Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Verkehrsschau: Kein Tempolimit erforderlich
Untere Verkehrsbehörde will nach dem schweren Unfall Ende Oktober erneut über die Gefahrenstelle beraten
MENGEN - Die von den Ennetacher Ortschaftsräten geforderte Verkehrsschau an der Bundesstraße 32 auf Höhe der Einmündungsbereiche Scheerer Straße und Klosterstraße hat bereits am 23. September stattgefunden. Wie das Landratsamt Sigmaringen der „Schwäbischen Zeitung“mitteilt, sind die beteiligten Behörden zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Tempolimit nicht notwendig ist. Weder die örtlichen Verhältnisse noch die Unfallzahlen oder die Geschwindigkeitsüberschreitungen würden dies erforderlich machen, heißt es. Allerdings würde der schwere Unfall, der sich vor rund zwei Wochen an der Einmündung in die Scheerer Straße ereignet habe, der Unfallkommission Anlass geben, erneut zu beraten.
Zu hohe Geschwindigkeiten, gefährliche Situationen für Fußgänger beim Überqueren der Bundesstraße in Richtung der Krautländer und viele schwere Unfälle - für die beiden Ennetacher Gemeinderäte Thomas Rädle und David Haubner ist klar, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 oder 70 Stundenkilometer im besagten Bereich dringend notwendig ist.
Bei der Verkehrsschau indes, an der Vertreter der unteren Verkehrsbehörde des Landratsamts, der Polizei, des Regierungspräsidiums Tübingen, des Fachbereichs Straßenbau im Landratsamt und des Ordnungsamts der Stadt Mengen teilgenommen haben, ist man zu einem anderen Ergebnis gekommen: Eine Geschwindigkeitsbeschränkung wurde einstimmig abgelehnt.
Tobias Kolbeck, Pressesprecher des Landratsamts, begründet die Entscheidung damit, dass Beschränkungen nur dort zulässig seien, wo diese zwingend rechtlich erforderlich sind. „Insbesondere dürfen Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs wie etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht“, sagt er. Was bedeute, dass die Stelle an sich gefährlich sein müsse oder sich dort in der Vergangenheit zu viele zu schwere Unfälle ereignet haben müssten.
Vor Ort sei nun also zunächst überprüft worden, ob die Stelle an sich gefährlich ist. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn die Sicht auf den nahenden Verkehr nicht ausreichend wäre. „Bei der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern auf der bevorrechtigten Straße muss der einbiegende Verkehrsteilnehmer 200 Meter weit sehen können“, erläutert Kolbeck. „Dies ist hier möglich.“Die Knotenpunkte seien zudem bereits mit Stopp-Stellen und Abbiegespuren für Linksabbieger versehen, die zusätzlich zu einer Erhöhung der
„Aus meiner Sicht wurde das Gefahrenpotenzial an beiden Einmündungen völlig falsch eingeschätzt“, sagt Gemeinderat David Haubner.
Verkehrssicherheit führen. „Wir betreiben im Bereich der beiden Knotenpunkte bereits zwei Messstellen der mobilen Geschwindigkeitsüberwachung und dienen diese auch regelmäßig an“, fügt Kolbeck hinzu. „Die Beanstandungsquoten aus unseren mobilen Messungen liegen hier in einem unauffälligen Bereich.“
Möglich wäre ein Tempolimit jetzt nur noch dadurch, dass sich „trotz augenscheinlich sicherer Verhältnisse vor Ort trotzdem zu viele zu schwere Unfälle ereignet haben“. Ein Blick auf die Unfallstatistik des Polizeipräsidiums Ravensburg zeige aber, dass dieser Abschnitt der Bundesstraße nicht als Unfallhäufungsstelle oder -linie klassifiziert sei (siehe Kasten). Ändere sich das, werde erneut über eventuell notwendige Maßnahmen entschieden.
