Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Flohmärkte trotzen Corona
Warum diese Veranstaltungen in Sigmaringen stattfinden dürfen.
SIGMARINGEN - Woche für Woche gibt es in Sigmaringen Flohmärkte. Entweder beim Nollhof oder auf dem Parkplatz vor der Autovermietung Buchbinder. Die Veranstalter nutzen in der Corona-Verordnung eine Grauzone aus und freuen sich.
Vergangenen Samstag um die Mittagszeit: Flohmarkt-Betreiberin Rosa Gerding strahlt mit der NovemberSonne um die Wette. „Mich freut es, dass wir Aussteller noch was vom Leben haben“, sagt sie, „viele von uns sind allein und der Flohmarkt ist für uns wie eine Familie“. Und diese Familie trifft sich auch in Corona-Zeiten, als ob es die Corona-Beschränkungen nie gegeben hätte.
Natürlich müssen die Veranstalter ein Hygienekonzept vorlegen. Das sieht vor: Das Marktgelände ist ringsum abgesperrt, es gibt nur einen Eingang. Alle Besucher müssen ihre Kontaktdaten hinterlassen und während des gesamten Marktes einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Zugelassen sind gleichzeitig maximal 100 Besucher. Die Veranstalter kontrollieren dies mit Bändchen, die sie den Besuchern mitgeben und wieder einsammeln, wenn die Besucher das Gelände verlassen. Ist das Körbchen leer, ist die maximale Besucheranzahl erreicht. Soweit so einfach.
Doris Schmid aus Riedlingen verkauft Dinge für Nostalgiker: Schallplatten, CDs und Videokassetten hat sie säuberlich in ihrer Kiste sortiert. Dazu gibt es selbstgestrickte Socken. „Willst du Füße warm und trocken, dann kauf handgestrickte Socken“, steht einem selbst entworfenen Werbeschild. Die Händlerin macht gute Erfahrungen mit dem Corona-Flohmarkt. „Die Besucher halten den Abstand ein. Wenn jemand am Stand ist, kommen viele sogar erst näher, wenn der Vorgänger wieder weg ist.“
Was sagt die Stadtverwaltung zu den Märkten? Um sich ein Bild zu machen, hat Bürgermeister Marcus Ehm selbst einen Markt besucht. Die rechtliche Situation schätzt der Jurist so ein: „Die Corona-Verordnung ist in Bezug auf Flohmärkte (Privatmarkt ohne gewerberechtliche Privilegierung) nicht eindeutig“, schreibt er in einer schriftlichen Stellungnahme. Das heiße: Die Verordnung verbiete diese Märkte nicht ausdrücklich. Da der eindeutige Wortlaut der Verordnung nicht weiterhelfe, sei eine Auslegung erforderlich. „Bei dieser Auslegung spielt aktuell auch die derzeitige Witterung eine Rolle, ferner, dass es sich um Veranstaltungen unter freiem Himmel handelt, wo sich die Leute gut aus dem Weg gehen können“, schreibt Ehm weiter.
Heißt also: Die Veranstalter der Flohmärkte nutzen den Spielraum, den ihnen die Corona-Verordnung gibt. Etwa 1000 Besucher werden pro Samstag gezählt. Rosa und ihr Mann Manfred Gerding wechseln sich mit Flohmärkten in Sigmaringen und Bad Saulgau ab. Besucher, die sich weigerten, ihre Kontaktdaten niederzuschreiben, gebe es, aber dies sei nur die Ausnahme.
Ausgeschlossen sind nur sonstige Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen (§ 1a Abs. 3 Satz 1 Corona-Verordnung), so die Stadtverwaltung. „Da Flohmärkte vom Ansatz her auch dem Einkaufen und der Versorgung und nicht ausschließlich der Unterhaltung dienen, sind wir der Auffassung, dass Flohmärkte in überschaubarer Größe als Veranstaltungen zu werten sind, die gemäß und unter den Vorgaben des §10 der Corona-Verordnung möglich sind“, schreibt Ehm weiter. Kontrolliert das Ordnungsamt, ob die Regeln eingehalten werden? Bürgermeister Ehm:
„Sollte ein konkreter Verdacht vorliegen, dass die Vorgaben nicht eingehalten werden, gehen wir diesem selbstverständlich nach.“
Im Dezember, so kündigt Rosa Gerding an, wird es voraussichtlich keine Flohmärkte mehr geben. Erfahrungsgemäß werde es zu kalt, doch ein Hintertürchen lässt sich die Veranstalterin offen. Sollte es die aktualisierte Corona-Verordnung zulassen und das Wetter mitspielen, kann es sein, dass sie ihre Meinung ändert. Die Weihnachtsmärkte werden ihr jedenfalls keine Konkurrenz machen.