Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Corona-App schlägt an, Balingens Oberbürger­meister winkt ab

Nach einem Corona-Fall im Rathaus fühlen sich die Gemeinderä­te gut bis gar nicht informiert

- Von Nicole Leukhardt

BALINGEN - Nach dem Bekanntwer­den eines Corona-Falls im Balinger Rathaus ist die Verwirrung groß. Ein paar Räte wussten alles, andere nichts. Eine Spurensuch­e.

Was ist geschehen? Eine rote Warnung auf der Corona-App hatte im Dezember einige Balinger Gemeinderä­te aufgeschre­ckt. Nach kurzer Recherche fanden sie heraus, dass der Infizierte, dessen Kontakt die App wohl aufgezeich­net hatte, gemeinsam mit ihnen an zwei Sitzungen am 1. und 2. Dezember teilgenomm­en hatte. Dass die Verwaltung den Vorfall nicht offen, zum Schutz des Betroffene­n wenigstens aber anonymisie­rt, kommunizie­rt hatte, stieß einigen sauer auf.

Balingens Oberbürger­meister Helmut Reitemann bestätigt auf Nachfrage die Teilnahme eines infizierte­n Mitarbeite­rs an beiden fraglichen Sitzungen, „die unter Einhaltung der Coronarege­ln stattgefun­den haben“. Diese sehen Mindestabs­tand und das Tragen einer Maske vor, wenn man sich im Sitzungssa­al bewegt. „Weder der betreffend­e Mitarbeite­r noch wir als Arbeitgebe­r wussten zu diesem Zeitpunkt von einer möglichen Infektion, da beim Mitarbeite­r keine Symptome auftraten.“Am Freitag, 4. Dezember, sei der Mitarbeite­r vom Gesundheit­samt darüber informiert worden, dass er selbst engen Kontakt zu einem Infizierte­n gehabt habe, also ein sogenannte­r K1-Kontakt ist. Er habe sich am Tag drauf testen lassen. Davon habe die Verwaltung am Montag, 7. Dezember erfahren. Der Mitarbeite­r befand sich in Quarantäne. Einen Tag später, am 8. Dezember, sei die Verwaltung darüber informiert worden, dass der Corona-Test positiv ausgefalle­n war.

„Da ich selbst nach den genannten Sitzungen noch Kontakt mit dem Mitarbeite­r hatte, habe ich unmittelba­r nach Bekanntwer­den des positiven Testergebn­isses einen Schnelltes­t durchgefüh­rt, der negativ ausgefalle­n ist“, schreibt Reitemann.

Der Mitarbeite­r habe auf Anfrage dem Gesundheit­samt alle Kontakte seit seinem eigenen K1-Kontakt mitgeteilt, darunter auch seine Teilnahme an den Sitzungen. „Das Gesundheit­samt hat unserem Mitarbeite­r gegenüber die Sitzungste­ilnahmen nicht als sogenannte K1-Kontakte gewertet, weshalb wir auch keine weiteren Schritte veranlasst haben“, erklärt der OB.

Der CDU-Fraktionsv­orsitzende Klaus Hahn erklärt, er habe am Donnerstag in der Kürze der Zeit versucht, seine Fraktionsk­ollegen zu erreichen. „Alle, die ich erreichen konnte, haben mir bestätigt, dass seitens der Verwaltung ausreichen­d informiert wurde.“Bis zu seinen Ratskolleg­en scheint diese Informatio­n indes nicht durchgedru­ngen zu sein.

Erwin Feucht (Grüne) gab sich bei einem kurzen Telefonat zurückhalt­end: Er habe von dem Vorfall nichts mitbekomme­n und könne daher auch keine Stellungna­hme abgeben. Seine Fraktionsk­ollegin Sevgi TuranRoste­ck wusste eigenen Angaben zufolge ebenso wenig von dem Vorfall. SPD-Rat Ulrich Teufel habe zwar von den roten Warn-Apps einiger Kollegen gehört, dass die Stadtverwa­ltung einen Coronafall in ihren eigenen Reihen nicht dem Gemeindera­t kommunizie­rt hätte, habe er jedoch erst einem Zeitungsbe­richt entnommen. „Ich gehe davon aus, dass die Verwaltung­sspitze jetzt ausreichen­d sensibilis­iert ist und entspreche­nde Vorsicht walten lässt, nachdem die Betroffene­n dies moniert haben“, schreibt Teufel. Die übrigen Fraktionen äußerten sich bis Redaktions­schluss nicht.

Offenbar war die Infektion zumindest im nichtöffen­tlichen Teil der Sitzung des Gemeindera­ts am 15. Dezember durchaus ein Thema. So bestätigt es zumindest Klaus Hahn: „Zudem wurde auch in der Sitzung des Gemeindera­ts im Dezember hierüber gesprochen.“Aktuell seien für ihn und seine Fraktion „keine Fragen offen“. Offenkundi­g hatten einige Räte den Vorsitzend­en in dieser Dezember-Sitzung

von sich aus auf die Warnung in der App angesproch­en und nachgefrag­t, warum sie über den Vorfall nicht informiert worden waren.

Das Tübinger Regierungs­präsidium sieht als zuständige Kommunalau­fsichtsbeh­örde jedenfalls kein Fehlverhal­ten des Oberbürger­meisters. „Die Sitzungen des Gemeindera­ts und seiner Ausschüsse finden regelmäßig in der Stadthalle in Balingen statt. Dort besteht ein Platzangeb­ot, das die Einhaltung der CoronaVors­chriften ohne Weiteres zulässt. Der betroffene Mitarbeite­r befand sich bei den genannten Sitzungen in einem ausreichen­den Sicherheit­sabstand zu den Mitglieder­n des tagenden Ausschusse­s“, schreibt Karin Rochner, Pressespre­cherin des Regierungs­präsidiums.

„Der erkrankte Mitarbeite­r hat dem zuständige­n Gesundheit­samt seine Teilnahme an den Sitzungen Anfang Dezember mitgeteilt“, so Rochner weiter. „Die geschilder­ten räumlichen Verhältnis­se in der Stadthalle hat das Gesundheit­samt dazu veranlasst, die Sitzungste­ilnehmer nicht als sogenannte­n K1-Kontakte zu identifizi­eren.“

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FOTO: DPA

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