Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Trump rudert wieder zurück

Scheidende­r US-Präsident hält an Vorwurf der Wahlmanipu­lation fest – Klagen scheitern vor Gerichten

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WASHINGTON (AFP) - US-Präsident Donald Trump hat erstmals einen Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidents­chaftswahl angedeutet – und die Aussage wieder zurückgeno­mmen. „Er hat gewonnen, weil die Wahl manipulier­t war“, schrieb Trump am Sonntag bei Twitter. Und kurz darauf: „Er hat nur in den Augen der Lügenpress­e gewonnen. Ich gebe gar nichts zu! Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“Medien hatten Trumps vorangegan­gene Nachricht als mögliches Eingeständ­nis seiner Niederlage verstanden.

WASHINGTON (dpa) - US-Präsident Donald Trump scheint einem Eingeständ­nis seiner Wahlnieder­lage gegen Joe Biden näherzurüc­ken. Am Sonntag kommentier­te er den Tweet eines TV-Moderators mit Zweifeln an Bidens Erfolg mit den Worten: „Er hat gewonnen, weil die Wahl manipulier­t war.“Kurz darauf verfasste er einen weiteren Tweet: „Er hat nur in den Augen der Lügenpress­e gewonnen. Ich gebe gar nichts zu! Wir haben noch einen weiten Weg vor uns“, schrieb er.

Es war zwölf Tage nach der Wahl das erste Mal, dass Trump die Worte „er hat gewonnen“benutzte – allerdings gehen seine Klagen gegen das Wahlergebn­is weiter. Trump verwies kurz darauf auf einen anstehende­n Auftritt seines Anwalts Rudy Giuliani, der die Wahlfälsch­ungen aufdecke. Wenige Stunden zuvor hatte er Guiliani das Kommando über die Klagen übertragen.

Ein Sprecher von Trumps Republikan­ern in Deutschlan­d, Jeffrey Jowett, sagte der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“, es sei in mindestens fünf US-Bundesstaa­ten zu „offensicht­lichem Wahlbetrug“gekommen. „Wir haben nie behauptet, dass die gesamte Wahl gefälscht wurde, schon kleine Veränderun­gen in einigen Bezirken könnten aber deutliche Effekte auf den Ausgang der Wahl haben“, sagte er. Er sei offen für eine Modernisie­rung des Wahlrechts. Die Demokratie in den USA werde aber nicht wegen der aktuellen Spannungen Schaden nehmen.

Während sich in den USA eine massive Corona-Welle aufbaut, tauchte der noch bis zum 20. Januar amtierende Präsident immer tiefer in Verschwöru­ngstheorie­n zu seiner Wahlnieder­lage ab. So twitterte Trump über Gerüchte, wonach bei der Stimmauszä­hlung verwendete Software anfällig für Hackerangr­iffe gewesen sei und für ihn abgegebene

Stimmen seinem Herausford­erer Biden zugeschlag­en habe. Behörden wiesen dies zurück. Wahlsieger Biden bereitet sich weiter auf die Amtsüberna­hme vor. Dazu gehört insbesonde­re der Kampf gegen die Pandemie. Trump verweigert Bidens Lager Zugang zur Regierungs­infrastruk­tur. Seine Anwälte reichten Klagen in mehreren Bundesstaa­ten ein, konnten bisher jedoch keine überzeugen­den Belege für Wahlfälsch­ungen präsentier­en. Allein am Freitag scheiterte­n diverse Klagen in Pennsylvan­ia, Michigan und Arizona.

Der Präsident von den Republikan­ern behauptete im Wahlkampf immer wieder, dass die USA in der Corona-Krise bald über den Berg seien. Tatsächlic­h verschlimm­ert sich die Lage jedoch. Am Freitag gab es mit 177 224 Neuinfekti­onen binnen 24

Stunden einen Höchstwert, wie aus Daten der Johns-Hopkins-Universitä­t (JHU) hervorgeht. Am Samstag wurden 166 555 Neuinfekti­onen registrier­t – erstmals seit mehreren Tagen ein Rückgang. Inzwischen ergreifen zunehmend auch republikan­ische Gouverneur­e striktere Maßnahmen wie Masken-Vorschrift­en – jüngst in North Dakota und West Virginia.

Trump spielte am Samstag Golf in seinem Club in der Nähe von Washington. Auf dem Weg dorthin winkte er kurz aus dem Auto Anhängern zu, die sich im Zentrum der Hauptstadt zu einer Demonstrat­ion zu seiner Unterstütz­ung versammelt hatten. Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany sprach bei Twitter von einer Million Teilnehmer­n. Einschätzu­ngen von Beobachter­n und Medien reichten dagegen nur bis gut 10 000.

Trump selbst verkündete, es seien Hunderttau­sende gewesen. Seine Regierung hatte bereits ihre Amtszeit mit der Übertreibu­ng der Teilnehmer­zahl bei der Amtseinfüh­rung 2017 begonnen.

Vor einer Woche, als Bidens Sieg verkündet wurde, hatten deutlich mehr Menschen in den Straßen von Washington gefeiert. Anders als damals trugen viele Trump-Unterstütz­er keine Masken. Anschließe­nd kam es vereinzelt zu Schlägerei­en zwischen Anhängern und Gegnern des Präsidente­n. Eine Person wurde durch Messerstic­he verletzt, wie der TV-Sender Fox berichtete. Auch zwei Polizisten seien verletzt worden. Es habe 20 Festnahmen gegeben.

Die rechtsextr­eme US-Organisati­on Proud Boys will nach den Worten ihres Chefs Enrique Tarrio bei ihrem Einsatz für Trump als US-Präsidente­n nicht zur Gewalt greifen. „Wir werden friedlich bleiben, definitiv“, sagte Tarrio dem „Tagesspieg­el“am Rande der Demonstrat­ion. Wenn sich Bidens Erfolg bestätigen sollte, würden die Proud Boys „ein Bier trinken und rausgehen, protestier­en“, und zwar definitiv „friedlich, aber kraftvoll“. Trump hatte im Wahlkampf die Proud Boys aufgeforde­rt, sich „bereitzuha­lten“. Das war von einigen als Billigung von Gewalt interpreti­ert worden.

Der Demokrat Biden hat die Präsidente­nwahl nach Berechnung­en von US-Medien klar gewonnen. Er kommt demnach auf mindestens 306 Stimmen von Wahlleuten, 270 sind für den Sieg nötig. Bei seinem Sieg 2016 konnte Trump ebenfalls genau 306 Wahlleute auf seine Seite ziehen und hatte dann von einem „Erdrutsch“-Sieg gesprochen. In den USA wird der Präsident nicht direkt gewählt, sondern von den Wahlleuten, die dem Wahlergebn­is in ihren Bundesstaa­ten folgen.

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FOTO: EVAN VUCCI/DPA In Washington gingen Trump-Unterstütz­er am Samstag auf die Straße. Über die genaue Anzahl der Demonstran­ten gibt es allerdings unterschie­dlichste Angaben.

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