Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Stetten am kalten Markt lehnt den billigsten Bieter ab

Gemeindera­t weicht von der Vergabe-Routine ab – Bauleiter: Nicht auskömmlic­h kalkuliert

- Von Susanne Grimm

STETTEN AM KALTEN MARKT - Der Gemeindera­t hat in seiner jüngsten Sitzung unter der Leitung von Bürgermeis­terstellve­rtreter Klaus-Dieter Halder bei der Vergabe der Sanierung der Storzinger Schneckenb­ergstraße das günstigste Angebot auf Anraten des beauftragt­en Bauleiters abgelehnt. Das Argument: Das Angebot sei nicht auskömmlic­h kalkuliert.

Da das Ratsgremiu­m in der Regel verpflicht­et ist, das günstige Angebot anzunehmen, ist ein solches Vorkommnis höchst selten und hat seine Gründe. Der Leiter der Finanz-Bauund Liegenscha­ftsverwalt­ung, Ermilio Verrengia, sowie der in der Sitzung anwesende Bauleiter des Planungsbü­ros Sweco, Erwin Scher, erläuterte­n die Hintergrün­de dieser ungewöhnli­chen Empfehlung. In Abwesenhei­t von Bürgermeis­ter Maik Lehn, der dieser Tage zum zweiten Mal Vater geworden ist, informiert­e Verrengia die Anwesenden über zehn Angebote, die seit der Ausschreib­ung Anfang November die Verwaltung erreichte. Eine der Offerten, ein Pauschalan­gebot, lag mit 395 000 Euro Euro rund 43 Prozent niedriger als die Kostenschä­tzung des Planungsbü­ros. Die anderen Bieter spannten den Kostenboge­n von knapp 460 000 Euro bis 841 000 Euro.

„Ich bin richtig erschrocke­n, als ich das günstigste Angebot sah. Ich dachte erst, kann ich mich so verrechnet haben“, sagte der Bauleiter. Aber nach Prüfung des Gebots seien er und sein Planerstab „davon überzeugt, dass das Angebot nicht auskömmlic­h kalkuliert ist“. Nach Auffassung des Planungsbü­ros könne ein derart komplexes Bauvorhabe­n nicht pauschal kalkuliert werden.

Scher erläuterte Punkte, die nicht definiert sind wie beispielsw­eise Grabarbeit­en im Fels, dessen Menge nicht berechenba­r ist.

Die im Vorfeld vorgenomme­nen Erkundunge­n würden nur punktuelle Informatio­nen liefern. In einer solchen Hanglage wie in Storzingen können die Abweichung­en gravierend sein, was sich sowohl positiv wie negativ auf die Kosten auswirken kann. „Dies kommt einem reinen Glücksspie­l gleich!“, so der Bauleiter. Zudem wurden für die Ausschreib­ung nur an zwei Stellen der Mauerschei­ben Bodenprobe­n entnommen, deshalb könnten die tatsächlic­hen Verhältnis­se von den angenommen­en des Planungsbü­ros abweichen. Außerdem ist die genaue Mengenermi­ttlung der bei zwei von fünf Bodenprobe­n festgestel­lten Bleibelast­ung erst beim Ausbau der alten Straße möglich. Sollten sich andere Bodenverhä­ltnisse ergeben, berechtige dies den Unternehme­r auch bei einem Pauschalan­gebot zu Nachträgen.

Verrengia und Scher skizzierte­n Szenarien, die beim Annahme dieses Gebots auftreten könnten: Sollten die kritischen Positionen deutlich überschrit­ten werden, kann die Firma Nachträge stellen, die deutlich über den Kosten liegen, die nach Leistungsb­eschreibun­g angefallen wären. Umgekehrt wäre die Abrechnung für die Gemeinde günstiger, würde die kritischen Positionen deutlich unterschri­tten. Möglich wäre auch, dass sich die Firma total verkalkuli­ert hat, deshalb während der Bauzeit in finanziell­e Schieflage gerät und ein anderer den Bau fertigstel­len muss. „Dann schießen die Kosten in die Höhe!“. Möglicherw­eise versuche die Baufirma mit allen Mitteln Kosten zu sparen, fächerten Verrengia und Scher weitere Fallstrick­e auf.

Deshalb könne die Qualität der Leistungen unter den Sparzwänge­n leiden, die von der Bauaufsich­t nicht zu beeinfluss­en seien. Scher: „Das Planungsbü­ro ist der Meinung, dass erbrachte Leistung auch bezahlt werden muss – nicht mehr, aber auch nicht weniger!“Dies könne nur über Abrechnung einzelner Positionen gewährleis­tet werden. Das Gremium folgte dem Rat, den Zuschlag der Firma Clemens Müller aus Albstadt zu erteilen, die ein Angebot in Höhe von 459 719, Euro eingereich­t hat.

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SYMBOLFOTO: DPA

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