Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„In einem kleinen Dorf sollte man auch ein Teil dieses Dorfs sein“
Sozialarbeiterin Iva Beck erzählt von ihrem Arbeitsalltag an der Grundschule Inzigkofen
VILSINGEN - An der Grundschule der Gemeinde Inzigkofen hat am 1. September die 40-jährige Schulsozialarbeiterin Iva Beck angefangen, die Schüler der Klassen eins bis vier sozialpädagogisch zu betreuen. Im Gespräch mit SZ-Redakteurin Mandy Streich erzählt sie von ihrer Arbeit an der Grundschule. Udo Bartsch, Referatsleitung und Ausbildungsbeauftragter des Haus Nazareth in Sigmaringen erklärt außerdem, warum es notwendig ist, dass es bereits an Grundschulen Schulsozialarbeit gibt.
Wie sind Sie zu Ihrem Job als Schulsozialarbeiterin gekommen?
Beck: Ich habe Erzieherin gelernt und mich anschließend zur Sozialtrainerin weitergebildet. Daraufhin habe ich Erziehungs- und Entwicklungsberatung mit dem Hauptfach Entwicklungspsychologie studiert. 1999 habe ich in der Jugendhilfe im Haus Nazareth angefangen. Auch heute bin ich noch beim Haus Nazareth angestellt, das die Gemeinde bei der Schulsozialarbeit versorgt.
Warum wollten Sie nach Inzigkofen?
Beck: Ich wohne in Sigmaringen und war zuvor an der Grundschule in Aulendorf als Schulsozialarbeiterin tätig. Für mich ist es jetzt an der Inzigkofer Grundschule perfekt – alle sind offen für Neues und ich habe auch das Gefühl, dass es den Schülern gefällt. Es ist einfach klassische Schulsozialarbeit, die ich hier machen darf. Wir fangen die Erstklässler nach dem Kindergarten auf und sorgen auch für den optimalen Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule. Das Zusammenspiel zwischen Lehren und Sozialarbeit passt perfekt.
Oft ist es ja schwierig, in einer so kleinen Gemeinde direkt Anschluss zu finden. Es gibt hier gerade einmal 100 Grundschüler. Hatten Sie dabei bisher Schwierigkeiten?
Beck: In einem so kleinen Dorf sollte man auch ein Teil dieses Dorfs sein. Ich kann nicht kommen und sagen, dass ich nur Schulsozialarbeit mache – ich bewege mich ein wenig im Ort und muss auch Bescheid wissen, was es in der Gemeinde und den Vereinen für Angebote gibt.
Was ist Ihr Aufgabenbereich?
Beck: Ich begleite die Lehrer in den Klassen, teilweise machen wir soziale Trainings. Beispielsweise schauen wir Bücher über das „Anderssein“und über Vorurteile an. Die Kinder sehen dann, dass sie manchmal nur falsch von jemandem denken und derjenige aber ein guter Freund werden kann. In Klasse 3 haben wir jetzt mit einem Projekt von gewaltfreier Kommunikation begonnen. In Klasse 1 sind wir darum bemüht, dass die Kinder sich trotz der unnatürlichen Situation an der Schule zurecht finden und einleben. Kinder sollen Sicherheit und Vertrauen in das System Schule gewinnen. Ich versuche einfach zuzuhören und wenn zwei Schüler seit einer Woche streiten, dann versuche ich auch zu vermitteln. Es ist mir wichtig, ein gutes Arbeitsklima zu schaffen, sodass jeder das Recht hat, gut lernen zu können.
Was macht Ihnen am meisten Spaß?
Beck: Also am meisten mag ich die Arbeit direkt mit den Kindern. Aber auch die Gespräche mit den Eltern machen mir meist Spaß. Ich habe selbst vier Söhne und kann deshalb gut nachempfinden, wenn Eltern ihre
Sorgen an mich herantragen.
Wir suchen dann gemeinsam nach konstruktiven Lösungen oder erlangen einen Blickwechsel, welcher immer pro Familiensystem ist.
Wie sind Ihre Arbeitszeiten?
Meine Stelle ist auf 50 Prozent begrenzt und auf drei Jahre ausgelegt. Ich bin normalerweise von 8 bis 13 Uhr an der Grundschule in Vilsingen tätig, dort habe ich auch ein Büro. Grundsätzlich bin ich aber für die Schüler in Inzigkofen und Vilsingen zuständig. Ich arbeite dabei extrem bedarfsorientiert.
Was sind die Schwierigkeiten durch Corona?
Wir haben im Moment keine Routine. Wir bereiten uns auch darauf vor, was wäre, wenn wir noch einmal schließen müssten. Da haben wir uns Gedanken gemacht, wo wir die Familien unterstützen könnten. Leider merkt man die Corona-Zeit den Kindern an, es fehlt einfach ein halbes Jahr Unterrichtsstoff.
Wie reagieren Sie, wenn Eltern kritisch sind gegenüber Schulsozialarbeitern?
Viele Eltern fürchten sich anfangs, wenn das Wort Schulsozialarbeit fällt. Die Angst ist einfach, dass die Schule oder die Schüler dann schlimmer sind als in einer anderen Schule. Dabei wollen die Kinder oft nur mit mir reden und mir erzählen, was sie am Wochenende gemacht haben. Nachdem ich immer wieder Kontakt zu den Eltern aufgenommen habe, sind sie inzwischen auch beruhigt und vertrauen auf meine Arbeit.
„Die Kinder wollen oft nur mit mir reden“, sagt Iva Beck über ihre Arbeit.
Warum sind Schulsozialarbeiter an einer Grundschule wichtig?
Bartsch: Diese heile Welt gibt es einfach nicht mehr. Auch auf dem Land gibt es Defizite im Sozialverhalten. Hier ist es eine innovative Schule, die das schon früh erkannt hat. Die Schule ist an die Gemeinde herangetreten und diese dann auf uns zugekommen. Es gibt das afrikanische Sprichwort ,Um ein Kind zu erziehen, braucht es das ganze Dorf’ – und das stimmt. Es sind viele Dinge anders als früher. Und deshalb muss auch die Erziehung von Kindern und Familien breiter aufgestellt sein und dazu gehört als wichtiger Beitrag die Schulsozialarbeit.