Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der Spaghetti-Express
Die Deutschen essen gerne Pasta, besonders in der Krise – Marktführer Barilla schickt deshalb tonnenweise Nudeln per Zug von Parma nach Ulm
RAVENSBURG - Die Deutschen hamstern gerne. Das gibt ein bisschen Sicherheit in dieser so unsicheren Krise. Haufenweise Toilettenpapier, Mehl und Hefe haben die Menschen in den herausfordernden Anfangsmonaten der Pandemie in ihre Einkaufswägen geladen. Doch auch die Nudel steht in Corona-Zeiten hierzulande hoch im Kurs.
Fragt man die Konsumforschungsinstitute, dann gehört Pasta in der Krise zu den besonders beliebten Lebensmitteln. Laut der Nürnberger GfK kauften die Menschen von Anfang März bis Ende Oktober im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast ein Kilogramm Nudeln mehr pro Haushalt: 7,5 statt 6,6 Kilo. Das sind Zahlen, die vor allem den italienischen Nudelhersteller und Weltmarktführer Barilla freuen. Barilla beherrscht den deutschen Markt mit einem Anteil von 22 Prozent bei Nudeln und bei Saucen sogar mit fast 40 Prozent.
„Nach Italien und den USA gehört Deutschland für Barilla zu den größten und wichtigsten Absatzmärkten“, sagt Barilla-Logistik-Manager Bastian Diegel im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Das war schon vor Corona so, doch mit der Pandemie ist die Nachfrage noch einmal gestiegen – im März um ganze 50 Prozent, „seitdem haben wir uns bei einem durchschnittlichen monatlichen Plus von zehn Prozent eingependelt“, sagt Diegel.
Das liege daran, dass die Menschen mehr zu Hause kochen, weil sie im Homeoffice arbeiten oder die Restaurants geschlossen sind. „Pasta ist da ein guter Begleiter, der vielfältig aber einfach zuzubereiten ist“, sagt Diegel. Am beliebsten bei den Deutschen seien seit jeher die „klassischen Spaghetti“. Diese Spaghetti müssen über die Alpen nach Deutschland geschafft werden – in der Krise mehr denn je.
Und damit der Nachschub auch klappt, schickt Barilla seine Pasta per Zug. Barilla hat eigens eine Verbindung vom Hauptquartier im norditalienischen Parma zum deutschen Hauptlager in Langenau bei Ulm eingerichtet. Jeder Pasta-Zug besteht aus 16 Waggons mit insgesamt 32 Containern. Diese sind mit einer Million Packungen Pasta – das entspricht 490 Tonnen – und 60 Tonnen Saucen und 50 Tonnen Pesto beladen.
Seit März fahren die Züge. Zunächst waren es zwei pro Woche, ab Ende Juni dann drei und in diesen Tagen will Barilla die vierte Verbindung einrichten. Der Pasta-Zug sei bereits vor anderthalb Jahren initiiert worden, sagt Diegel – kein Schnellschuss in Pandemiezeiten also, sondern vielmehr ein langfristiges Projekt. Das Logistikvorhaben fiel dann zufällig mit der Krise zusammen.
„Es war einfach Glück, dass wir den Startzeitpunkt für unser Projekt für März angesetzt hatten. Mit dem Zug haben wir es geschafft auch in Corona-Zeiten die in Italien produzierte Ware konstant und pünktlich nach Deutschland zu bringen “, sagt Bastian Diegel.
Doch hinter dem Zug-Projekt steckt noch etwas anderes: „Wir wollen möglichst effektiv CO2-Emmissionen auf dieser Strecke einsparen“, sagt Diegel. Der Zug ist Teil einer langfristigen Nachhaltigkeitsstrategie, die sich der Konzern schon vor zehn Jahren verordnet hat.