Der Unfall, der sich Ende Oktober ereignet hat und bei dem ein Lastwagenfahrer beim Abbiegen in die Scheerer Straße ein entgegenkommendes Auto übersehen hat, könnte nun vielleicht das Zünglein an der Waage sein. „Der Unfall nach der Verkehrsschau ist Anlass für uns, über die Stelle nochmals in der Unfallkommission mit Polizei, Regierungspräsidium und Stadt zu beraten. Dies ist in den nächsten Wochen vorgesehen“, sagt Kolbeck.
Weil das offizielle Protokoll der Unfallkommission der Stadt Mengen noch nicht zugegangen ist, möchte Bürgermeister Stefan Bubeck der Entscheidung der Kommission nicht vorgreifen. Aber: „Primäres Ziel der Stadtverwaltung ist es, die Unfallhäufigkeit an diesen beiden Kreuzungsbereichen
zu reduzieren“, sagt er.
Gemeinderat David Haubner äußert indessen sein Unverständnis darüber, als Ortschaftsrat nicht zur Verkehrsschau eingeladen worden zu sein. Laut Pressesprecher Kolbeck ist dies auf ausdrücklichen Wunsch hin möglich. „Uns war über die Stadtverwaltung mitgeteilt worden, dass eine Teilnahme nicht möglich ist“, sagt Haubner. In einem Brief ans Landratsamt hätten sein Ratskollege Thomas Rädle und er außerdem auf die Stoßzeiten am frühen Morgen sowie zwischen 16 und 17.30 Uhr hingewiesen. Dass die Verkehrsschau seinen Informationen zufolge um 10 Uhr stattgefunden habe, verzerre den Eindruck des Verkehrsaufkommens.
„Aus meiner Sicht wurde das Gefahrenpotenzial an beiden Einmündungen, sowohl beim Einfahren als auch beim Abbiegen, völlig falsch eingeschätzt“, so Haubner. Auch wenn der Bereich prinzipiell gut einsehbar sei, könnten Verkehrsteilnehmer immer nur das jeweils erste sich nähernde Fahrzeug sehen und einschätzen. „Um das Gefahrenpotential an beiden Einmündungen zumindest zu verringern, ist eine Geschwindigkeitsbegrenzung die einzig verbleibende Möglichkeit“, findet er.
Weiter möge es rechtlich so vorgesehen sein, die Bewertung der Unfallstatistik im Jahr 2017 beginnen zu lassen. „Aber daraus zu folgern, dass zu wenige schwere Unfälle passiert sind und keine einheitlichen Ursachen abzuleiten sind, ist keinem Ennetacher oder Mengener Bürger zu vermitteln, der das Unfallgeschehen der vergangenen Jahrzehnte in Erinnerung hat oder die Gefahrenstellen tagtäglich passieren muss, um Arbeitsstelle, Schule oder Arzt zu erreichen“, sagt Haubner.
Dass nun plötzlich ein weiterer schwerer Unfall ausreichen soll, um eine Entscheidung von vor vier Wochen neu zu überdenken, mache ihn nachdenklich. „Waren die vielen Unfälle der letzten Jahre und Jahrzehnte nicht schon Anlässe genug, um über eine Geschwindigkeitsbegrenzung nachzudenken? Erfolgt diese Ankündigung nur, um uns Bürger, Ortschaftsund Gemeinderäte unmittelbar nach dem erneut schweren Unfall zu beruhigen, bis sich die Aufregung wieder gelegt hat?“, fragt er.
Nichtsdestotrotz hält er es für unerlässlich, dass sich die Unfallkommission noch einmal mit dem Thema befasse. Vielleicht sei es dann auch möglich, dass Gemeinde- oder Ortschaftsräte aus Ennetach dabei sein könnten. „Dies wäre unser ausdrücklicher Wunsch.“Nach wie vor sei der Ortschaftsrat der Meinung, dass nur ein Tempolimit den Unfallschwerpunkt entschärfen könne.