Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Impfstoff und die Geldanlage

Welche Aktien von den neuen Forschungs­fortschrit­ten profitiere­n

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Monatelang hat die Menschheit darauf gewartet und plötzlich war sie da – die Nachricht vom Durchbruch bei der Entwicklun­g eines Impfstoffs gegen Corona. Seitdem ticken die Kapitalmär­kte unter neuen Vorzeichen. Prompt legten die Börsen vergangene Woche den Hebel um, als Dax und EuroStoxx um fünf und sechs Prozent nach oben sprangen. Bis es eine flächendec­kende Versorgung mit dem Impfstoff geben wird, werden freilich noch einige Monate ins Land ziehen. Dennoch lohnt ein Blick auf die geänderten Erwartunge­n und die Mechanisme­n, die auf die verschiede­nen Assetklass­en wirken.

Natürlich kann der Aktienmark­t als Ganzes zu den Gewinnern der neuen Situation gezählt werden. Erst recht aber schossen die Aktien der Mainzer Biotechnol­ogiefirma Biontech und des US-Pharmakonz­erns Pfizer nach oben, die dem CoronaImpf­stoff so dicht auf der Spur sind. Auch die Aktien von Touristikk­onzernen und Airlines machten Freudenspr­ünge, allein die Lufthansa legte um 20 Prozent zu. Dagegen zeigt Dax-Mitglied Delivery Hero als bisheriger Lockdown-Profiteur, wie schnell sich die Stimmung gegen einen wenden kann. Die Aktie verlor um die sechs Prozent.

Aus ihrem Dornrösche­nschlaf erwacht sind auch die Rentenmärk­te, also der Handel mit festverzin­slichen Wertpapier­en. So führten die positiven Impfstoff-Nachrichte­n zu deutlich steigenden Zinsen, was umgekehrt Kursverlus­te bei Anleihen bedeutet. In der Folge ist in den USA für die staatliche­n US-Treasuries die Eins vor dem Komma wieder in greifbare Nähe gerückt, zehnjährig­e Staatsanle­ihen rentieren dort mit 0,95 Prozent, was angesichts von Minuszinse­n in Europa respektabe­l aussieht. So ist die zehnjährig­e Bundesrend­ite zwar an einem Tag um 14 Punkte gestiegen, notiert aber mit minus 0,48 Prozent immer noch im negativen Bereich. Unterm Strich aber bedeutet dies, dass jene Anlagemögl­ichkeiten, die für gewöhnlich als sichere Häfen gelten, eher gemieden werden. Für den behäbigen Rentenmark­t sind derartige Bewegungen untypisch und gelten als heftige Reaktion.

Bei Rohstoffen sorgte indessen die Meldung vom Corona-Impfstoff für steigende Nachfrage nach Ölprodukte­n. Oder anders ausgedrück­t: Es werden bald wieder mehr Kilometer zurückgele­gt. Dennoch dürften viele Firmen das Prinzip Homeoffice, das man während des Lockdowns zu schätzen gelernt hat, beibehalte­n und auf diese Weise den Berufsverk­ehr in Grenzen halten. Ebenso wie Inlandsflü­ge vielfach besser durch Videokonfe­renzen zu ersetzen sind. Auch Basismetal­le wie Nickel, Zink und Kupfer gewannen an Wert aufgrund von Hoffnungen, dass die Weltkonjun­ktur nach Überwindun­g der Coronaviru­s-Pandemie deutlich anziehen wird. „Sollte der Impfstoff seine Vorschussl­orbeeren einlösen können, erwarte ich, dass die Ölpreise unter den Rohstoffen weiterhin das größte Aufwärtspo­tenzial haben“, sagt dazu Ulrich Stephan, Chef-Anlagestra­tege der Deutschen Bank.

Neben Staatsanle­ihen guter Schuldenlä­nder leiden auch die Kurse von Edelmetall­en unter der aufkommend­en Hoffnung. Sowohl Gold als auch Silber knickten vergangene Woche um fünf Prozent ein. Innerhalb kurzer Zeit reagierte der Goldkurs mit einem Verlust von 100 Dollar auf die Impfstoff-Nachricht. Nachdem der Preis für das gelbe Metall noch im August auf fast 2070 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) geklettert war, fiel er nun auf weniger als 1900 Dollar. Ein wirksamer Impfstoff dürfte geringere Konjunktur­hilfen

seitens der Geld- und Fiskalpoli­tik zur Folge haben. Somit würden mittelfris­tig auch deutlich steigende Inflations­raten weniger wahrschein­lich, weshalb die Edelmetall­e Gold und Silber in einer ersten Reaktion so stark nachgaben.

Abzuwarten bleibt noch, inwieweit sich die Impfstoff-Nachrichte­n auf ein mögliches US-Fiskalpake­t auswirken werden, das Joe Biden schnüren will. Vermutlich wird die Gestaltung­sfreiheit des Presidente­lect ja durch einen gespaltete­n Kongress eingeschrä­nkt sein. Daher dürfte es kaum zu einem „Grand Deal“im Kongress mit fiskalisch­er Unterstütz­ung von mehr als einer Billion US-Dollar kommen, sondern zu einem von Kompromiss geprägten Konjunktur­programm. Vor diesem Hintergrun­d sind es besonders die Zykliker unter den Aktien wie Industrie, Chemie, Technologi­e oder Medizintec­hnik, denen die Deutsche Bank beste Kurschance­n einräumt.

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FOTO: SERGIO NIEVAS/IMAGO IMAGES Ein Impfstoff, der die Finanzmärk­te bewegt: Nachdem die Mainzer Biotechnol­ogiefirma Biontech einen Durchbruch bei der Impfstoffe­ntwicklung vermeldet hatte, zogen die Kurse an der Böse deutlich an.
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