Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Laschet ruft zur Geschlossenheit auf
Neuer CDU-Chef möchte Merz einbinden – Spekulationen über Söders Kanzlerkandidatur
BERLIN/STUTTGART/MÜNCHEN Nach der Wahl von Armin Laschet zu ihrem neuen Vorsitzenden ringt die CDU mit Blick auf das Superwahljahr 2021 um Geschlossenheit. „Alle werden gegen uns sein, SPD, Grüne und Linke“, sagte er und verwies auch noch auf die FDP. Von der anderen Seite komme aggressiv die AfD. „Deshalb müssen wir uns jetzt gegen alle die zusammentun.“Hierbei setzt Laschet auch auf den am Samstag knapp unterlegenen Friedrich Merz. Er wünsche sich grundsätzlich, dass Merz „im Team bleibt“.
Während sich jedoch der dritte Mitbewerber Norbert Röttgen ins CDU-Präsidium wählen ließ, sorgte Merz für Unruhe: Er bot Laschet überraschend an, in die jetzige Bundesregierung einzutreten und das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) zu übernehmen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wies dies zurück. Führende Unionspolitiker riefen dennoch dazu auf, nicht auf Merz, der im Südwesten viele Unterstützer hat, zu verzichten.
Glückwünsche für Laschet kamen indes auch aus Baden-Württemberg, etwa von Innenminister Thomas Strobl, der als CDU-Parteivize bestätigt wurde. „Das ist eine historische
Entscheidung eines historischen Parteitags“, sagte Strobl. Erfolg werde man „nur geschlossen, gemeinsam und als Mannschaft“haben. Dies gelte auch für die Landtagswahlen in acht Wochen. Susanne Eisenmann, die CDU-Spitzenkandidatin, lobte Laschets „starke und emotionale Rede“. Sie forderte: „Jetzt gilt, dass wir uns alle hinter unserem neuen Vorsitzenden versammeln.“
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident war zuvor zum Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer gewählt worden. Beim digitalen Bundesparteitag setzte sich der 59-Jährige gegen Ex-Unionsfraktionschef Merz mit 521 gegen 466 Stimmen durch. Röttgen war schon im ersten Wahlgang ausgeschieden.
Offen bleibt, wer die Union als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl im Herbst führen wird: Laschet oder CSU-Chef Markus Söder. Bayerns Ministerpräsident sagte am Sonntag der „FAZ“, dass darüber auf Grundlage eines gemeinsamen Vorschlags von ihm und Laschet entschieden werde – „zum optimalen Zeitpunkt“. Wann dies ist, ließ er offen. Zu den Auswahlkriterien sagte Söder: „Es wäre ungewöhnlich, wenn wir den mit den schlechtesten Chancen nehmen.“In Umfragen liegt der CSU-Chef bislang weit vor Laschet.
- Es dauert nicht allzu lange, bis Friedrich Merz nach der verlorenen Stichwahl im Rennen um den CDU-Vorsitz wieder von sich reden macht. „Dem neuen Parteivorsitzenden Armin Laschet habe ich aber angeboten, in die jetzige Bundesregierung einzutreten und das Bundeswirtschaftsministerium zu übernehmen“, schreibt der 65-Jährige im Kurznachrichtendienst Twitter. „Zugunsten der Frauen“habe er sich nicht für das Präsidium der CDU beworben. Dass Laschet überhaupt nicht derjenige ist, der derzeit über Kabinettsposten zu entscheiden hat, macht die prompte Reaktion aus dem Kanzleramt klar. „Die Bundesregierung plane keine Kabinettsumbildung“, hieß es.
„Ich hätte mich gefreut, wenn Merz in das Präsidium gekommen wäre. Eine Entscheidung, ins Wirtschaftsministerium zu gehen, steht heute nicht an“, sagt Laschet später in der ZDF-Sendung „Was nun?“. Er habe Merz ein Gesprächsangebot gemacht, um gemeinsam zu überlegen, „wie sein Beitrag für unsere Partei aussehen kann“– mehr aber auch nicht. Doch die verwirrende MerzBotschaft, die so viel Aufmerksamkeit erfährt, zeigt wie dünn das Eis für den neuen Vorsitzenden von Anfang an ist.
Sein Sieg war knapp. 52,78 Prozent der 991 abgegebenen Stimmen gingen an den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten, für Merz entschieden sich in der Stichwahl immerhin noch 47,21 Prozent der Delegierten. Norbert Röttgen hatte, nachdem er im ersten Wahlgang nur auf Platz drei kam mit 224 Stimmen, das Feld geräumt – und somit dem Erfolg Laschets, der beim ersten Durchgang mit 380 Stimmen noch auf Platz zwei lag, den Weg geebnet. Für Merz hatten in dieser Runde 385 Delegierte gestimmt.
