Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Millionen für Masken made in Germany
Bund vergibt ersten Förderbescheid für FFP-Masken-Produktion an rheinland-pfälzisches Unternehmen – Es gibt jedoch Zweifel an Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit
BERLIN - Im Frühjahr war der Schock groß, als das Virus nach Deutschland kam und es selbst in den Krankenhäusern an Schutzkleidung fehlte. Sogar einfache Masken waren knapp, eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung war unmöglich. Denn sowohl die nötigen Filterstoffe als auch die Endprodukte selbst kamen aus Asien. Die Politik versprach Abhilfe. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollte die Maskenproduktion nach Deutschland zurückholen und Hersteller mit Subventionen fördern. Ziel war es, unabhängiger von Importen aus Asien zu werden.
Seitdem ist ein halbes Jahr vergangen. Erst jetzt zeigen sich Erfolge der Rückholstrategie. Als Erfolg verbucht das Ministerium beispielsweise die Vergabe von Förderung an die Firma Skylotec aus dem rheinlandpfälzischen Neuwied. Das Unternehmen erhielt Anfang der Woche als erster Hersteller einen Subventionsbescheid im Volumen von 3,2 Millionen Euro. Eigentlich stellt Skylotec Klettergurte und Absturzsicherungen her, hat sich jedoch entschieden, rund zehn Millionen Euro in eine
Herstellungslinie für Masken zu investieren.
Skylotec will in Neuwied künftig 500 Millionen FFP-Masken pro Jahr herstellen. Dank automatisch laufender Maschinen und hoher Qualität seien die Produkte auch gegenüber Masken aus Fernost konkurrenzfähig, betonte Skylotec-Geschäftsführer Kai Rinklake. „Wir wollen die Abhängigkeit von Importen langfristig senken“, sagte Altmaier am Montag bei Übergabe des Förderbescheids. „Das funktioniert nur, wenn wir wettbewerbsfähig sind.“
Im März war aufgrund des akuten Mangels riesiges Interesse an dem Thema Masken ausgebrochen. Auch Bekleidungshersteller wie das Familienunternehmen Mey aus Albstadt oder Trigema aus Burladingen hatten zu dieser Zeit einen Teil ihrer Produktion auf Alltagsmasken umgestellt. Die Produkte von Mey standen anfangs ausschließlich zum Direktvertrieb an Kliniken und medizinische Betriebe zur Verfügung – so groß war die Not. Heute bietet Mey die Masken mit verschiedenen Farben und Mustern für jeden auf seiner Webseite an.
Trigema in Burladingen lieferte bis Juni 2,3 Millionen Masken aus.
„Doch die Massenproduktion eines solchen Artikels am Standort Deutschland ist nicht der Normalzustand“, glaubt Trigema-Chef Wolfgang Grupp. Solche Aufträge kommen nur herein, wenn es im Ausland Lieferprobleme gibt – wie in der ersten Phase der Pandemie. Grupp war froh, die unausgelastete Produktion für die Herstellung der Masken nutzen zu können. Seit Juli hat sich das Geschäft jedoch in jeder Hinsicht normalisiert. Die Maske ist zu einem Artikel unter vielen geworden – inzwischen gibt es sie in verschiedenen Farben oder in der Großbestellung mit Firmenlogo. Der Absatz hat sich bei einem Bruchteil des Niveaus vom Frühjahr eingependelt.
Bei der Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums geht es jedoch nicht um diese Alltagsmasken, sondern um medizinisches Gerät mit hoher Filterleistung. Der erste Schritt dazu war der Aufbau der Produktion der Filterstoffe.
Das Ministerium hat dafür 40 Millionen Euro an 46 Unternehmen verteilt. Sie sollen künftig genug Vlies für fünf Milliarden Masken pro Jahr bereitstellen.
Im zweiten Schritt geht es nun um die Herstellung der Masken selbst – das übernehmen Firmen wie Skylotec. Diese mussten in die passenden Maschinen investieren. Dafür stehen 60 Millionen Euro an Fördermitteln zur Verfügung. Daraus finanziert das Ministerium die Hälfte der Kosten für die neuen Geräte. Das Ziel: Zusätzliche Produktionskapazitäten für die Herstellung von sieben Milliarden Masken im Jahr zu schaffen.
Das Ministerium ist überzeugt, dass auf diese Weise eine selbsttragende, wettbewerbsfähige Maskenindustrie in Deutschland entsteht. Experten bezweifeln jedoch, dass die Anbieter preislich mit der Konkurrenz aus Fernost mithalten können. „Es könnte durchaus mehr Maskenproduktion in Deutschland und der EU stattfinden“, sagt Sebastian Dullien, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf. Doch seien die einheimischen Anbieter im Vergleich zur asiatischen Konkurrenz kaum wettbewerbsfähig.
Die Fabriken in Asien stützen nicht nur die gigantischen Märkte vor Ort, sondern liefern auch rund um den Globus aus. Sie stellen damit um Größenordnungen höhere Stückzahlen her als europäische Anbieter. Deshalb kommen auch Elektronik und Solarzellen aus Fernost, obwohl eine Produktion in Deutschland grundsätzlich möglich wäre. „Der Preisdruck hat inzwischen wieder enorm zugenommen“, beobachtet der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie. Chinesische Hersteller bieten professionelle Masken schon wieder für wenige Cent pro Stück an. „Eine international wettbewerbsfähige Produktion wird zu solchen Preisen in Deutschland auf Dauer nicht möglich sein.“Es sei daher weitere Förderung nötig.
Die Regierungen von Bund und Ländern könnten die geringere Wettbewerbsfähigkeit jedoch durch langfristige Abnahmeverträge ausgleichen, sagt Dullien. Die größere Versorgungssicherheit koste die Allgemeinheit zwar mehr Geld, doch die Ausgaben können sich im Hinblick auf den Krisenfall durchaus lohnen. Altmaier betonte am Montag zwar mehrfach das Ziel echter Wettbewerbsfähigkeit, doch er verwies auch auf den hohen Bedarf staatlicher Stellen nach Masken, der sich durchaus in Deutschland decken ließe. Durch den Aufbau der eigenen Produktion sei Deutschland auf jeden Fall für die nächste Krise gewappnet.