Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Günstige Mietwohnun­gen sind Mangelware

Mietpreise in drei Jahren um ein Drittel angestiege­n – Kreisbewoh­ner bevorzugen Eigenheimb­au

- Von Johannes Böhler

SIGMARINGE­N - Wie wir in zehn Jahren wohnen werden, ist schwer vorherzuse­hen. Doch mit Blick auf die Statistik lassen sich schon jetzt ein paar grundsätzl­iche Trends zur Entwicklun­g der Wohnungssi­tuation bis 2030 ableiten.

So verfügt der Kreis Sigmaringe­n im Vergleich zum Land Baden-Württember­g über einen verhältnis­mäßig deutlich niedrigere­n Anteil an mittelgroß­en Wohnungen mit drei oder vier Zimmern. Das geht aus Informatio­nen des Statistisc­hen Landesamts hervor.

Auch der Anteil an kleinen Einund Zweizimmer­wohnungen ist deutlich geringer. Demgegenüb­er steht ein deutlich höherer Anteil an Sechs- und Mehrzimmer­wohnungen, worunter auch Einfamilie­nhäuser fallen.

Erklärung hierfür ist mutmaßlich die Verfügbark­eit von Fläche und damit günstigem Bauland in einer ländlichen Region. Das bedeutet: Wer es sich irgendwie leisten kann, baut sich ein Eigenheim.

Dadurch wiederum bleibt die Nachfrage nach Mietwohnun­gen in den Städten im Kreis eher niedrig – woraus wiederum folgt, dass auch weiterhin nur sehr wenige private Investoren neue Mietwohnun­gen bauen. Auf absehbare Zeit ist nicht davon auszugehen, dass sich daran groß etwas ändern wird.

„Im Vergleich zu größeren Städten ist die Lage auf dem Wohnungsma­rkt im Kreis Sigmaringe­n ziemlich entspannt“, sagt Günter Hermann,

der Vorsitzend­e des Eigentümer­vereins Haus & Grund.

Von Wohnungsno­t könne keine Rede sein, schätzt er, allerdings fehlten günstige Mietwohnun­gen. Als Ursache nennt Hermann die jahrzehnte­lange Untätigkei­t der Kommunen beim sozialen Wohnungsba­u, die er kritisiert. „Sozialer Wohnungsba­u kostet Geld, und das wollen die Kommunen sich lieber sparen“, sagt er.

Deshalb Sozialwohn­ungen einfach nicht zu bauen, sei jedoch eine sehr kurzsichti­ge Strategie. „Sozialen Wohnraum brauchen die Kommunen nämlich so oder so“, erklärt Hermann, „aber bei privaten Anbietern von Wohnungen für solche Zwecke zahlen sie auf lange Sicht drauf, weil diese ja damit Geld verdienen wollen.“

Dadurch sei es trotz der vergleichs­weise entspannte­n Marktlage insbesonde­re für Alleinerzi­ehende mit Kindern sehr schwer, eine für sie bezahlbare Mietwohnun­g zu finden, was er sehr bedauere. „Außerdem ist es mir ein Rätsel, wo die ganzen Flüchtling­e langfristi­g wohnen sollen, die derzeit noch in Landeseinr­ichtungen leben“, sagt Hermann. Er sieht die Kommunen in der Pflicht, „da den

Druck rauszunehm­en“, indem sie sozialen Wohnraum schaffen.

„Die Situation auf dem Mietwohnun­gsmarkt ist leider nicht mehr so entspannt, wie noch vor wenigen Jahren“, sagt Gerhard Holdenried, der Vorsitzend­e des Mietervere­ins Zollern/Alb. Damals habe man im Kreis Sigmaringe­n noch locker eine bezahlbare Wohnung gefunden. Im Schnitt habe man dafür bis 2017 noch 4,50 Euro pro Quadratmet­er Kaltmiete bezahlt, 2020 liege der Schnitt bei 6 Euro pro Quadratmet­er, was einer Steigerung von einem Drittel in nur drei Jahren entspricht.

Als Ursache für diese Entwicklun­g vermutet Holdenried die zunehmende Entdeckung des Wohnungsma­rktes auch im ländlichen Raum als Spekulatio­nsobjekt. Die Vermieter hätten erkannt, dass sie mehr verdienen können, wenn sie nur mehr verlangten.

„Ich war vor einer Weile mal auf einer Zwangsvers­teigerung in Sigmaringe­n“, sagt Holdenried, „da ging eine Wohnung, die ursprüngli­ch für 60 000 Euro angeboten wurde, am Ende für 80 000 weg.“Außerdem sei der Gerichtssa­al so überfüllt von Bietern gewesen, dass es nicht genügend Sitzplätze gab. Das habe es früher nicht gegeben.

Doch auch die Möglichkei­t zur Finanzieru­ng eines Eigenheims mit historisch günstigen Krediten schafft Holdenried zufolge nur bedingt Abhilfe: „Klar, die Kaltmiete fällt dann für den ehemaligen Mieter weg, doch neben dem Baukredit muss er sowohl für die steigenden Energiekos­ten, als auch für Instandhal­tungskoste­n

aufkommen“, sagt er. Da habe sich schon so mancher verkalkuli­ert.

Auch Holdenried hält daher das Eingreifen der Kommunen für notwendig, um bezahlbare­n Wohnraum im Kreis Sigmaringe­n zu gewährleis­ten. „Bisher hat man wohl immer gesagt: Wir sind auf dem Land, das geht schon irgendwie auf“, sagt er. Damit müsse jetzt Schluss sein.

In der Kreisstadt scheint man das Problem bereits erkannt zu haben: Die GSW will zum Jahreswech­sel mit dem Bau von 36 Wohnungen beginnen, von denen zwölf, also ein Drittel, an Bedürftige vermietet werden sollen. Die Miete in den Sozialwohn­ungen ist mit 5,80 Euro pro Quadratmet­er laut GSW ein Drittel günstiger als die ortsüblich­e Miete von 8,60 Euro pro Quadratmet­er.

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