Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Spahn betont Fortschritte beim Impfen
60 Prozent der Pflegeheimbewohner sind geimpft – Kreisimpfzentren im Südwesten gehen an den Start
BERLIN/STUTTGART - Hohe Impfquoten in den Pflegeheimen, weniger Corona-Neuinfektionen: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) blickt mit etwas Zuversicht auf die Entwicklung der CoronaPandemie: „Die Zahlen sind ermutigend und gehen in die richtige Richtung“, sagte er am Freitag in Berlin. Gleichwohl seien die beschlossenen Beschränkungen wichtig, auch um eine weitere Verbreitung des mutierten Sars-CoV-2-Virus zu verhindern. Spahn betonte, dass bereits 60 Prozent der Pflegeheimbewohner erstmalig geimpft worden seien.
Auch in den Intensivstationen habe sich die Situation seit Anfang Januar etwas entspannt, sagte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivund Notfallmedizin. Derzeit müssten 4787 Corona-Patienten intensivmedizinisch behandelt werden, rund 1000 weniger als zu Beginn des Jahres. Aber auch er warnte vor allzu schnellen Lockerungen: „Wir müssen verhindern, dass die dritte Welle kommt, bevor wir die zweite weitestgehend bewältigt haben.“
In Baden-Württemberg starteten am Freitag mit einwöchiger Verspätung die 50 Kreisimpfzentren. Allerdings konnten überall weniger Impfdosen verabreicht werden als ursprünglich geplant. Der Impfstoffproduzent Pfizer hatte wegen der Erweiterung seiner Kapazitäten angekündigt, die Lieferungen des CoronaImpfstoffs vorübergehend reduzieren zu müssen. Laut Gesundheitsministerium stehen in den ersten zwei Wochen in jedem Kreisimpfzentrum nur 585 Impfdosen pro Woche für eine Erstimpfung zur Verfügung.
Impfstart in der Region: Videos und Eindrücke auf www.schwaebische.de/kreisimpfzentren
BRÜSSEL - Zum ersten Mal im neuen Jahr haben sich die EU-Spitzen mit der Corona-Lage befasst. Wer klare Entscheidungen erwartet hatte, wurde aber enttäuscht. Eine schriftliche Schlusserklärung gab es nicht. Stattdessen ließ Ratspräsident Charles Michel eine Mitschrift seiner mündlichen Zusammenfassung der Ergebnisse der vierstündigen Videokonferenz per E-Mail an die Presse verschicken. Viel vorzuweisen hat er nicht.
Lage und Maßnahmen:
Die Lage ist ernst, darin immerhin sind sich alle Regierungschefs einig. Wünschenswert wäre, wenn die Mitgliedsstaaten „ähnliche“Maßnahmen ergreifen würden, um das Virus einzudämmen und die mutierten Varianten zu finden. Zurückhaltender kann man Einigkeit kaum einfordern. Zentral sei, die Rückverfolgungskapazitäten zu erhöhen. Nicht nur Deutschland scheitert angesichts der hohen Ansteckungsraten daran, den Ursprung neuer Infektionsherde zu finden.
Grenzen und Reisen:
Die Grenzen „müssen“offen bleiben. Das betonen sowohl der Ratspräsident als auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Keinesfalls will man sich in derselben Situation finden wie zu Beginn der Krise, als der Güterverkehr und die Bewegungsfreiheit von medizinischem Personal so stark behindert wurde, dass es zu Versorgungsengpässen kam. Die Verantwortlichen denken aber darüber nach, wie sie „nicht notwendige“Reisen beschränken können. Ursula von der Leyen regte an, dass Reisende aus dunkelroten Zonen mit besonders hohen Ansteckungsraten zu einem Test und zur Quarantäne verpflichtet werden könnten.
Impfung und Lieferung:
Die Impfungen sollen beschleunigt werden. Diesen Wunsch teilen die Regierungschefs mit einem großen Prozentsatz ihrer Wähler. Wie aber soll er Wirklichkeit werden, ohne politischen Druck auf die Europäische Zulassungsbehörde EMA auszuüben und damit deren Glaubwürdigkeit zu untergraben? Zunächst werden die Pharmafirmen aufgefordert, ihre Zusagen einzuhalten. Bei der Verteilung soll es gerecht zugehen, jedes Mitgliedsland erhält seinen Anteil entsprechend der Bevölkerungsgröße. „Solidarität mit Drittländern“wird betont. Bislang geht der Löwenanteil der produzierten Menge allerdings in die reichen Industrienationen. Die Regierungschefs sagen nicht, wie sie das ändern wollen.
Impfpass und Freiheiten:
Der Impfpass der in Deutschland kontrovers diskutiert wird, bewegt auf europäischer Ebene ebenfalls die Gemüter. Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis hatte vergangene Woche angeregt, Personen mit Impfnachweis Reisefreiheit zu gewähren. Malta und Portugal unterstützen den Vorstoß. Dahinter steckt die Sorge, dass andernfalls eine weitere touristische Saison für diese Länder, die auf Ferienreisende angewiesen sind, ausfallen könnte. Frankreich, wo die Impfungen besonders schleppend anlaufen, ist gegen die Idee. Auch die Weltgesundheitsorganisation hält nichts davon, solange der Nachweis fehlt, dass geimpfte Personen die Krankheit nicht weitertragen können. Von der Leyen glaubt, dass ein Impfpass zu einem späteren Zeitpunkt nützlich sein könnte, wenn allen Europäern ein Impfangebot gemacht werden kann.
Alleingänge und Einreise:
Die Alleingänge halten unterdessen an. Während Deutschland und Frankreich von Reisenden aus Großbritannien ein negatives Testergebnis und eine Quarantäne verlangen, haben Portugal und die Niederlande weiterhin sämtliche Flüge aus dem von der aggressiveren Corona-Mutation befallenen Land gestrichen. Frankreich wird ab Sonntag von allen aus anderen EU-Ländern kommenden Personen, die keinen zwingenden Grund für ihre Reise vorweisen können, einen 72 Stunden vor Abreise durchgeführten PCR-Test verlangen.