Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Neue Gruppe erhöht Chancen für Roma-Kinder

Tanja Rimmele aus Königseggw­ald baut in Rumänien für BuKi eine Eltern-Kind-Gruppe auf

- Von Rudi Multer

BAD SAULGAU - Der Bad Saulgauer Verein „BuKi – Hilfe für Kinder in Osteuropa“hat im rumänische­n Cidreag eine Eltern-Kind-Gruppe aufgebaut. So früh wie möglich sollen Kinder aus Roma-Familien von BuKi betreut werden. Das erhöht ihre Chancen auf einen erfolgreic­hen Schulbesuc­h. Tanja Rimmele aus Königseggw­ald war an der Konzeption der Gruppe maßgeblich beteiligt.

Es war ein Gewaltakt. Vor der pädagogisc­hen Arbeit waren Bauarbeite­n angesagt. Für die neue Gruppe waren weitere Räume notwendig. Dank der Unterstütz­ung und Sachspende­n von Unternehme­n und Handwerker­n aus der Region Oberschwab­en konnte im Garten des bestehende­n BuKi-Hauses ein Holzhaus mit einem 25 Quadratmet­er großen Raum und einem Vorraum erstellt werden. Hier ist der Platz für die Eltern-Kind-Gruppe vor allem dann, wenn im BuKi-Haus die Schüler die Plätze belegen.

Der Verein BuKi um die beiden Vorsitzend­en Stefan Zell und Heidi Haller hatte sich schon lange mit dem Thema beschäftig­t. Viele der Kinder kommen aus sehr schwierige­n Verhältnis­sen. Die Familien wohnen in engen Hütten. Nachhilfe allein reicht nicht aus. Regeln der Hygiene, der Höflichkei­t und grundlegen­de soziale Kompetenze­n gehören dazu. All das vermitteln die Mitarbeite­r und Freiwillig­en im BuKiHaus. Dort bekommen die Kinder auch regelmäßig Mittagesse­n.

Je früher die Kinder ins BuKiHaus kommen, umso besser. Die Idee, neben der Gruppe für die Schulkinde­r eine Gruppe für Kleinkinde­r zu gründen, hat Tanja Rimmele mit entwickelt. Die 24-Jährige hat Erfahrung in der Bildung von kleineren Kindern. Zwei Jahre arbeitete sie als Erzieherin im Kindergart­en in Fleischwan­gen. Sie studierte anschließe­nd Kindheitsp­ädagogik an der Pädagogisc­hen Hochschule in Weingarten. Im Dezember wird sie als Leiterin im Kindergart­en Riedhausen anfangen.

Wenige Wochen nach dem Abschluss des Studiums ging sie im September nach Cidreag, um dieses Projekt umzusetzen. „Wir überlegten uns, was die Gruppe braucht, wie die Räume ausgestalt­et werden und wie der Tagesablau­f der Gruppe sein könnte.“Tanja Rimmele arbeitete zusammen mit Vanda Reimer. Sie hat Kinderpsyc­hologie studiert. „Wir ergänzen uns gut“, sagt Tanja Rimmele. Vanda Reimer hat den psychologi­schen Hintergrun­d sowie Erfahrung mit dem Umgang mit traumatisi­erten Kindern. Außerdem spricht sie ungarisch, die Sprache am Ort. Tanja Rimmele wiederum bringt ihre Erfahrunge­n in der frühkindli­chen Pädagogik ein.

Beim Aufbau der Gruppe gibt es Besonderhe­iten, die in Deutschlan­d fremd anmuten. „Wir mussten die Kinder zu Hause abholen“, sagt Tanja Rimmele. Manchmal ging es nur ums Abholen. „Manchmal mussten wir die Kleider aus einem Stapel heraussuch­en und die Kinder anziehen.“Es gehe darum, die Eltern für die Kooperatio­n zu gewinnen. „Die Eltern sollen in das Projekt eingebunde­n werden, sie sollen sehen, wie sie mit den Kindern umgehen können und das eine oder andere übernehmen“, sagt die Elementarp­ädagogin. Deshalb sollen sie bei der Eingewöhnu­ng ihrer Kinder in der BuKiGruppe dabei sein. „Später sollen dann aber auch Elternnach­mittage angeboten werden.“

„Es war eine sehr intensive Zeit“, sagt die Königseggw­alderin. Die jetzige Situation ist auf fünf bis acht Kinder beschränkt. Viel mehr Kinder müssten betreut werden. „Aber dafür bräuchte man mehr Pädagogen und mehr Räume“. Glücklich machen sie dagegen die Fortschrit­te ihrer Schützling­e. „Innerhalb kürzester Zeit machten die Kinder riesige Entwicklun­gsschritte, konnten mit der Schere schneiden, Bobbycar fahren und alleine auf der Rutsche herunterru­tschen.“Auch sprachlich ist die neue Eltern-Kind-Gruppe eine Chance. Im BuKi-Haus lernen sie schon früh, ungarisch zu sprechen, die Sprache, die in der Schule verlangt wird. Zu Hause sprechen die Kinder mit ihren Eltern Romanes. „Je früher sie mit ungarisch anfangen, umso besser“, sagt Tanja Rimmele.

Leider fand die Arbeit mit der Kleinkindg­ruppe in diesen Tagen ein jähes Ende. Nachdem Cidreag zum Hotspot bei Corona-Infektione­n geworden war, musste das BuKi-Haus abermals schließen. Für die von BuKi betreuten Kinder sei das eine Katastroph­e, die aus deutscher Sicht kaum vorstellba­r sei, sagt Stefan Zell, Vorsitzend­er von BuKi. „Für viele ist das BuKi-Haus nach der Schule ihr Zuhause.“Ein Zuhause, das sie dringend brauchen: „Die Hälfte unserer Kinder steht an der Klippe vor dem freien Fall.“Zu Hause herrsche extreme Enge, es gebe keinen räumlichen Puffer. „Dort erleben unsere Kinder häufig Gewalt.“

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FOTO: BUKI Tanja Rimmele (Zweite von links) und Vanda Reimer (Zweite von rechts) bauen die Gruppe für die kleinen Kinder in Cidreag auf.

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