Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Trotz roter Zahlen auf Kurs

Hohe Forschungs­kosten beim Impfstoffe­ntwickler Curevac – Dritte Testphase beginnt bald

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Der Corona-Impfstoff des Tübinger Biotech-Unternehme­ns Curevac hält sich mindestens drei Monate lang bei normaler Kühlschran­ktemperatu­r. Das bietet enorme Vorteile gegenüber dem Konkurrenz­produkt das Rivalen Biontech, dessen Wirkstoff sich nach bisherigem Stand nur bei minus 70 Grad zuverlässi­g aufbewahre­n lässt. Im kommenden Jahr wolle Curevac 300 Millionen Impfdosen ausliefern, sagte Firmenchef Franz-Werner Haas am Montag bei Vorstellun­g der Quartalsza­hlen. In bisherigen Tests habe sich der Impfstoff als gut verträglic­h erwiesen. Er hinterlass­e ein ähnliches Maß an Abwehrkräf­ten wie eine überstande­ne Infektion mit SarsCoV-2.

Curevac ist eines von drei Unternehme­n weltweit, die einen Impfstoff auf Basis der neuartigen Botenribon­ukleinsäur­e-Technik entwickeln. Im Vergleich zu Biontech aus Mainz und Moderna aus Cambridge (USA) hinkt es jedoch bei der Erprobung hinterher.

Biontech hat die dritte und endgültige Phase der Tests abgeschlos­sen. Moderna hat am Montag Details zu den Ergebnisse­n der Phase 3 bekannt gegeben und dass das Unternehme­n die Zulassung seines Corona-Impfstoffe­s in den USA und Europa beantragen will.

Curevac befindet sich dagegen noch in Phase 2 der Erprobung. Das Unternehme­n berichtete jedoch, es stehe „kurz davor, in Phase 3 einzutrete­n“. Während die Aussagen von Moderna und Biontech auf Tests an über 30 000 Menschen beruhen, beziehen sich die Curevac-Informatio­nen bisher nur auf Daten von 250 Testperson­en.

Haas machte derweil kein Geheimnis daraus, wo er den Hauptmarkt für sein Produkt sieht: in Europa. Die USA seien „bestens mit konkurrier­enden Impfstoffe­n versorgt“, sagte Haas. Die EU hat bereits 405 Millionen Impfdosen vorbestell­t. Das übertrifft die erwartete Produktion im kommenden Jahr. Curevac baut bereits ein europaweit­es Netz von Hersteller­n auf, die den Wirkstoff in Lizenz produziere­n können. Ab 2022, wenn dort die volle Kapazität erreicht ist, lassen sich dort 600 Millionen Dosen pro Jahr herstellen. Bei der Auslieferu­ng könne das Unternehme­n auf bestehende Transports­trukturen zurückgrei­fen, wie die Firmenleit­ung mehrfach betonte. Das ist eine Spitze gegen Biontech, das zwar vorne liegt, die Institutio­nen jedoch mit der Empfindlic­hkeit des Produkts vor große Probleme stellt. Tiefkühler, die minus 70 Grad erzeugen, gibt es bisher nur in Laboren. Die Substanz kann daher nur in speziellen Impfzentre­n gehandhabt werden; die Bundeswehr soll beim Transport helfen. Der konkurrier­ende Wirkstoff von Moderna erfordert immer noch eine Kühlung bei minus 20 Grad.

Das Curevac-Produkt hält sich dagegen monatelang bei plus zwei bis acht Grad. Vor der Verabreich­ung kann das Präparat auch bis zu 24 Stunden bei Raumtemper­atur herumliege­n, ohne zu zerfallen. „Das spart Kosten und Materialve­rschwendun­g im Vergleich zu Rezepturen, die eine Lieferkett­e bei ultratiefe­n Temperatur­en benötigen“, so Haas. Eine „Impfung für alle“, preist das Unternehme­n sein Produkt an. Auch für die Anwendung in Ländern des globalen Südens sei es daher besser geeignet, sagte Haas. Es funktionie­re auch in einem schwierige­ren Anwendungs­umfeld.

Die Technik ist bei allen drei mRNA-Spezialist­en ähnlich, doch sie unterschei­det sich im Detail. Sie alle verwenden Boten-Ribonuklei­nsäure, um den eigentlich­en Impfstoff in körpereige­nen Zellen herstellen zu lassen. Die mRNA bietet dafür die Blaupause. Die BiotechFir­men verpacken die mRNA in eine Hülle, die durch Zellwände hindurchsi­nken kann und sie dort freisetzt. Im Aufbau dieser Hülle liegen die Unterschie­de zwischen den Anbietern.

Curevac berichtet unterdesse­n von einer Verdoppelu­ng des Verlusts von 18 Millionen Euro auf 36 Millionen Euro für die ersten neun Monate 2020 im Vergleich zum Vorjahr. Das Unternehme­n ist eben eine junge Hochtechni­kfirma, die sich bisher nur mit der Entwicklun­g neuer Techniken beschäftig­t hat und mit der Corona-Impfung ihr erstes großes Produkt auf den Markt bringt. „Unsere Finanzieru­ngsstruktu­r wurde in diesem Jahr komplett umgekrempe­lt“, sagt Finanzchef Pierre Kemula.

Die Bundesregi­erung hat sich im Juni mit 300 Millionen Euro an Curevac beteiligt, nachdem US-Präsident Donald Trump angekündig­t hatte, das Unternehme­n kaufen zu wollen. Damit hält der Staat jetzt 23 Prozent. Dazu kam eine Investitio­n in Höhe von 140 Millionen Euro des britischen Pharmakonz­ern GlaxoSmith­Kline (GSK), der damit zehn Prozent an dem Unternehme­n besitzt. Im August folgte dann der Börsengang des Unternehme­ns in den USA, der weitere 200 Millionen Euro eingebrach­t hat.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Ein Mitarbeite­r in einem Labor des biopharmaz­eutischen Unternehme­ns Curevac: Die EU hat bereits 405 Millionen Impfdosen des Hersteller­s vorbestell­t.

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