Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ratsbeschluss stiftet Verwirrung
Gut gemeint, schlecht gemacht: ein Antrag mit Folgen in Gammertingen.
GAMMERTINGEN - Verwirrung nach der Abstimmung, ein nur teilweise erfolgreicher Antrag und ein Machtwort des Bürgermeisters am Tag darauf: Alles andere als rund gelaufen ist der Beschluss des Gammertinger Gemeinderats am Dienstagabend über die neuen Kindergartengebühren, die ab dem kommenden Jahr gelten. Auf deutliche Erhöhungen müssen sich vor allem Eltern von nur einem Kind einstellen. In vielen Fällen werden diese aber geringer ausfallen als von der Stadt geplant.
Auslöser der Diskussion waren eine geänderte Berechnungsgrundlage für die Gebühren und eine damit verbundene Erhöhung der Elternbeiträge (siehe Artikel unten). Familien mit mehreren Kindern sollen dabei grundsätzlich entlastet werden – was bei allen Gemeinderäten auf Zustimmung stieß. Franz Hanner (CDU) kritisierte aber die enorme Belastung von Familien mit nur einem Kind. Für sie wären die Gebühren in vielen Fällen um mehr als 30 Prozent gestiegen. „Diese Kostensteigerung wollen wir dämpfen“, sagte Hanner.
Jörg Scham (Grüne/SPD/Unabhängige Bürger) stellte einen gemeinsam mit den CDU-Gemeinderäten formulierten Antrag vor. Die Erhöhung solle bei Familien mit einem Kind auf maximal 20 Prozent begrenzt werden, sagte er. Anschließend nannte er dafür drei konkrete Beispiele: die Regelbetreuung eines Kindes über drei Jahren, die Regelbetreuung von zwei Kindern über drei Jahren sowie die Halbtagsbetreuung von Kleinkindern. Zudem forderte Scham, die Gebühren ein Jahr lang unangetastet zu lassen, um den Familien Planungssicherheit zu geben.
Wolfgang Lieb (Gleiches Recht für alle) wollte so weit nicht gehen und regte an, die Gebühren in einem halben Jahr erneut auf den Prüfstand zu stellen. Ansonsten könne er sich dem Antrag jedoch anschließen.
Bei den fünf Gegenstimmen von „Gleiches Recht für alle“– zu denen eher versehentlich dann doch auch Lieb selbst zählte – setzten sich CDU und Grüne/SPD/Unabhängige Bürger mit ihrem Antrag durch. Offenbar im Glauben, die Begrenzung gelte für alle Erhöhungen bei Familien mit einem Kind. Das sei ja auch das Ziel gewesen, versicherte Franz Hanner im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“nach der Sitzung.
Das Gleiche versuchte Jörg Scham im Gespräch mit Kämmerer Siegfried Hagg und Hauptamtsleiter Martin Fiedler deutlich zu machen. Die Verwaltungsmitarbeiter hatten den Antrag aber ebenso anders verstanden wie Bürgermeister Holger Jerg. „Aus unserer Sicht ging es um eine Deckelung bei den drei genannten Betreuungsformen“, sagte Jerg der SZ am Mittwoch. Eine Ausweitung auf andere Betreuungsangebote hätten die Antragsteller nicht deutlich gemacht. Auch Wolfgang Lieb ging es so. „Aus meiner Sicht haben wir über die konkreten Fälle abgestimmt“, sagte er. „Damit, den Beschluss im Nachhinein auszuweiten, hätte ich ein Problem.“
Der Bürgermeister sieht dafür auch keinen Anlass. Schließlich habe er sich mehrfach und detailliert nach den Änderungswünschen der Antragsteller erkundigt, sagte Jerg. Darüber hinaus verwies er auf die Gemeindeordnung, die eine erneute Debatte mit Beschlussfassung auch nicht ohne Weiteres zulasse.
Bei der Betreuung mit verlängerten Öffnungszeiten greift damit die ungebremste Gebührenerhöhung. Für ein Kind in der Regelgruppe werden 138 statt 106 Euro fällig. Auch die Beiträge für die Ganztagsbetreuung steigen: von 204 auf 238 Euro. Noch gravierender sind die Sprünge in der Kleinkindbetreuung, vor allem im Ganztag – zumindest in der Theorie. Denn wirklich gebucht wird dieses Angebot bislang kaum, wie Martin Fiedler versichert.
Insofern sind die Antragsteller mit einem blauen Auge davongekommen. „Dass wir für Verwirrung gesorgt haben, tut mir leid“, sagt Jörg Scham. In der Sache aber freue er sich zumindest über einen Teilerfolg. „Wir haben ein paar Spitzen gebrochen. Die meisten Eltern profitieren davon.“Ähnlich äußern sich Franz Hanner und der CDU-Fraktionsvorsitzende Gerhard Jaudas. „Zumindest in einigen Bereichen konnten wir die Erhöhung abfedern – und das wollten wir grundsätzlich erreichen“, sagt Jaudas. „Wir behalten die Sache im Auge, sodass wir, wenn nötig, punktuell nachsteuern können.“
Auch Holger Jerg zieht grundsätzlich ein positives Fazit. „Bei einigen Familien wird es eine deutliche Reduzierung geben“, sagt er. „Uns geht es ja auch nicht darum, den Eltern in die Tasche zu greifen. Sondern darum, ihnen gute Betreuungsangebote zu unterbreiten.“