Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Günstige Mietwohnungen sind Mangelware
Mietpreise in drei Jahren um ein Drittel angestiegen – Kreisbewohner bevorzugen Eigenheimbau
SIGMARINGEN - Wie wir in zehn Jahren wohnen werden, ist schwer vorherzusehen. Doch mit Blick auf die Statistik lassen sich schon jetzt ein paar grundsätzliche Trends zur Entwicklung der Wohnungssituation bis 2030 ableiten.
So verfügt der Kreis Sigmaringen im Vergleich zum Land Baden-Württemberg über einen verhältnismäßig deutlich niedrigeren Anteil an mittelgroßen Wohnungen mit drei oder vier Zimmern. Das geht aus Informationen des Statistischen Landesamts hervor.
Auch der Anteil an kleinen Einund Zweizimmerwohnungen ist deutlich geringer. Demgegenüber steht ein deutlich höherer Anteil an Sechs- und Mehrzimmerwohnungen, worunter auch Einfamilienhäuser fallen.
Erklärung hierfür ist mutmaßlich die Verfügbarkeit von Fläche und damit günstigem Bauland in einer ländlichen Region. Das bedeutet: Wer es sich irgendwie leisten kann, baut sich ein Eigenheim.
Dadurch wiederum bleibt die Nachfrage nach Mietwohnungen in den Städten im Kreis eher niedrig – woraus wiederum folgt, dass auch weiterhin nur sehr wenige private Investoren neue Mietwohnungen bauen. Auf absehbare Zeit ist nicht davon auszugehen, dass sich daran groß etwas ändern wird.
„Im Vergleich zu größeren Städten ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt im Kreis Sigmaringen ziemlich entspannt“, sagt Günter Hermann,
der Vorsitzende des Eigentümervereins Haus & Grund.
Von Wohnungsnot könne keine Rede sein, schätzt er, allerdings fehlten günstige Mietwohnungen. Als Ursache nennt Hermann die jahrzehntelange Untätigkeit der Kommunen beim sozialen Wohnungsbau, die er kritisiert. „Sozialer Wohnungsbau kostet Geld, und das wollen die Kommunen sich lieber sparen“, sagt er.
Deshalb Sozialwohnungen einfach nicht zu bauen, sei jedoch eine sehr kurzsichtige Strategie. „Sozialen Wohnraum brauchen die Kommunen nämlich so oder so“, erklärt Hermann, „aber bei privaten Anbietern von Wohnungen für solche Zwecke zahlen sie auf lange Sicht drauf, weil diese ja damit Geld verdienen wollen.“
Dadurch sei es trotz der vergleichsweise entspannten Marktlage insbesondere für Alleinerziehende mit Kindern sehr schwer, eine für sie bezahlbare Mietwohnung zu finden, was er sehr bedauere. „Außerdem ist es mir ein Rätsel, wo die ganzen Flüchtlinge langfristig wohnen sollen, die derzeit noch in Landeseinrichtungen leben“, sagt Hermann. Er sieht die Kommunen in der Pflicht, „da den
Druck rauszunehmen“, indem sie sozialen Wohnraum schaffen.
„Die Situation auf dem Mietwohnungsmarkt ist leider nicht mehr so entspannt, wie noch vor wenigen Jahren“, sagt Gerhard Holdenried, der Vorsitzende des Mietervereins Zollern/Alb. Damals habe man im Kreis Sigmaringen noch locker eine bezahlbare Wohnung gefunden. Im Schnitt habe man dafür bis 2017 noch 4,50 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete bezahlt, 2020 liege der Schnitt bei 6 Euro pro Quadratmeter, was einer Steigerung von einem Drittel in nur drei Jahren entspricht.
Als Ursache für diese Entwicklung vermutet Holdenried die zunehmende Entdeckung des Wohnungsmarktes auch im ländlichen Raum als Spekulationsobjekt. Die Vermieter hätten erkannt, dass sie mehr verdienen können, wenn sie nur mehr verlangten.
„Ich war vor einer Weile mal auf einer Zwangsversteigerung in Sigmaringen“, sagt Holdenried, „da ging eine Wohnung, die ursprünglich für 60 000 Euro angeboten wurde, am Ende für 80 000 weg.“Außerdem sei der Gerichtssaal so überfüllt von Bietern gewesen, dass es nicht genügend Sitzplätze gab. Das habe es früher nicht gegeben.
Doch auch die Möglichkeit zur Finanzierung eines Eigenheims mit historisch günstigen Krediten schafft Holdenried zufolge nur bedingt Abhilfe: „Klar, die Kaltmiete fällt dann für den ehemaligen Mieter weg, doch neben dem Baukredit muss er sowohl für die steigenden Energiekosten, als auch für Instandhaltungskosten
aufkommen“, sagt er. Da habe sich schon so mancher verkalkuliert.
Auch Holdenried hält daher das Eingreifen der Kommunen für notwendig, um bezahlbaren Wohnraum im Kreis Sigmaringen zu gewährleisten. „Bisher hat man wohl immer gesagt: Wir sind auf dem Land, das geht schon irgendwie auf“, sagt er. Damit müsse jetzt Schluss sein.
In der Kreisstadt scheint man das Problem bereits erkannt zu haben: Die GSW will zum Jahreswechsel mit dem Bau von 36 Wohnungen beginnen, von denen zwölf, also ein Drittel, an Bedürftige vermietet werden sollen. Die Miete in den Sozialwohnungen ist mit 5,80 Euro pro Quadratmeter laut GSW ein Drittel günstiger als die ortsübliche Miete von 8,60 Euro pro Quadratmeter.