Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Schule veranstaltet Workshop zum Thema Hate-Speech
An der Ludwig-Erhard-Schule sollen die Schüler auf ihre Umgangssprache sensibilisiert werden
SIGMARINGEN (sz) - An der LudwigErhard-Schule in Sigmaringen hat die Schulsozialarbeiterin Sabrina Idler unterstützt vom Demokratiezentrum Baden-Württemberg den Workshop „Da.Gegen.Rede – Hate Speech“organisiert und durchgeführt.
„Hassrede“oder „Hetze“meint dabei anders als „Mobbing“nicht die Beleidigung einer einzelnen Person, sondern die verbale Herabsetzung einer ganzen Personengruppe oder einer zu dieser Gruppe gehörenden Person. Typische Beispiele aus der täglichen Lebenswelt der Schüler, wie „Das ist doch voll behindert“wurden dabei in den Klassen schnell gefunden. „Das ist doch mittlerweile Umgangssprache und für uns normal, das ist unser Humor“, war ein anfänglicher Kommentar eines Schülers aus dem Berufskolleg. Bei einer kritischen Analyse der gewählten Worte wurde aber klar, dass sich hinter diesen Pöbeleien eine systematische Ausgrenzung ganzer Personengruppen verbirgt. „Als Betroffener wirkt so ein Kommentar im Inneren verletzend, auch wenn das so vielleicht nicht beabsichtigt war“, erklärt Idler, der Grat zwischen verbaler Gewalt und Humor sei schmal.
In einer Gruppenarbeit mit Plakaten der Bundeszentrale für politische Bildung befassten sich die Schüler mit den Personengruppen und Aktionsfeldern, in denen besonders viele Vorurteile herrschen und in denen Hate-Speech häufig vorkommt. So beispielsweise der Antisemitismus, die Homophobie, der Rassismus, der Sexismus sowie der weniger geläufige Antiziganismus, bei dem es um die Beleidung von Sinti und Roma geht.
Vor allem im Internet kursieren viele Verunglimpfungen und Herabsetzungen, da sich die Verfasser in der Anonymität des Internets in Sicherheit wähnen. Hate-Speech ist aber eine Grenzüberschreitung und kann bei entsprechender Anzeige durch die Betroffenen auch als Straftat gelten. „Da gibt es schnell Geldstrafen bis in den vierstelligen Bereich“, sagt Idler, wobei schon das reine Weiterleiten einer solchen Nachricht strafbar ist.
In der folgenden Gruppenübung lernen die Schüler spielerisch, wie Vorurteile häufig überwiegen: Zwei
Schüler müssen erraten, nach welchen Merkmalen sich ihre Mitschüler im Raum zusammentun. „Bei der Aufstellung beispielsweise nach Haarlänge gelingt dies noch einfach“, sagt Sabrina Idler. Würden sie sich aber beispielsweise nach dem Musikgeschmack Heavy Metal gruppieren, so werde es schon schwieriger. „Der sieht doch nicht so aus, wie wenn er Heavy Metal hört, da fehlen die Tattoos auf den Armen und die schwarze Kleidung“, so ein Kommentar der Schüler. Meinungsmacher nutzen dieses Schubladendenken dann, um mit Hilfe von Vorurteilen ihre Hass-Botschaften zu verbreiten.
Wie eine systematische Nutzung von Hate-Speech aussehen kann, erfahren die Schüler in einem Experiment: Was passiert, wenn der Newsfeed des Handys schnell durchgescrollt wird? Welche Schlagzeilen bleiben hängen? Welche werden einfach überlesen? „Je sensationeller, desto einprägender. Der anschließende Faktencheck ist ernüchternd, sogenannte ,Fakes’ gibt es im Internet sehr häufig“, war das Fazit der begleitenden Klassenlehrerin. Dabei werden hierdurch oft ganze Gruppen gegeneinander aufgebracht, die dann nicht mehr miteinander kommunizieren, sich in ihre „Filterblase“zurückziehen und in ihrer Meinung bestätigt fühlen.
Ziel des Workshops war es, die Schüler für die Verletzungen durch Sprache zu sensibilisieren und zu einem dagegenreden zu motivieren. „Argumente sachlich entkräften, kritisch nachfragen, sich nicht provozieren lassen und dabei trotzdem beherzt eingreifen“, sagt Sabrina Idler, sind Strategien für Betroffene oder Beobachter von Hate-Speech. „Zivilcourage ist dabei“, so die zentrale Botschaft, „im Netz mindestens genauso wichtig wie in der Realität“.