Bevor es den Pasta-Zug gab, seien auf der Strecke nur Lastwagen unterwegs gewesen. Eigentlich rentiere sich der Straßentransport finanziell mehr als ein Zug, bei dem vor allem die Trassenentgelte, also die Gebühr für das Nutzen des Schienennetzes, ins Gewicht fallen, sagt Diegel. Auch sei man bei Lastwagen flexibler – könne kurzfristig Transporter nachordern, wenn nötig. „Aber der Schienenverkehr ist nun mal in puncto Nachhaltigkeit unschlagbar.“Mit dem Zug, der mittlerweile 95 Prozent des Transports nach Deutschland stemmt, könne man jährlich 5000 Lastwagen einsparen und den CO2-Ausstoß um 6000 Tonnen verringern. Barilla braucht jetzt nur noch wenige Lastwagen, die die gesamte Strecke fahren und einen Lastwagen-Shuttle, der jeweils vom Werk in Parma zum dortigen Güterbahnhof und vom Ulmer Bahnhof zum Lager in Langenau fährt.
Für die CO2-Einsparung nahm Barilla Aufwand und Kosten in Kauf. „Auf der 560 Kilometer langen Strecke von Parma bis Ulm gab es zuvor kein passendes Angebot, das wir hätten nutzen können“, sagt Diegel. Also wurde der Konzern selbst aktiv und engagierte den italienischen Logistikdienstleister GTS, der den Zug und die Container stellt. Die Lok wiederum wird von SBB Cargo, dem Tochterunternehmen der Schweizerischen Bundesbahnen, betrieben. Bis das alles eingerichtet war, brauchte es lange.
Doch nun geht es entlang der Gotthardbahnroute und über die Rheintalstrecke nach Ulm und schließlich nach Langenau ins Lager des Dienstleisters Dachser an der A 7, von wo aus dann die Produkte über ganz Deutschland verteilt werden. Eigentlich sei auch der Weg über die Südbahnstrecke von Friedrichshafen nach Ulm denkbar, merkt Diegel an, doch da die PastaLok elektrisch fahre und die Südbahnstrecke noch nicht ganz elektrifiziert ist, scheide die Option bisher aus.
„Wir wollen mit dieser Initiative ein Beispiel setzen für eine neue Entwicklung bei der intermodalen Logistik. Diese kann nachhaltig sein und gleichzeitig mit dem traditionellen Straßentansport konkurrieren“, sagt Gianluigi Mason, LogistikManager für den Raum Italien. Zwar sei der Zug teurer, aber dafür seien die Kosten besser planbar und der Zug in der Regel pünktlicher als Lastwagen, sagt Diegel.
Es ist also eine Zukunftsvision, die Barilla da verfolgt. Gleichzeitig reichen die Wurzeln des Familienunternehmens ins 19. Jahrhundert zurück. 1877 gründete Pietro Barilla in Parma ein Geschäft, in dem er Nudeln und Brot verkaufte. Heute arbeiten weltweit 8000 Mitarbeiter im Unternehmen, das neben Pasta und Saucen auch Kekse und Kuchen produziert. Außerdem gehört auch der Knäckebrothersteller Wasa zu Barilla. 2019 machte die gesamte Unternehmensgruppe, die nicht an der Börse gelistet ist, einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro.
Dieser dürfte sich im Jahr 2020, dem Jahr, in dem sich die Menschen mit Nudeln trösten, nun noch höher ausfallen. Denn nicht nur in Deutschland ist die Pasta beliebter den je. Laut dem Marktforschungsinstitut Doxa aß auch jeder vierte Verbraucher in Italien, Frankreich, Großbritannien und den USA während des Lockdowns mehr Nudeln.
Wenn der Trend zur Teigware anhält, könnte es dann sein, dass Barilla seine Zugtaktung erneut erhöht? „Natürlich, das ist möglich“, sagt Logistiker Bastian Diegel. Aber man habe durchaus auch noch andere Pläne mit dem Zug. So sei Barilla in Gesprächen mit Unternehmen aus dem süddeutschen Raum , die den leeren Zug in Ulm Retour nutzen könnten, um ihre Waren nach Italien zu transportieren. Dann wäre der Nudel-Zug zwar nicht mehr ein reiner Nudel-Zug, aber das wäre für den Weltmarktführer sicherlich zu verkraften.