Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Bergwacht mahnt zur Vorsicht auf dem Schlitten
Allein zehn Einsätze seit Weihnachten – Rettung für Wanderer und Biker in Not
ZOLLERNALBKREIS - Von Rodlern, die sich überschätzen, bis hin zu Wanderern mit falschem Schuhwerk: Die DRK-Bergwacht Zollernalb ist in diesen Tagen im Dauereinsatz.
Bergwacht-Chef Edwin Blessing ist kein Mann des erhobenen Zeigefingers. „Die Leute sollen raus“, sagt er. „Niemand will gerne eingesperrt sein.“Dass die Albstädter Traufgänge an manchen Tagen regelrecht von Ausflüglern aus dem Tübinger, Reutlinger, Esslinger oder Stuttgarter Raum belagert sind – für Blessing durchaus nachvollziehbar. „Wenn jemand in der Stadt wohnt, mit Kindern, und dann der erste Schnee fällt, dann will man einfach raus aufs Land.“Und an sich, findet Blessing, wäre das auch völlig in Ordnung – jedenfalls, so lange die Leute Abstand halten.
Ein kleines Problem gibt es aber doch: Weil es coronabedingt keinen Skibetrieb gibt, greifen viele zum Schlitten. „Und da“, sagt Blessing, „muss man sich schon klar machen, dass man unter Umständen jahrelang nicht mehr draufgesessen hat und vielleicht gar nicht mehr so beweglich ist.“Denn ansonsten endet die rasante Fahrt schnell an einem Baum – wie vor einer Woche unterhalb des Lochens. Aber auch Wanderer seien gut beraten, insbesondere auf gutes Schuhwerk zu achten, mahnt Blessing. Seine einfache Regel, die man sich hinter die Ohren schreiben möge: „Es ist halt Winter.“Traufgang-Wanderer in sommerlichen Turnschuhen sieht Blessing dieser Tage deshalb gar nicht gerne – denn die Wege sind glatt, und die Abhänge am Albtrauf steil. Häufig sei es der Leichtsinn, der Übermut, der dazu führe, dass die Bergretter ran müssen, sagt Blessing.
Und dies unter erschwerten Corona-Bedingungen: „Bereits im März haben wir unsere Einsatztaktik geändert“, sagt Blessing. Die Maske – für die Retter ist sie obligatorisch, dazu Brille und Schutzhandschuhe. „Wir haben außerdem eine Plastikschutzhülle
dabei.“Damit, so Blessing, könnten sie eine Art mobile Isolierstation errichten, bestehe bei einem Patienten akuter Coronaverdacht. „Und wir müssen natürlich außerdem die Desinfektion organisieren.“
Auch dürften die zahlreichen Einsätze der Bergwacht nicht im Sinne der Väter und Mütter der CoronaVerordnung sein: Denn neben der Kontaktvermeidung hatten sie sich vom eingestellten Liftbetrieb auch eine Entlastung für die Klinken – also weniger Einlieferungen verunfallter Patienten – versprochen. Tatsächlich dürften sich die Einsatzzahlen aber kaum von denen in den Vorjahren unterscheiden, wenn nicht sogar steigen, schätzt Blessing. Um die 30mal rücken sie üblicherweise pro Jahr aus, allein seit Weihnachten zählt die DRK-Bergwacht Zollernalb mehr als zehn Einsätze. Darunter: verunglückte Rodler, Wanderer, Langläufer – und ein Fotograf, der für ein Foto „von der schönsten Region der Welt“, wie die Bergwacht in ihrem Bericht schreibt, auf einen Baum geklettert war – der dem Mann nicht standhielt.
„Was wir auf jeden Fall wahrnehmen, ist die gehäufte Anzahl von Rodelunfällen“, sagt Blessing. Aber auch bereits im Sommer habe die Pandemie Auswirkungen auf die Einsätze der Bergretter gehabt: Als viele das Fahrrad für sich entdeckten, habe die Bergwacht immer wieder verunglückte Radler retten müssen, vermehrt auch E-Biker.
Wenn etwas passiert, stehen die Retter der Bergwacht parat. Mit ihrem Schneemobil, dem „Skidoo“, bringen sie häufig Notärzte zu Verunglückten an schwer erreichbaren Stellen und transportieren die Patienten ab, übergeben sie an Rettungswagen oder Hubschrauber. Letztere hätten teils lange Strecken zu fliegen, immer dann, wenn eine Maschine mit einer Winde benötigt würde, sagt Blessing. Insofern verwundert es nicht, dass die Bergwacht die Bemühungen von Landrat Günther-Martin Pauli, Kreisbrandmeister Stefan Hermann und dem DRK-Vorsitzenden Heiko Lebherz unterstützt
– sie kämpfen bekanntermaßen für einen eigenen Rettungshubschrauber in der Region.
Bereits sicher ist, dass die DRKBergwacht im Zollernalbkreis eine eigene Wache bekommt – auf Langenwand. Denn die derzeitigen Bedingungen sind für die ehrenamtlichen Retter alles andere als optimal: Sie sind Mieter einer Halle in Tailfingen, die sie sich unter anderem mit einem Malerbetrieb teilen. „Dort können wir nicht mal unsere Seile richtig trocknen, Helfer müssen sie nach Einsätzen mit nach Hause nehmen“, klagt Blessing. Auch eine Heizung fehle, genauso wie das Einsatzfahrzeug nicht ordentlich gereinigt werden könne.