Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Schreiben mit langem Atem
Der Riedlinger Georg Ludy hat sich als ein deutschlandweit bekannter Drehbuchautor etabliert
RIEDLINGEN - Stadt seiner Geburt, Ort der Fantasie: Ohne Riedlingen wäre der Drehbuchautor Georg Ludy vielleicht nicht das, was er geworden ist. Er sitzt mit weißem Rollkragenpullover und dunklem Jacket in seinem Licht durchfluteten Atelier auf einem Ledersofa und erzählt von seinen Filmprojekten in ganz Deutschland. Wenn er sich inspiriert fühlt, sitzt er hier an seinem Computer, und formuliert seine Texte, aus denen Drehbücher und Exposés entstehen. „Ich beobachte das Leben hier in Riedlingen gar nicht so“, meint er. „Aber eine Sache beeinflusst einen: Wo kommst Du her?“
Georg Ludy, Jahrgang 1964, hat sich als gefragter Drehbuchautor in Deutschland etabliert: Produzenten, Redakteure und Regisseure im Dunstkreis der großen deutschen Fernsehanstalten arbeiten bereits seit vielen Jahren eng mit ihm zusammen. Aus seiner Feder stammen einige Geschichten, die in bekannten TV-Formaten bei ARD und ZDF ausgestrahlt werden und abendlich Millionen Zuschauer erreichen: sei es eine Vorlage für den ARD LissabonKrimi
„Alte Rechnungen“aus dem Jahr 2017, oder auch das Drehbuch für Wilsberg „Mörderische Rendite“aus dem gleichen Jahr. Auch die Folge „Tod im Callcenter“in der Reihe „Ein Fall für Zwei“im Zweiten basiert auf einem Drehbuch, das Georg Ludy verfasst hat. Insgesamt sind zehn Filme produziert worden, deren Bücher Ludy geschrieben hat.
Aber er verdiente bereits mit Dutzenden Entwürfen für Storys Geld – und hat sich so einen Namen bei Produzenten und Filmemachern gemacht. „Der „Fall für Zwei“im Jahr 2011 war schon so etwas wie eine Zäsur für mich. Die Produktionsfirma Odeon war die erste, die mir ein TVProjekt anvertraute“, meint Ludy. Eine solche Referenz öffne Türen für weitere Projekte, die in der Regel – von der ersten Idee bis zum fertigen Film – drei, vier Jahre dauern. Im September wurden nun die Dreharbeiten für den Friesland-Krimi „Der große Waal“beendet. „Bei diesem Team vor und hinter der Kamera stimmt einfach alles – Produktion und Redaktion auch.“Zugleich schreibt Ludy am Buch für einen „New Future“Film, der im Herbst 2021 gedreht und einen Sendeplatz beim Filmmittwoch in der ARD erhalten wird.
„Ich bin eher ein Drama-Komödien-Mensch. Das Prinzip des Black Comedy Drama. Mich hat immer fasziniert und inspiriert, wie in den USA für Filme geschrieben wird. Ich liebe beispielsweise Filme der Coen Brothers.“Sein liebstes Drehbuch, das er bereits im Jahr 2000 zu Papier brachte, das aber erst 2014 verfilmt wurde, ist „Storno – todsicher versichert“: eine schwarze Komödie. „Das war mein wichtigster Film“, sagt Ludy, „weil er der Start in die Welt des 90-Minüter war.“
In all den Jahren hat Georg Ludy etwas Universelles entdeckt, das den
Charakter guter Erzählungen ausmacht: „Überall gibt es Menschen, die auf der Suche nach dem Glück sind. Nicht immer gelingt das und es kommt gelegentlich zu absurden Situationen.“Mentalitäten prägten Menschen, die mehr oder weniger Vorstellungen hätten, wie das Leben zu funktionieren habe. Und als gebürtiger Schwabe erkenne er oftmals die Diskrepanzen zwischen dem, was Menschen nach außen zeigten und was dahinter stecke. In fast jeder Tragödie stecke irgendwo auch eine Komödie.
Denn hier, in seinem Wohnort Herbertingen und auch in Riedlingen, könne Georg Ludy gewisse Lebensdramen in der Realität besser erkennen als im anonymen Anderswo. Deshalb ist ihm auch seine Herkunft wichtig. Obgleich er inzwischen den Großteil seiner Zeit in Köln, Berlin, Hamburg, München und seinem Wohnort Herbertingen verbringt, fallen ihm spontan zwei prägende Kindheitserlebnisse ein, die er mit Riedlingen verbindet: „Ich habe schon mit sieben Jahren angefangen, DIN A5 Schulhefte mit Geschichten vollzuschreiben.“30 Romane habe er in seiner Kindheit und Jugend verfasst, mitunter mit bis zu 600 Seiten. „Ich wollte Schriftsteller werden, aber ich wusste gar nicht wie man das wird.“
Das andere Kindheitsereignis im Jahr 1969: „Im Lichtspielhaus habe ich den ersten Film meines Lebens gesehen“, erzählt Ludy. Ob es Winnetou oder der Film „Ein toller Käfer“war, vermag er nicht ganz genau zu sagen. Auf jeden Fall erinnert er sich an den Original-VW-Käfer, der vor dem Riedlinger Kino stand und als Hauptdarsteller in der Komödie ein Eigenleben entwickelt. „Das war wohl damals eine Werbeaktion.“Aber sie war für den kleinen Georg einprägsam – für den erwachsenen
Georg ist die Erinnerung möglicherweise ein Symbol dafür, wie sich Schriftstellerei mit der Welt des Kinos verbinden lässt.
Nach dem 16. Lebensjahr verblasste die Freude am Schreiben etwas, 1984 legte Georg das Abitur am Kreisgymnasium ab. Er entschied sich für eine finanzwissenschaftliche Ausbildung an der Fachhochschule und dem Finanzamt in Esslingen. Glücklicher machte ihn das nicht. Dann beginnt er noch ein Lehramtsstudium. In dieser Zeit interessierte er sich wieder mehr für Literatur und Schriftstellerei. An einem Tag des Jahres 1996 besuchte er die neueröffnete Filmakademie in Ludwigsburg. „Ich habe mir am Anfang erst einmal ein Lehrbuch über Drehbuchschreiben in der Bücherei ausgeliehen, weil ich gar nichts darüber wusste.“Das überzeugte ihn – und er wagte den Quereinstieg als Drehbuchautor, belegte amerikanische Drehbuch-Seminare und begann zu schreiben. „Man braucht den langen Atem, wenn man noch keine Kontakte hat“, sagt Ludy. Man müsse sich ein Netzwerk von Kontakten in der Filmbranche knüpfen: mit Produzenten kooperieren, Ideen entwickeln und Exposés verteilen, Filmfestivals besuchen und die wichtigen Köpfe des Metiers kennenlernen. Zehn Jahre habe es gebraucht, um sich als Freiberufler mit Drehbuchverträgen auch ein sicheres Einkommen zu sichern.
Jetzt, da er tief in seinem Metier verwurzelt ist, sucht er auch nach neuen Formaten und Möglichkeiten: Ein Genre ist die horizontale FernsehSerie, die wieder große Popularität erfährt. Das sind Erzählungen, die sich über mehrere Folgen erstrecken. „Ich habe Konzepte für manch coole Serie ausgearbeitet: Eine hat einen Produzenten in Luxemburg gefunden, eine andere warnerbros itvp. Mal sehen, ob wir sie auch zum Leben erwecken können.“