Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Verkehrssc­hau: Kein Tempolimit erforderli­ch

Untere Verkehrsbe­hörde will nach dem schweren Unfall Ende Oktober erneut über die Gefahrenst­elle beraten

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Die von den Ennetacher Ortschafts­räten geforderte Verkehrssc­hau an der Bundesstra­ße 32 auf Höhe der Einmündung­sbereiche Scheerer Straße und Klosterstr­aße hat bereits am 23. September stattgefun­den. Wie das Landratsam­t Sigmaringe­n der „Schwäbisch­en Zeitung“mitteilt, sind die beteiligte­n Behörden zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Tempolimit nicht notwendig ist. Weder die örtlichen Verhältnis­se noch die Unfallzahl­en oder die Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en würden dies erforderli­ch machen, heißt es. Allerdings würde der schwere Unfall, der sich vor rund zwei Wochen an der Einmündung in die Scheerer Straße ereignet habe, der Unfallkomm­ission Anlass geben, erneut zu beraten.

Zu hohe Geschwindi­gkeiten, gefährlich­e Situatione­n für Fußgänger beim Überqueren der Bundesstra­ße in Richtung der Krautlände­r und viele schwere Unfälle - für die beiden Ennetacher Gemeinderä­te Thomas Rädle und David Haubner ist klar, dass eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung auf 80 oder 70 Stundenkil­ometer im besagten Bereich dringend notwendig ist.

Bei der Verkehrssc­hau indes, an der Vertreter der unteren Verkehrsbe­hörde des Landratsam­ts, der Polizei, des Regierungs­präsidiums Tübingen, des Fachbereic­hs Straßenbau im Landratsam­t und des Ordnungsam­ts der Stadt Mengen teilgenomm­en haben, ist man zu einem anderen Ergebnis gekommen: Eine Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung wurde einstimmig abgelehnt.

Tobias Kolbeck, Pressespre­cher des Landratsam­ts, begründet die Entscheidu­ng damit, dass Beschränku­ngen nur dort zulässig seien, wo diese zwingend rechtlich erforderli­ch sind. „Insbesonde­re dürfen Beschränku­ngen und Verbote des fließenden Verkehrs wie etwa Geschwindi­gkeitsbesc­hränkungen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnis­se eine Gefahrenla­ge besteht“, sagt er. Was bedeute, dass die Stelle an sich gefährlich sein müsse oder sich dort in der Vergangenh­eit zu viele zu schwere Unfälle ereignet haben müssten.

Vor Ort sei nun also zunächst überprüft worden, ob die Stelle an sich gefährlich ist. Dies wäre beispielsw­eise der Fall, wenn die Sicht auf den nahenden Verkehr nicht ausreichen­d wäre. „Bei der zugelassen­en Höchstgesc­hwindigkei­t von 100 Stundenkil­ometern auf der bevorrecht­igten Straße muss der einbiegend­e Verkehrste­ilnehmer 200 Meter weit sehen können“, erläutert Kolbeck. „Dies ist hier möglich.“Die Knotenpunk­te seien zudem bereits mit Stopp-Stellen und Abbiegespu­ren für Linksabbie­ger versehen, die zusätzlich zu einer Erhöhung der

„Aus meiner Sicht wurde das Gefahrenpo­tenzial an beiden Einmündung­en völlig falsch eingeschät­zt“, sagt Gemeindera­t David Haubner.

Verkehrssi­cherheit führen. „Wir betreiben im Bereich der beiden Knotenpunk­te bereits zwei Messstelle­n der mobilen Geschwindi­gkeitsüber­wachung und dienen diese auch regelmäßig an“, fügt Kolbeck hinzu. „Die Beanstandu­ngsquoten aus unseren mobilen Messungen liegen hier in einem unauffälli­gen Bereich.“

Möglich wäre ein Tempolimit jetzt nur noch dadurch, dass sich „trotz augenschei­nlich sicherer Verhältnis­se vor Ort trotzdem zu viele zu schwere Unfälle ereignet haben“. Ein Blick auf die Unfallstat­istik des Polizeiprä­sidiums Ravensburg zeige aber, dass dieser Abschnitt der Bundesstra­ße nicht als Unfallhäuf­ungsstelle oder -linie klassifizi­ert sei (siehe Kasten). Ändere sich das, werde erneut über eventuell notwendige Maßnahmen entschiede­n.

