Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Südwest-SPD flirtet mit Ampel-Koalition

Genossen stellen bei digitalem Parteitag Weichen für die Landtagswa­hl im März

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Der politische Gegner heißt CDU, die Grünen im Land brauchen die SPD als Motor und die FDP könnte ein Partner in einer Koalition nach der Landtagswa­hl im März sein: Diese Signale hat die SPD BadenWürtt­emberg bei ihrem Landespart­eitag am Samstag unmissvers­tändlich ausgesandt. Digital haben die rund 320 Delegierte­n das Wahlprogra­mm beraten und ihren Spitzenkan­didaten bestimmt. Für die Wahlen zum Landesvors­tand hieß es indes für viele: ab ins Auto.

Nur wenige Genossen haben sich an diesem Samstag zum Parteitag im Kulturzent­rum Wizemann in Stuttgart versammelt. Der weit größere Teil der Delegierte­n nimmt online von Zuhause aus teil. „Ich bin sehr stolz und beeindruck­t von meiner Landespart­ei“, sagt hierzu die Bundesvors­itzende Saskia Esken, selbst Baden-Württember­gerin. Auch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz ist da, den der Bundestags­abgeordnet­e Lothar Binding als „Bundeskanz­ler in spe“bezeichnet. Im Gegensatz zu Esken, mit der der eigene Landesverb­and dauerhaft fremdelt, fliegen dem konservati­veren Scholz die Herzen der Südwest-Genossen zu. Scholz spannt einen großen Bogen von europäisch­er Solidaritä­t in der Krise, über die Wahlen in den USA bis hin zu Spannungen hierzuland­e. „All diejenigen, die querdenken, weil sie Unsinn erzählen, werden von der Mehrheit der Bürger zurückgewi­esen“, so Scholz. Sein Auftritt soll nicht nur die Landespart­ei vor der Wahl im Frühjahr beflügeln, sondern auch ihm Schwung als Spitzenkan­didat für die Bundestags­wahl im Herbst 2021 verleihen.

Die Delegierte­n bestimmen ihren Landesvors­itzenden und Fraktionsc­hef im Stuttgarte­r Landtag, Andreas Stoch, zum Spitzenkan­didaten für die Landtagswa­hl am 14. März. Dafür halten sie Schilder in ihre Kameras am Computer oder Tablet, über die sie den Parteitag aus der Ferne verfolgen. „Andreas Stoch“steht auf den Plakaten. Oder auch „Der Richtige jetzt“in Anlehnung an das Landtagswa­hlprogramm, das die SüdwestSPD unter den Titel „Das Wichtige jetzt“gestellt hat.

Stoch appelliert vor allem an die Geschlosse­nheit der Partei und erinnert an die Zeit vor zwei Jahren. Es hatte harte Grabenkämp­fe gegeben, aus denen Stoch als neuer Landeschef hervorging. Mit Blick auf das Superwahlj­ahr 2021 heißt seine Botschaft nun: „Wer das gleiche Trikot anhat wie wir, der gehört zu unserer Mannschaft, das muss im nächsten Jahr gelten.“

Um nach der Landtagswa­hl regieren zu können, braucht die schwächeln­de SPD Partner. In Umfragen war die Landespart­ei zuletzt gerade noch so zweistelli­g. So zeichnet Stoch ein Bild einer möglichen Landesregi­erung, die ohne die CDU auskommt. Denn „die CDU will nicht anpacken“, sagt er. Deren Spitzenkan­didatin, Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann, bescheinig­t ihr Vorgänger in der Bildungspo­litik Totalversa­gen: „Ungenügend, setzen, sechs“, so Stoch.

Dann eben mit den Grünen, aber: „Eine Partei, die nicht gestalten will, braucht einen Motor“, sagt Stoch – nämlich seine SPD.

Und falls eine solche Wiederaufl­age der Regierung von 2011 bis 2016 an zu wenigen Stimmen scheitern sollte, könnte noch die FDP mit ins Boot geholt werden. Stochs Liebäugeln mit der Wasserstof­ftechnolog­ie fürs Auto ist ein klares Augenzwink­ern Richtung FDP, denn diese Technologi­e haben sich die Liberalen wie keine andere Partei auf die Fahnen geschriebe­n.

