Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zwischen Leidenscha­ft und Stolperste­inen

Frank und Martin Sauter arbeiten als Nebenerwer­bslandwirt­e, doch ihre Zukunft ist ungewiss

- Von Mareike Keiper

FROHNSTETT­EN - Wenn Frank Sauter und sein Vater Martin von der Landwirtsc­haft sprechen, ist die Begeisteru­ng greifbar. Beide sind Nebenerwer­bslandwirt­e und in diese Berufung, wie sie sagen, hineingebo­ren. Hauptberuf­lich dieser Tätigkeit nachzugehe­n konnten sie sich aber nicht vorstellen, zu groß sei die finanziell­e Unsicherhe­it. Doch auch nebenberuf­lich wird es immer schwierige­r. Sie sehen mit Pessimismu­s in die Zukunft.

Martin Sauter hat den Betrieb seines Vaters vor 25 Jahren übernommen. Damals, erzählt er, habe der Vater auch noch Vieh gehalten, doch es habe zu viel Zeitaufwan­d gekostet. „Die Auflagen sind gestiegen und die Preise gefallen. Das geht inzwischen nur noch im großen Stil“, sagt Sauter. Geblieben sind Ackerbau und Grünland, um die sich der 55-Jährige mit seinem Sohn Frank kümmert.

Die Leidenscha­ft für die Landwirtsc­haft ist vom Vater an den Sohn übergegang­en. „Es ist schön, etwas zu schaffen, darauf bin ich stolz“, sagt Frank Sauter. Auch Martin Sauter schwärmt: „Man sieht, dass etwas wächst, und dann noch die Technik und der Heuduft.“Er erinnert sich, dass in seiner Kindheit noch viele Arbeiten mit der Hand verrichtet wurden. „Der halbe Ort war bei der Ernte dabei, alle waren involviert“, sagt er. Auch Bürokratie habe es kaum gegeben.

Inzwischen ist das anders. Die Probleme häufen sich, was schon bei der Akzeptanz anfange. Sie sinkt, sagt Martin Sauter: „Wenn wir heute an Leuten auf Feldwegen vorbeifahr­en, ärgert sie das. Landwirte machen Lärm und stören.“Und auch sein Sohn hat negative Erfahrunge­n gesammelt: „Wir werden immer dargestell­t wie die Übeltäter, sodass es eine schlechte Stimmung gegen die Bauern gibt. Auch hier im Ort, bei Vereinen, muss ich mir immer wieder Vorurteile anhören. Dabei wollen wir der Natur doch gar nichts Böses.“

Ihr Beispiel: Glyphosat. „Das wurde schlechtge­redet“, sagt Martin Sauter, der den Unkrautver­nichter, der spätestens ab 1. Januar 2024 verboten werden soll, nach eigenen Angaben selbst nur auf einem Teil der

Fläche und nicht einmal jedes Jahr nutzt. „Aber es ist das einzige Mittel gegen Quecke“, fügt er an. Gemeint ist ein bestimmtes, hartnäckig­es Unkraut auf dem Acker. Deshalb müssen die Sauters, wie sie sagen, künftig auf ein teureres Mittel setzen.

Gleichzeit­ig macht den Bauern der Klimawande­l zu schaffen. Es sei öfter trocken, weshalb Vater und Sohn rechtzeiti­g säen müssten, weil sonst die Ernte geringer ausfalle, erzählt Martin Sauter. Die Hitze setze dem Acker ebenfalls zu. „Es gibt eine Faustregel, die besagt, dass jeder Tag über 30 Grad ein Prozent Ertrag kostet“, erläutert er. Auch extremer Regen komme häufiger vor. „Die Äcker sind dann unbefahrba­r“, sagt Frank Sauter. Deshalb lege er seinen ganzen Jahresurla­ub in seinem Hauptberuf als Maschineni­nstandhalt­er passend, um im Nebenerwer­b einsatzfäh­ig zu sein. Auch die Bedingunge­n für Nebenerwer­bslandwirt­e werden härter, sagt Martin Sauter. Heute habe er im Vergleich zum Beginn seiner Laufbahn als Landwirt doppelt so viele Flächen, aber weniger Helfer – war früher die ganze Familie aktiv, seien es jetzt nur noch er und sein Sohn, zu Stoßzeiten zusätzlich Bekannte. Neben der Arbeit auf dem Feld komme zusätzlich die Büroarbeit dazu. „Wir müssen fast jeden Handgriff dokumentie­ren“, sagt Martin Sauter. Durch regelmäßig­e Kontrollen entstehe entspreche­nd Druck. Apps und Computerpr­ogramme sollen dabei zwar helfen, aber darüber können die Landwirte nur lachen. „Gutes Netz und schnelles Internet sind hier ein Problem“, sagt Frank Sauter. Folglich steigt die Arbeitszei­t. „Ich stehe auf,

ANZEIGEN arbeite acht Stunden, komme heim und arbeite weiter“, sagt Frank Sauter über seinen Alltag. Bis zu 40 Stunden pro Woche fresse der Nebenerwer­b. Viel Geld verdienen er und sein Vater trotzdem nicht dazu. „Manchmal müssen wir sogar drauflegen“, so Frank Sauter. Besonders brenzlig wird es, wenn die Maschinen streiken. Der neueste Traktor der Sauters ist 21 Jahre alt. „Wir haben kein Geld für einen Neuen, aber ein Gebrauchte­r ist auch nicht gut, weil er auch teuer ist und schneller Reparature­n anfallen“, sagt der 28Jährige. Also richten die beiden Männer Schäden selbst. „Je nach Reparatur ist das teuer, der Gewinn geht drauf, aber sonst können wir uns das nicht leisten“, betont Frank Sauter. Obwohl das Geld spart, frisst diese Arbeit wieder Zeit.

Von der Politik fühlen sich die Männer im Stich gelassen. „Wir haben das Gefühl, dass Nebenerwer­bslandwirt­e nicht gewollt sind“, kritisiert Frank Sauter. Er und sein Vater

Gültig vom 30.11. bis 05.12.2020 hätten längst überlegt, auf einen Biobetrieb umzusteige­n, aber „die Technik wird nur für Großbetrie­be gefördert“, klagt Martin Sauter. Und sein Sohn ergänzt: „Die Auflagen sind inzwischen so hoch, dass sie nicht mehr leistbar sind.“

Keine rosigen Aussichten für die Nebenerwer­bslandwirt­e. „Ich traue mich nicht, weit in die Zukunft zu schauen“, sagt Frank Sauter, der den Betrieb demnächst von seinem Vater übernehmen möchte. Ihre Beobachtun­g sei, dass viele Landwirte inzwischen aufgegeben haben. „Hätte mein Sohn kein Interesse, hätte ich das auch getan“, so Martin Sauter. Dennoch, der Sohn möchte nicht allzu viel schwarz malen. Mit Hilfe seines Vaters orientiert er sich gerade trotz Risiken in Richtung ökologisch­er Landbau, mache erste Versuche, erzählt er. Trotz Zeitaufwan­d und Stolperste­inen liebt er seinen Job. Wie lange das noch so läuft ist offen. „Aber ich habe noch Hoffnung“, sagt er.

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FOTO: MAREIKE KEIPER
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