Auch mit dieser Personalfrage wird Laschet am Tage seines Erfolgs immer wieder konfrontiert: Wird er als neuer CDU-Vorsitzender auch den Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erheben? Wird er dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder den Vortritt lassen, wenn seine eigenen Umfragewerte in dieser Frage bis zum April nicht besser werden sollten? Laschet bleibt die Antwort darauf an diesem Samstag schuldig. Zuerst werde es Gespräche mit der CSU geben, betont er ein ums andere Mal. Er wolle ein faires Verfahren. „Dabei bleibe ich“, sagt der 59-Jährige und verweist darauf, dass in Zeiten der Corona-Pandemie die Krisenbekämpfung Priorität vor Unionspersonalien haben müsse.
Aber trotz bohrender Fragen, Merz-Querschüssen und einer weitgehend menschenleeren Messehalle in Berlin: Es war Laschets großer Tag, und er hielt „die Rede seines Lebens“, wie es der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther formulierte. Er erzählte von seinem Vater, der als Bergmann gearbeitet habe und ihm den Wert des Vertrauens mit auf den Weg gegeben habe. Das Vertrauen der Wähler müsse sich auch die CDU erarbeiten, das werde nicht geschenkt und nach dem Rückzug von Angela Merkel auch nicht vererbt, sagt er. „Dafür reichen nicht markige Worte und nicht schöne Worte“– ein kleiner Seitenhieb auf seine Mitbewerber. Zugleich unterstrich er aber, dass er sich nicht als „CEO“der Partei verstehe, sondern als „Mannschaftskapitän, auf den sich alle verlassen können“. Zum Schluss trat Laschet neben das Rednerpult und zeigte die
Bergmannsmarke, die ihm sein Vater als Glücksbringer mit auf den Weg nach Berlin gegeben habe. Ein emotionaler Moment, der selbst via digitaler Übertragung verfängt.
Doch der große Applaus, mit dem Laschet an dieser Stelle bei einem normalen Parteitag hätte rechnen können, blieb aus. Die 1001 Delegierten saßen ja zu Hause vor ihren Bildschirmen. Ihre einzige Möglichkeit, sich in Corona-Zeiten auszutauschen und abzustimmen über ihren Eindruck von den Kandidaten waren Telefon, SMS oder E-Mail. Der Vorteil der unpersönlichen Begegnung, die mit dem Digitalen verbunden ist:
Der Parteitag ging ruckzuck über die leere Bühne. Bereits um 11.30 Uhr stand fest, wer der neue Vorsitzende ist. Und wenig später gingen via persönlicher Statements oder TwitterNachrichten die Glückwünsche an Laschet ein.
„Armin und ich werden, da bin ich ganz sicher, für alle weiteren Fragen, die mal anstehen, eine gemeinsame, kluge und geschlossene Lösung finden“, sagt Markus Söder am Nachmittag in Nürnberg und gratuliert dem neuen CDU-Chef freundlich. Bei dieser Linie blieb der CSUChef auch später am Abend im ZDF, als auch er mit der Frage nach dem geeigneten Kanzlerkandidaten der Union konfrontiert wurde. Offensichtlich sind die Parteispitzen der Union fest entschlossen, bis nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zu warten, bis sie eine Antwort auf die K-Frage präsentieren. Doch der Druck von außen, sich früher zu erklären, dürfte zunehmen.
Offen ist, ob sich Gesundheitsminister Jens Spahn, der sich vor einem Jahr zum Team Laschet bekannt hat, noch Chancen ausrechnet, an dem neuen CDU-Vorsitzenden vorbeiziehen zu können. Bei dem digitalen Parteitag wurde der 40-Jährige, der sich über Monate in der Corona-Pandemie als Krisenmanager profilieren konnte, jedenfalls abgestraft. Er wurde mit dem schlechtesten Ergebnis zu einem der fünf stellvertretenden Vorsitzenden gewählt – 589 Delegierte stimmten für ihn, auf den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier fielen dagegen 806 Stimmen, auf den baden-württembergischen CDU-Chef Thomas Strobl immerhin 670. Die beiden weiblichen Parteivize, Julia Klöckner und Silvia Breher, kamen auf 787 und 777 Stimmen. Spahn hatte sich zuvor in der Fragerunde mit den drei Bewerbern zu Wort gemeldet, aber keine Frage gestellt, sondern eine Werbeansprache für Laschet gehalten.
„Ich werde weiter für unsere CDU arbeiten und unterstütze den neuen Vorsitzenden mit aller Kraft. Der interne Wettbewerb ist zu Ende.“Das kündigte der Dritte im Rennen um den Vorsitz, der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen, nach seiner Niederlage im ersten Wahlgang auf Twitter an. Dass er sich direkt um einen Platz im Präsidium der CDU bewarb, kam bei den CDUMitgliedern offensichtlich gut an.
Genau 764 Delegierte unterstützten Röttgens Bewerbung, ein guter Mittelwert zwischen 835 Stimmen für den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und den 514 Stimmen für Annette Widmann-Mauz. In ihrer Funktion als Vorsitzende der Frauen-Union hatte sich die Tübinger Bundestagsabgeordnete und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung für die Wahl von Armin Laschet oder Norbert Röttgen ausgesprochen – dies allerdings ohne die CDU-Frauen vorher befragt zu haben.