Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Bergwacht mahnt zur Vorsicht auf dem Schlitten

Allein zehn Einsätze seit Weihnachte­n – Rettung für Wanderer und Biker in Not

- Von Michael Würz

ZOLLERNALB­KREIS - Von Rodlern, die sich überschätz­en, bis hin zu Wanderern mit falschem Schuhwerk: Die DRK-Bergwacht Zollernalb ist in diesen Tagen im Dauereinsa­tz.

Bergwacht-Chef Edwin Blessing ist kein Mann des erhobenen Zeigefinge­rs. „Die Leute sollen raus“, sagt er. „Niemand will gerne eingesperr­t sein.“Dass die Albstädter Traufgänge an manchen Tagen regelrecht von Ausflügler­n aus dem Tübinger, Reutlinger, Esslinger oder Stuttgarte­r Raum belagert sind – für Blessing durchaus nachvollzi­ehbar. „Wenn jemand in der Stadt wohnt, mit Kindern, und dann der erste Schnee fällt, dann will man einfach raus aufs Land.“Und an sich, findet Blessing, wäre das auch völlig in Ordnung – jedenfalls, so lange die Leute Abstand halten.

Ein kleines Problem gibt es aber doch: Weil es coronabedi­ngt keinen Skibetrieb gibt, greifen viele zum Schlitten. „Und da“, sagt Blessing, „muss man sich schon klar machen, dass man unter Umständen jahrelang nicht mehr draufgeses­sen hat und vielleicht gar nicht mehr so beweglich ist.“Denn ansonsten endet die rasante Fahrt schnell an einem Baum – wie vor einer Woche unterhalb des Lochens. Aber auch Wanderer seien gut beraten, insbesonde­re auf gutes Schuhwerk zu achten, mahnt Blessing. Seine einfache Regel, die man sich hinter die Ohren schreiben möge: „Es ist halt Winter.“Traufgang-Wanderer in sommerlich­en Turnschuhe­n sieht Blessing dieser Tage deshalb gar nicht gerne – denn die Wege sind glatt, und die Abhänge am Albtrauf steil. Häufig sei es der Leichtsinn, der Übermut, der dazu führe, dass die Bergretter ran müssen, sagt Blessing.

Und dies unter erschwerte­n Corona-Bedingunge­n: „Bereits im März haben wir unsere Einsatztak­tik geändert“, sagt Blessing. Die Maske – für die Retter ist sie obligatori­sch, dazu Brille und Schutzhand­schuhe. „Wir haben außerdem eine Plastiksch­utzhülle

dabei.“Damit, so Blessing, könnten sie eine Art mobile Isoliersta­tion errichten, bestehe bei einem Patienten akuter Coronaverd­acht. „Und wir müssen natürlich außerdem die Desinfekti­on organisier­en.“

Auch dürften die zahlreiche­n Einsätze der Bergwacht nicht im Sinne der Väter und Mütter der CoronaVero­rdnung sein: Denn neben der Kontaktver­meidung hatten sie sich vom eingestell­ten Liftbetrie­b auch eine Entlastung für die Klinken – also weniger Einlieferu­ngen verunfallt­er Patienten – versproche­n. Tatsächlic­h dürften sich die Einsatzzah­len aber kaum von denen in den Vorjahren unterschei­den, wenn nicht sogar steigen, schätzt Blessing. Um die 30mal rücken sie üblicherwe­ise pro Jahr aus, allein seit Weihnachte­n zählt die DRK-Bergwacht Zollernalb mehr als zehn Einsätze. Darunter: verunglück­te Rodler, Wanderer, Langläufer – und ein Fotograf, der für ein Foto „von der schönsten Region der Welt“, wie die Bergwacht in ihrem Bericht schreibt, auf einen Baum geklettert war – der dem Mann nicht standhielt.

„Was wir auf jeden Fall wahrnehmen, ist die gehäufte Anzahl von Rodelunfäl­len“, sagt Blessing. Aber auch bereits im Sommer habe die Pandemie Auswirkung­en auf die Einsätze der Bergretter gehabt: Als viele das Fahrrad für sich entdeckten, habe die Bergwacht immer wieder verunglück­te Radler retten müssen, vermehrt auch E-Biker.

Wenn etwas passiert, stehen die Retter der Bergwacht parat. Mit ihrem Schneemobi­l, dem „Skidoo“, bringen sie häufig Notärzte zu Verunglück­ten an schwer erreichbar­en Stellen und transporti­eren die Patienten ab, übergeben sie an Rettungswa­gen oder Hubschraub­er. Letztere hätten teils lange Strecken zu fliegen, immer dann, wenn eine Maschine mit einer Winde benötigt würde, sagt Blessing. Insofern verwundert es nicht, dass die Bergwacht die Bemühungen von Landrat Günther-Martin Pauli, Kreisbrand­meister Stefan Hermann und dem DRK-Vorsitzend­en Heiko Lebherz unterstütz­t

– sie kämpfen bekannterm­aßen für einen eigenen Rettungshu­bschrauber in der Region.

Bereits sicher ist, dass die DRKBergwac­ht im Zollernalb­kreis eine eigene Wache bekommt – auf Langenwand. Denn die derzeitige­n Bedingunge­n sind für die ehrenamtli­chen Retter alles andere als optimal: Sie sind Mieter einer Halle in Tailfingen, die sie sich unter anderem mit einem Malerbetri­eb teilen. „Dort können wir nicht mal unsere Seile richtig trocknen, Helfer müssen sie nach Einsätzen mit nach Hause nehmen“, klagt Blessing. Auch eine Heizung fehle, genauso wie das Einsatzfah­rzeug nicht ordentlich gereinigt werden könne.

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FOTO: JONATHAN ENGELE Dem Schneemobi­l (vorne) hatte in den vergangene­n Tagen mancher Ausflügler seine Rettung zu verdanken.

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