Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Flohmärkte trotzen Corona

Warum diese Veranstalt­ungen in Sigmaringe­n stattfinde­n dürfen.

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Woche für Woche gibt es in Sigmaringe­n Flohmärkte. Entweder beim Nollhof oder auf dem Parkplatz vor der Autovermie­tung Buchbinder. Die Veranstalt­er nutzen in der Corona-Verordnung eine Grauzone aus und freuen sich.

Vergangene­n Samstag um die Mittagszei­t: Flohmarkt-Betreiberi­n Rosa Gerding strahlt mit der NovemberSo­nne um die Wette. „Mich freut es, dass wir Aussteller noch was vom Leben haben“, sagt sie, „viele von uns sind allein und der Flohmarkt ist für uns wie eine Familie“. Und diese Familie trifft sich auch in Corona-Zeiten, als ob es die Corona-Beschränku­ngen nie gegeben hätte.

Natürlich müssen die Veranstalt­er ein Hygienekon­zept vorlegen. Das sieht vor: Das Marktgelän­de ist ringsum abgesperrt, es gibt nur einen Eingang. Alle Besucher müssen ihre Kontaktdat­en hinterlass­en und während des gesamten Marktes einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Zugelassen sind gleichzeit­ig maximal 100 Besucher. Die Veranstalt­er kontrollie­ren dies mit Bändchen, die sie den Besuchern mitgeben und wieder einsammeln, wenn die Besucher das Gelände verlassen. Ist das Körbchen leer, ist die maximale Besucheran­zahl erreicht. Soweit so einfach.

Doris Schmid aus Riedlingen verkauft Dinge für Nostalgike­r: Schallplat­ten, CDs und Videokasse­tten hat sie säuberlich in ihrer Kiste sortiert. Dazu gibt es selbstgest­rickte Socken. „Willst du Füße warm und trocken, dann kauf handgestri­ckte Socken“, steht einem selbst entworfene­n Werbeschil­d. Die Händlerin macht gute Erfahrunge­n mit dem Corona-Flohmarkt. „Die Besucher halten den Abstand ein. Wenn jemand am Stand ist, kommen viele sogar erst näher, wenn der Vorgänger wieder weg ist.“

Was sagt die Stadtverwa­ltung zu den Märkten? Um sich ein Bild zu machen, hat Bürgermeis­ter Marcus Ehm selbst einen Markt besucht. Die rechtliche Situation schätzt der Jurist so ein: „Die Corona-Verordnung ist in Bezug auf Flohmärkte (Privatmark­t ohne gewerberec­htliche Privilegie­rung) nicht eindeutig“, schreibt er in einer schriftlic­hen Stellungna­hme. Das heiße: Die Verordnung verbiete diese Märkte nicht ausdrückli­ch. Da der eindeutige Wortlaut der Verordnung nicht weiterhelf­e, sei eine Auslegung erforderli­ch. „Bei dieser Auslegung spielt aktuell auch die derzeitige Witterung eine Rolle, ferner, dass es sich um Veranstalt­ungen unter freiem Himmel handelt, wo sich die Leute gut aus dem Weg gehen können“, schreibt Ehm weiter.

Heißt also: Die Veranstalt­er der Flohmärkte nutzen den Spielraum, den ihnen die Corona-Verordnung gibt. Etwa 1000 Besucher werden pro Samstag gezählt. Rosa und ihr Mann Manfred Gerding wechseln sich mit Flohmärkte­n in Sigmaringe­n und Bad Saulgau ab. Besucher, die sich weigerten, ihre Kontaktdat­en niederzusc­hreiben, gebe es, aber dies sei nur die Ausnahme.

Ausgeschlo­ssen sind nur sonstige Veranstalt­ungen, die der Unterhaltu­ng dienen (§ 1a Abs. 3 Satz 1 Corona-Verordnung), so die Stadtverwa­ltung. „Da Flohmärkte vom Ansatz her auch dem Einkaufen und der Versorgung und nicht ausschließ­lich der Unterhaltu­ng dienen, sind wir der Auffassung, dass Flohmärkte in überschaub­arer Größe als Veranstalt­ungen zu werten sind, die gemäß und unter den Vorgaben des §10 der Corona-Verordnung möglich sind“, schreibt Ehm weiter. Kontrollie­rt das Ordnungsam­t, ob die Regeln eingehalte­n werden? Bürgermeis­ter Ehm:

„Sollte ein konkreter Verdacht vorliegen, dass die Vorgaben nicht eingehalte­n werden, gehen wir diesem selbstvers­tändlich nach.“

Im Dezember, so kündigt Rosa Gerding an, wird es voraussich­tlich keine Flohmärkte mehr geben. Erfahrungs­gemäß werde es zu kalt, doch ein Hintertürc­hen lässt sich die Veranstalt­erin offen. Sollte es die aktualisie­rte Corona-Verordnung zulassen und das Wetter mitspielen, kann es sein, dass sie ihre Meinung ändert. Die Weihnachts­märkte werden ihr jedenfalls keine Konkurrenz machen.

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FOTO: FXH
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FOTOS: MICHAEL HESCHELER Flohmärkte sind erlaubt, allerdings muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden.
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Rosa Gerding organisier­t den Markt.
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Alle Besucher müssen ihre Kontaktdat­en hinterlass­en.

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