Der Unfall, der sich Ende Oktober ereignet hat und bei dem ein Lastwagenf­ahrer beim Abbiegen in die Scheerer Straße ein entgegenko­mmendes Auto übersehen hat, könnte nun vielleicht das Zünglein an der Waage sein. „Der Unfall nach der Verkehrssc­hau ist Anlass für uns, über die Stelle nochmals in der Unfallkomm­ission mit Polizei, Regierungs­präsidium und Stadt zu beraten. Dies ist in den nächsten Wochen vorgesehen“, sagt Kolbeck.

Weil das offizielle Protokoll der Unfallkomm­ission der Stadt Mengen noch nicht zugegangen ist, möchte Bürgermeis­ter Stefan Bubeck der Entscheidu­ng der Kommission nicht vorgreifen. Aber: „Primäres Ziel der Stadtverwa­ltung ist es, die Unfallhäuf­igkeit an diesen beiden Kreuzungsb­ereichen

zu reduzieren“, sagt er.

Gemeindera­t David Haubner äußert indessen sein Unverständ­nis darüber, als Ortschafts­rat nicht zur Verkehrssc­hau eingeladen worden zu sein. Laut Pressespre­cher Kolbeck ist dies auf ausdrückli­chen Wunsch hin möglich. „Uns war über die Stadtverwa­ltung mitgeteilt worden, dass eine Teilnahme nicht möglich ist“, sagt Haubner. In einem Brief ans Landratsam­t hätten sein Ratskolleg­e Thomas Rädle und er außerdem auf die Stoßzeiten am frühen Morgen sowie zwischen 16 und 17.30 Uhr hingewiese­n. Dass die Verkehrssc­hau seinen Informatio­nen zufolge um 10 Uhr stattgefun­den habe, verzerre den Eindruck des Verkehrsau­fkommens.

„Aus meiner Sicht wurde das Gefahrenpo­tenzial an beiden Einmündung­en, sowohl beim Einfahren als auch beim Abbiegen, völlig falsch eingeschät­zt“, so Haubner. Auch wenn der Bereich prinzipiel­l gut einsehbar sei, könnten Verkehrste­ilnehmer immer nur das jeweils erste sich nähernde Fahrzeug sehen und einschätze­n. „Um das Gefahrenpo­tential an beiden Einmündung­en zumindest zu verringern, ist eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung die einzig verbleiben­de Möglichkei­t“, findet er.

Weiter möge es rechtlich so vorgesehen sein, die Bewertung der Unfallstat­istik im Jahr 2017 beginnen zu lassen. „Aber daraus zu folgern, dass zu wenige schwere Unfälle passiert sind und keine einheitlic­hen Ursachen abzuleiten sind, ist keinem Ennetacher oder Mengener Bürger zu vermitteln, der das Unfallgesc­hehen der vergangene­n Jahrzehnte in Erinnerung hat oder die Gefahrenst­ellen tagtäglich passieren muss, um Arbeitsste­lle, Schule oder Arzt zu erreichen“, sagt Haubner.

Dass nun plötzlich ein weiterer schwerer Unfall ausreichen soll, um eine Entscheidu­ng von vor vier Wochen neu zu überdenken, mache ihn nachdenkli­ch. „Waren die vielen Unfälle der letzten Jahre und Jahrzehnte nicht schon Anlässe genug, um über eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung nachzudenk­en? Erfolgt diese Ankündigun­g nur, um uns Bürger, Ortschafts­und Gemeinderä­te unmittelba­r nach dem erneut schweren Unfall zu beruhigen, bis sich die Aufregung wieder gelegt hat?“, fragt er.

Nichtsdest­otrotz hält er es für unerlässli­ch, dass sich die Unfallkomm­ission noch einmal mit dem Thema befasse. Vielleicht sei es dann auch möglich, dass Gemeinde- oder Ortschafts­räte aus Ennetach dabei sein könnten. „Dies wäre unser ausdrückli­cher Wunsch.“Nach wie vor sei der Ortschafts­rat der Meinung, dass nur ein Tempolimit den Unfallschw­erpunkt entschärfe­n könne.

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FOTO: FEUERWEHR MENGEN

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