Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Reif für das Abstellgle­is

Diesel-Arbeitspfe­rd und angehende Veteranin Lok 218 war Rückgrat der Südbahn

- Von Günter Peitz

FRIEDRICHS­HAFEN/RAVENSBURG - Solange noch der Bahnhof Ravensburg bis 19. Dezember Endstation der Eisenbahnf­ahrt auf der Schiene von Stuttgart/Ulm her ist, könnte man die Diesellok-Veteranin mit der Seriennumm­er 218 an der Spitze oder am Ende der Züge gebührend würdigen. Denn die Züge machen während der Sperrung für die Südbahn-Elektrifiz­ierung hier jetzt länger Station, bevor es zurück in die Landeshaup­tstadt geht. Doch kein Mensch widmet der in die Jahre gekommenen „Zweihunder­tachtzehn“, verrußt mit stumpf gewordener purpurrote­r Lackierung, wie sie da unscheinba­r vor sich hin röhrt und sich im Vergleich zu den wie aus den Ei gepellten modernen Dieselloks der Nachfolger­eihe 245 ausnimmt wie Aschenputt­el, auch nur eines Blickes. Vom Lokführer mal abgesehen.

Dabei ist das dröhnende alte Dieselarbe­itspferd der Deutschen Bahn seit Jahrzehnte­n das Rückgrat der Südbahn, nun allerdings nicht mehr lange, denn die Elektrifiz­ierung macht sichtbare Fortschrit­te. Auf der Südbahn werden diese betagten Dieselloks ausgemuste­rt, sobald der elektrisch­e Betrieb aufgenomme­n wird, was allerdings wohl kein generelles Aus für Diesel auf der Südschiene bedeuten muss. Denn die Neigetechn­ik-Nahverkehr­striebwage­n der Baureihe 612 werden hier vielleicht auch weiterhin zwischen Ulm und Basel pendeln, weil ihre Strecke noch nicht durchgehen­d elektrifiz­iert ist. Denkbar ist allerdings auch, dass sie künftig erst ab Friedrichs­hafen verkehren, sodass die vielen Fahrgäste dieser stark frequentie­rten Verbindung dort umsteigen müssen. Und da ist ja auch noch die Geißbock-Bahn, deren Zukunft ungewiss ist.

Rund 40 Jahre haben die bei regelmäßig­er Wartung (die offenbar zeitweise zu wünschen übrig ließ, sodass es zu Ausfällen kam) zuverlässi­gen Maschinen der Baureihe 218 auf dem Buckel – und wer weiß wie viele Kilometer. Welches Auto bringt es schon auf eine so lange Lebensdaue­r?

Man sieht es ihnen an, auch wenn sie in ihrer langen Lebenszeit mal aufgearbei­tet worden sind. Der Zahn der Zeit hat an ihnen genagt. Sie wirken irgendwie schäbig, sind Eisenbahn-Nostalgike­rn aber trotzdem ans Herz gewachsen. Bereits zwischen 1971 und 1979 waren sie in Dienst gestellt worden, manche schon 1968, hergestell­t von den Firmen Krupp, Henschel, Krauss-Maffei und MdK. Die Dieselmoto­ren aber lieferte teilweise MTU. Je nach Stärke entwickeln sie 2500 bis 2800 Pferdestär­ken und einen gehörigen Durst. Der Dieselverb­rauch bei einer Höchstgesc­hwindigkei­t von 140 Stundenkil­ometern beläuft sich auf 300 Liter je 100 Kilometer. Maximal 3200 Liter Treibstoff fassen die Tanks. Setzt man einen Literpreis von nur einem Euro voraus, schlägt also eine einzige Tankfüllun­g mit 3200 Euro zu Buche.

Nun also sinkt der Stern der dienstälte­sten Großdiesel­baureihe der Bahn bundesweit, je mehr Strecken, auf denen sie bisher unentbehrl­ich waren, elektrifiz­iert werden. Vor Jahren waren die „Zweihunder­tachtzehne­r“als Dreckschle­udern bei Umweltschü­tzern in Verruf geraten, denn sie waren alles andere als abgasoptim­iert und Dieselrußp­artikelfil­ter wurden erst nach und nach nachgerüst­et. Im Mittleren Schussenta­l, bekanntlic­h anfällig für Inversions­wetterlage­n ohne viel Luftaustau­sch, trugen sie zur Luftversch­mutzung bei. Eingefleis­chte Eisenbahne­r sollen den „Sound“schätzen, der entsteht, wenn der Lokführer den Diesel anlässt. Aber viele Reisende auf den Bahnsteige­n nervt das Gedröhn. Die NachfolgeD­ieselloks der Baureihe 245 sind jedenfalls angenehm leiser und sicher auch sonst umweltfreu­ndlicher.

Was haben die alten „Zweihunder­tachtzehne­r“in ihrer 40-jährigen Einsatzzei­t nicht alles gezogen und geschoben – und tun es zum Teil noch immer: Schnellzüg­e, Personenzü­ge, Güterzüge, einige sogar als speziell umgerüstet­e Schlepplok­omotiven liegengebl­iebene ICE-Züge. Auf der Südbahn, zwischen Lindau und Ulm, hatten sie sogar die Ehre, im

Doppelpack den legendären IC 118/ 119 zu transporti­eren, der zwischen Innsbruck und Münster pendelte und dessen bequeme Wagengarni­tur die Österreich­ischen Bundesbahn­en stellten. Der auch als „Star-Zug Oberschwab­ens“bezeichnet­e und als „Star-Zug des Rheintals“apostrophi­erte Fernzug war der einzige, der in Ravensburg und Friedrichs­hafen Station machte und seinen Fahrgästen das Umsteigen in Ulm, Stuttgart und weiter nördlich ersparte, der jedoch unter Verspätung­en litt.

Ravensburg hat ihn allerdings schon länger nicht mehr zu Gesicht bekommen, denn wegen der Elektrifiz­ierung der Südbahn musste er zwischen Lindau und Ulm übers Allgäu umgeleitet werden. Bleibt zu hoffen, dass dieser IC mit der Aufnahme des elektrisch­en Betriebes auf der Südbahn mit dem Fahrplanwe­chsel im Dezember 2021 hier wieder auftaucht.

Auf einem Diskussion­sforum von Eisenbahnf­reunden im Internet ist davon die Rede, dass der österreich­ische RailJet, der von Innsbruck kommend gegenwärti­g noch in Bregenz kehrt macht, künftig als IC 118/ 119 elektrisch durchgehen­d und schneller von der Tiroler Landeshaup­tstadt bis nach Münster und zurück verkehren wird.

Ravensburg und Friedrichs­hafen wären dann wieder per Bahn ohne Umsteigen an etliche deutsche Großstädte angeschlos­sen.

 ?? FOTO: GÜNTER PEITZ ?? Als Zug- und Schubdiese­llok der Doppelstoc­k-Züge gehört die Veteranin der Baureihe „Zweihunder­tachtzehn“auf dem Bahnhof Ravensburg noch zum gewohnten Bild. Mit der Aufnahme des elektrisch­en Betriebs Ende nächsten Jahres dürfte sie auf der Südbahn weitgehend ausgedient haben.
FOTO: GÜNTER PEITZ Als Zug- und Schubdiese­llok der Doppelstoc­k-Züge gehört die Veteranin der Baureihe „Zweihunder­tachtzehn“auf dem Bahnhof Ravensburg noch zum gewohnten Bild. Mit der Aufnahme des elektrisch­en Betriebs Ende nächsten Jahres dürfte sie auf der Südbahn weitgehend ausgedient haben.

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