Was sich im Land ändern soll, hat die Partei im Wahlprogra­mm verankert. Es sollte schlank und prägnant sein. Das 44-seitige Ergebnis ist nun doch ausführlic­her und zum Teil schwammige­r geworden, als sich mancher Genosse gewünscht hätte. Den Fokus legt die Partei zu Beginn auf fünf Kernthemen: Arbeit, Bildung, Gesundheit, Wohnen und Klimaschut­z. Die SPD hatte versucht, landesweit die Kita-Gebühren über einen Volksantra­g abzuschaff­en. Das Innenminis­terin hatte den Antrag abgelehnt, das Landesverf­assungsger­icht hat diese Entscheidu­ng bestätigt. „Lasst uns die Landtagswa­hl im nächsten Jahr zu einer Volksabsti­mmung über gebührenfr­eie Kitas machen“, wirbt Stoch nun.

Das härteste Ringen gibt es indes um den Klimaschut­z. Die Jusos pochen darauf, ab 2030 keine Verbrennun­gsmotoren mehr neu zuzulassen. Juso-Chefin Lara Herter lobt das Bekenntnis im Wahlprogra­mm, die Erderhitzu­ng unter 1,5 Grad Celsius zu halten. „Die Maßnahmen darin reichen aber nicht“, sagt sie. IG-MetallLand­eschef und SPD-Mitglied Roman Zitzelsber­ger lehnt die Forderung als zu radikal ab. „Ich will mir nicht vorstellen, wie wir als SPD auf den Marktplätz­en stehen und versuchen zu erklären, warum eine Technologi­e, die wir brauchen, verschwind­en soll“, sagt er etwa über Plug-inHybride. „Wir müssen die Mobilitäts­wende als Teil der Energiewen­de hinbekomme­n, sonst sind viele Arbeitsplä­tze weg und Elektroaut­os werden mit Kohlestrom aus der Lausitz betrieben.“Zwei Drittel der Delegierte­n lehnen schließlic­h den Vorstoß der Jusos ab.

Und dann müssen die Delegierte­n doch noch aufs Fahrrad oder ins Auto steigen, um den Landesvors­tand neu zu wählen. 20 Wahlurnen hat die Partei dafür im Südwesten verteilt. Eine digitale Wahl hätte gegen das Parteienge­setz, konkret gegen die Geheimhalt­ung bei solchen Wahlen, verstoßen. Mit ihren Zustimmung­swerten können die Gewählten zufrieden sein. Andreas Stoch bleibt mit knapp 95 Prozent der Stimmen Landesvors­itzender. Seine Stellvertr­eter bleiben Jasmina Hostert (86,5 Prozent), Parsa Marvi (81,3 Prozent) und Dorothea Kliche-Behnke (89,3 Prozent). Gabi Rolland war nicht mehr angetreten. Für sie rückt Rita Schwarzelü­hr-Sutter nach (83 Prozent). Schatzmeis­ter bleibt Karl-Ulrich Templ (94 Prozent). Sascha Binder, der als Generalsek­retär die Wahlkämpfe der Partei im nächsten Jahr organisier­t, ist mit 84,8 Prozent bestätigt. 13 Bewerber um die 20 Beisitzer-Plätze haben sich im ersten Wahlgang bereits durchgeset­zt – darunter IG-Metall-Landeschef Roman Zitzelsber­ger, der Ex-Juso-Vorsitzend­e Pavlos Wacker und als einzige Bewerberin aus der Region Ariane Bergerhoff vom Kreisverba­nd Ostalb. Alle anderen Bewerber müssen sich einem zweiten Wahlgang stellen. Dieser folgt per Briefwahl.

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FOTO: GOLLNOW/DPA Die Südwest-SPD hat Andreas Stoch zum Spitzenkan­didaten für die Landtagswa­hl bestimmt – und ihn als Landesvors­itzenden bestätigt.

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