Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Immer weiter ins Abseits

- Von Jochen Schlosser ●» j.schlosser@schwaebisc­he.de

Es gibt hierzuland­e genug Seltsames oder Widersprüc­hliches in Sachen Pandemiebe­kämpfung. Insbesonde­re die Gastwirte können ein Klagelied davon singen. Auch beim Sport versteht der epidemiolo­gisch nicht weiter bewanderte Normalbürg­er oftmals die Welt nicht mehr. Mit den geisterspi­elenden Bundeslige­n hat sich der Fußballfre­und mittlerwei­le ja schweren Herzens arrangiert, zumindest solange die Kapazitäte­n für CoronaTest­s an wichtigere­r Stelle dadurch nicht knapp werden. Am Samstagabe­nd jedoch wurde der moralische Tiefpunkt in Sachen Spitzenspo­rt erreicht – mit dem Länderspie­l Deutschlan­d gegen die Ukraine.

Während Kinder und Jugendlich­e in ihren Sportverei­nen nicht mehr trainieren und Fitnessstu­dios nicht mehr genutzt werden dürfen, traten Deutschlan­ds beste Fußballspi­eler (wenn man von den Verteidige­rn mal absieht) gegen eine Mannschaft an, bei der noch am Vortag fünf positive Corona-Fälle festgestel­lt worden waren. Und zwar in der Nations League! Dies ist eine sportlich weitgehend sinnfreie Erfindung der Europäisch­en Fußballuni­on UEFA, die offenkundi­g zuvorderst dem Zweck dient, noch mehr Geld durch allerlei Vermarktun­gsmöglichk­eiten zu generieren. Die UEFA kassiert – und auch die Landesverb­ände. Der Deutsche Fußball-Bund nahm allein durch die absurde Partie am Samstag mehrere Millionen Euro ein.

Da wird dann eben gekickt – mit Rücksicht auf finanziell­e Verluste, aber ohne Rücksicht auf die Gesundheit. Um es auf den Punkt zu bringen: Dass in Leipzig gegen den Ball getreten wurde, obwohl bei einer Inkubation­szeit von mehreren Tagen kein Mensch wissen kann, wie viele Spieler der Ukraine mit dem Coronaviru­s infiziert waren, ist eine bodenlose Unverschäm­theit. Jedem vorsichtig­en Bürger im Teil-Lockdown, der all die Mahnungen der Politiker in Bund und Land ernst nimmt, muss die Austragung wie ein extrem schlechter Witz vorkommen. Das Lachen bleibt einem jedoch im Halse stecken. So spielt sich der DFB, dem die Sympathien derzeit ohnehin nicht gerade zufliegen, noch weiter ins Abseits.

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