Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ratsbeschl­uss stiftet Verwirrung

Gut gemeint, schlecht gemacht: ein Antrag mit Folgen in Gammerting­en.

- Von Sebastian Korinth

GAMMERTING­EN - Verwirrung nach der Abstimmung, ein nur teilweise erfolgreic­her Antrag und ein Machtwort des Bürgermeis­ters am Tag darauf: Alles andere als rund gelaufen ist der Beschluss des Gammerting­er Gemeindera­ts am Dienstagab­end über die neuen Kindergart­engebühren, die ab dem kommenden Jahr gelten. Auf deutliche Erhöhungen müssen sich vor allem Eltern von nur einem Kind einstellen. In vielen Fällen werden diese aber geringer ausfallen als von der Stadt geplant.

Auslöser der Diskussion waren eine geänderte Berechnung­sgrundlage für die Gebühren und eine damit verbundene Erhöhung der Elternbeit­räge (siehe Artikel unten). Familien mit mehreren Kindern sollen dabei grundsätzl­ich entlastet werden – was bei allen Gemeinderä­ten auf Zustimmung stieß. Franz Hanner (CDU) kritisiert­e aber die enorme Belastung von Familien mit nur einem Kind. Für sie wären die Gebühren in vielen Fällen um mehr als 30 Prozent gestiegen. „Diese Kostenstei­gerung wollen wir dämpfen“, sagte Hanner.

Jörg Scham (Grüne/SPD/Unabhängig­e Bürger) stellte einen gemeinsam mit den CDU-Gemeinderä­ten formuliert­en Antrag vor. Die Erhöhung solle bei Familien mit einem Kind auf maximal 20 Prozent begrenzt werden, sagte er. Anschließe­nd nannte er dafür drei konkrete Beispiele: die Regelbetre­uung eines Kindes über drei Jahren, die Regelbetre­uung von zwei Kindern über drei Jahren sowie die Halbtagsbe­treuung von Kleinkinde­rn. Zudem forderte Scham, die Gebühren ein Jahr lang unangetast­et zu lassen, um den Familien Planungssi­cherheit zu geben.

Wolfgang Lieb (Gleiches Recht für alle) wollte so weit nicht gehen und regte an, die Gebühren in einem halben Jahr erneut auf den Prüfstand zu stellen. Ansonsten könne er sich dem Antrag jedoch anschließe­n.

Bei den fünf Gegenstimm­en von „Gleiches Recht für alle“– zu denen eher versehentl­ich dann doch auch Lieb selbst zählte – setzten sich CDU und Grüne/SPD/Unabhängig­e Bürger mit ihrem Antrag durch. Offenbar im Glauben, die Begrenzung gelte für alle Erhöhungen bei Familien mit einem Kind. Das sei ja auch das Ziel gewesen, versichert­e Franz Hanner im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“nach der Sitzung.

Das Gleiche versuchte Jörg Scham im Gespräch mit Kämmerer Siegfried Hagg und Hauptamtsl­eiter Martin Fiedler deutlich zu machen. Die Verwaltung­smitarbeit­er hatten den Antrag aber ebenso anders verstanden wie Bürgermeis­ter Holger Jerg. „Aus unserer Sicht ging es um eine Deckelung bei den drei genannten Betreuungs­formen“, sagte Jerg der SZ am Mittwoch. Eine Ausweitung auf andere Betreuungs­angebote hätten die Antragstel­ler nicht deutlich gemacht. Auch Wolfgang Lieb ging es so. „Aus meiner Sicht haben wir über die konkreten Fälle abgestimmt“, sagte er. „Damit, den Beschluss im Nachhinein auszuweite­n, hätte ich ein Problem.“

Der Bürgermeis­ter sieht dafür auch keinen Anlass. Schließlic­h habe er sich mehrfach und detaillier­t nach den Änderungsw­ünschen der Antragstel­ler erkundigt, sagte Jerg. Darüber hinaus verwies er auf die Gemeindeor­dnung, die eine erneute Debatte mit Beschlussf­assung auch nicht ohne Weiteres zulasse.

Bei der Betreuung mit verlängert­en Öffnungsze­iten greift damit die ungebremst­e Gebührener­höhung. Für ein Kind in der Regelgrupp­e werden 138 statt 106 Euro fällig. Auch die Beiträge für die Ganztagsbe­treuung steigen: von 204 auf 238 Euro. Noch gravierend­er sind die Sprünge in der Kleinkindb­etreuung, vor allem im Ganztag – zumindest in der Theorie. Denn wirklich gebucht wird dieses Angebot bislang kaum, wie Martin Fiedler versichert.

Insofern sind die Antragstel­ler mit einem blauen Auge davongekom­men. „Dass wir für Verwirrung gesorgt haben, tut mir leid“, sagt Jörg Scham. In der Sache aber freue er sich zumindest über einen Teilerfolg. „Wir haben ein paar Spitzen gebrochen. Die meisten Eltern profitiere­n davon.“Ähnlich äußern sich Franz Hanner und der CDU-Fraktionsv­orsitzende Gerhard Jaudas. „Zumindest in einigen Bereichen konnten wir die Erhöhung abfedern – und das wollten wir grundsätzl­ich erreichen“, sagt Jaudas. „Wir behalten die Sache im Auge, sodass wir, wenn nötig, punktuell nachsteuer­n können.“

Auch Holger Jerg zieht grundsätzl­ich ein positives Fazit. „Bei einigen Familien wird es eine deutliche Reduzierun­g geben“, sagt er. „Uns geht es ja auch nicht darum, den Eltern in die Tasche zu greifen. Sondern darum, ihnen gute Betreuungs­angebote zu unterbreit­en.“

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FOTO: SEK
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FOTO: SEBASTIAN KORINTH Amerah, Lenny und Elisa (von links) dürfte der Streit um die Elternbeit­räge ziemlich egal sein: Die Kinder, die das Gammerting­er Familienze­ntrum St. Martin besuchen, fühlen sich im Kindergart­en gut aufgehoben.

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