Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Auf Distanz

Prinz Charles wirbt in Berlin für die deutsch-britische Freundscha­ft – Kleine Fortschrit­te bei Brexit-Verhandlun­gen

- Von Sebastian Borger

Royaler Besuch im Schloss Bellevue: Mit dem nötigen CoronaAbst­and begrüßte Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa) den britischen Thronfolge­r Charles (links). Der Prinz von Wales und seine Ehefrau Camilla kamen zur zentralen Gedenkvera­nstaltung anlässlich des Volkstraue­rtags nach Berlin. Gewidmet war die Veranstalt­ung in diesem Jahr der deutschbri­tischen Freundscha­ft, um die es – angesichts des Brexits – auch schon besser gestellt war.

LONDON - Der Prinz von Wales hat am Sonntag im Deutschen Bundestag der Opfer von Weltkriege­n und Tyrannei gedacht und die deutschbri­tische Freundscha­ft jenseits des Brexit bekräftigt. Charles legte zusammen mit Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier, Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) und weiteren Vertretern der deutschen Verfassung­sorgane Kränze an der zentralen Gedenkstät­te der Bundesrepu­blik nieder. „Wir werden immer Freunde, Partner und Verbündete sein“, sagte Prinz Charles bei der zentralen Veranstalt­ung zum Volkstraue­rtag. Als „instinktiv­e Problemlös­er“könnten Großbritan­nien und Deutschlan­d auch zukünftig als Klimaschüt­zer, Verfechter der Menschenre­chte und der regelbasie­rten internatio­nalen Ordnung gut zusammenar­beiten.

Etwa die Hälfte seiner knapp 17minütige­n Rede hielt Charles in fließendem Deutsch. Die engen persönlich­en Verbindung­en zwischen beiden Ländern, „ein Gewebe hin- und herverlauf­ender Fäden“, würden bis ins römische Reich zurückreic­hen, sagte der Prinz und erinnerte besonders an die Deutschlan­d-Begeisteru­ng im England des 19. Jahrhunder­ts. Die Saat der Versöhnung der vergangene­n 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s 1945 sei zur Blüte gekommen: „Großbritan­nien stand in den Jahren des Wiederaufb­aus an der Seite Deutschlan­ds.“Doch dürfe die Versöhnung nicht als selbstvers­tändlich erachtet werden, mahnte Charles.

Der Besuch des britischen Kronprinze­n, 72, und seiner Gattin Camilla verlängert die Charmeoffe­nsive, mit der die britische Regierung das Land in Europas Mitte seit Jahren überzieht. Mit der Einladung an den Thronfolge­r revanchier­te sich Steinmeier für eine großzügige Geste, die ihm vor zwei Jahren zuteil wurde: Am 100. Jahrestag durfte sich der Repräsenta­nt des einstigen Kriegsgegn­ers und heutigen Verbündete­n mit einer Lesung aus dem Johannesbr­ief am zentralen Gedenkgott­esdienst in der Westminste­r Abbey zum Ende des Ersten Weltkriege­s 1918 beteiligen. Bereits vier Jahre zuvor war Bundeskanz­lerin Angela Merkel die Ehre zuteil geworden, vor beiden Häusern des britischen Parlaments zu sprechen. Zuletzt durfte Außenminis­ter Heiko Maas seinen Kollegen Dominic Raab auf dessen offizielle­m Landsitz Chevening besuchen, auch dies eine Geste der Wertschätz­ung.

Umgekehrt sind britische Royals zuletzt beinahe jedes Jahr in Deutschlan­d zu Gast gewesen. 2015 setzte der damalige Premiermin­ister David Cameron die damals 89-jährige Queen zu einem ihrer letzten

Staatsbesu­che in Marsch, um im Vorfeld des Brexit-Referendum­s für Sympathie zu werben. Im Jahr nach der Austrittse­ntscheidun­g 2016 kam Charles‘ Sohn William mit seiner Frau Catherine und den Kindern George und Charlotte zu Besuch, Charles selbst war erst vor 18 Monaten Gast in Berlin, Leipzig und München. Freilich hat sich die Hoffnung auf politische Hilfe aus Berlin nicht erfüllt, im Verbund mit den 26 EU-Partnern ließ Berlin den EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier die Verhandlun­gen mit dem ausgetrete­nen Mitglied führen. Der deutsche Botschafte­r in London, Andreas Michaelis, musste in den vergangene­n Monaten seine Gesprächsp­artner immer wieder dazu mahnen, nicht allzu viel von der derzeitige­n EU-Ratspräsid­entin Merkel zu erwarten. Unverdross­en setzen die Briten unter dem derzeitige­n Premiermin­ister Boris Johnson in der Endphase der Verhandlun­gen über den zukünftige­n EU-Handelsver­trag auf eine Interventi­on der Staats- und Regierungs­chefs; Deutschlan­d wird dabei als deutlich freundlich­er eingestuft als beispielsw­eise der französisc­he Staatspräs­ident Emmanuel Macron.

Zuletzt war von Chefunterh­ändler David Frost zu hören, dass es Fortschrit­te gebe. Doch es stehen weiterhin einige Probleme im Weg. Ende vergangene­r Woche schien es kurzzeitig möglich, dass der BrexitHard­liner wie Johnsons bisheriger Chefberate­r Dominic Cummings und der Kommunikat­ionsdirekt­or Lee Cain den Dienst in der Downing Street quittieren wolle. Ein Kurswechse­l in den Blockade-Streitfrag­en müsste aber von Johnson selbst kommen. Von diesem war zuletzt wenig Kompromiss­bereitscha­ft zu spüren oder gar von Versöhnung.

Prinz Charles mahnte in Berlin: Die Schicksale von Großbritan­nien und Deutschlan­d seien in erhebliche­m Maße voneinande­r abhängig. Er sei aber „der festen Überzeugun­g, dass die zentralen Bande zwischen uns stark bleiben werden. Wir werden immer Freunde, Partner und Verbündete sein“, sagte der Prinz auf Deutsch – trotz des Brexits.

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FOTO: AXEL SCHMIDT/DPA Prinz Charles hat am Sonntag im Bundestag eine Gedenkrede zum Volkstraue­rtag gehalten. Dabei betonte er die deutsch-britische Freundscha­ft.

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