eine oder andere Herausforderung zu meistern, sagt Ortsvorsteher Knaus. Früher habe es sich bei jedem zweiten Gebäude im Dorf um einen landwirtschaftlichen Betrieb gehandelt. Nur drei größere gebe es heute noch. „Aber wie lange?“, fragt Knaus. „Der Strukturwandel trifft auch uns.“
Der Klimawandel bringt Knaus ebenfalls ins Grübeln. Die Hermentinger Gallusquelle sei für die Region 27 12 9 ein wichtiger Wasserspeicher, sagt er. So schnell werde der Vorrat auch nicht versiegen. Bis 2030 jedenfalls nicht. Aber darüber hinaus? „Die Sommer werden immer heißer und trockener. Andere Gegenden haben bereits zu kämpfen.“Ein akutes Problem sieht Knaus im schlechten Zustand von Straßen, Wasserleitungen und Kanälen. Eine Sanierung wünschten sich die Hermentinger schon seit Jahren, sagt er. Bisher sei diese am Geld gescheitert, während die Corona-Krise die Finanzlage der Kommunen jetzt noch verschärfe.
Dennoch blickt Peter Knaus optimistisch in die Zukunft. Von der guten Verkehrsanbindung, egal ob mit Bus, Zug oder Auto, über schnelles
Internet bis hin zur ruhigen Lage: Gerade für Familien habe der Ort seinen Reiz, sagt er. Und auch an der Sache mit dem Spielplatz sei man dran.
Armin Christ, Bürgermeister von Veringenstadt, sieht Hermentingen ebenfalls gut aufgestellt. Er verweist auf die seit Jahren konstante Einwohnerzahl und das außergewöhnliche gemeinschaftliche Engagement. Der Ort biete eine Perspektive für Einheimische, aber auch für Menschen von außerhalb. „Viele Leute sagen: In der Stadt ist es mir einfach zu teuer“, sagt Christ. Unter anderem deshalb werde sich Hermentingen auch 2030 noch behaupten können. „Und mit der Sanierung der Ortsdurchfahrt klappt es bis dahin vermutlich auch.“