Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Immer weiter ins Abseits
Es gibt hierzulande genug Seltsames oder Widersprüchliches in Sachen Pandemiebekämpfung. Insbesondere die Gastwirte können ein Klagelied davon singen. Auch beim Sport versteht der epidemiologisch nicht weiter bewanderte Normalbürger oftmals die Welt nicht mehr. Mit den geisterspielenden Bundesligen hat sich der Fußballfreund mittlerweile ja schweren Herzens arrangiert, zumindest solange die Kapazitäten für CoronaTests an wichtigerer Stelle dadurch nicht knapp werden. Am Samstagabend jedoch wurde der moralische Tiefpunkt in Sachen Spitzensport erreicht – mit dem Länderspiel Deutschland gegen die Ukraine.
Während Kinder und Jugendliche in ihren Sportvereinen nicht mehr trainieren und Fitnessstudios nicht mehr genutzt werden dürfen, traten Deutschlands beste Fußballspieler (wenn man von den Verteidigern mal absieht) gegen eine Mannschaft an, bei der noch am Vortag fünf positive Corona-Fälle festgestellt worden waren. Und zwar in der Nations League! Dies ist eine sportlich weitgehend sinnfreie Erfindung der Europäischen Fußballunion UEFA, die offenkundig zuvorderst dem Zweck dient, noch mehr Geld durch allerlei Vermarktungsmöglichkeiten zu generieren. Die UEFA kassiert – und auch die Landesverbände. Der Deutsche Fußball-Bund nahm allein durch die absurde Partie am Samstag mehrere Millionen Euro ein.
Da wird dann eben gekickt – mit Rücksicht auf finanzielle Verluste, aber ohne Rücksicht auf die Gesundheit. Um es auf den Punkt zu bringen: Dass in Leipzig gegen den Ball getreten wurde, obwohl bei einer Inkubationszeit von mehreren Tagen kein Mensch wissen kann, wie viele Spieler der Ukraine mit dem Coronavirus infiziert waren, ist eine bodenlose Unverschämtheit. Jedem vorsichtigen Bürger im Teil-Lockdown, der all die Mahnungen der Politiker in Bund und Land ernst nimmt, muss die Austragung wie ein extrem schlechter Witz vorkommen. Das Lachen bleibt einem jedoch im Halse stecken. So spielt sich der DFB, dem die Sympathien derzeit ohnehin nicht gerade zufliegen, noch weiter ins Abseits.