Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Friseure sind geteilter Meinung
Der eine will früher öffnen, der andere fordert schnellere Staatshilfen
SIGMARINGEN (sz/hel) - Der harte Lockdown geht in die Verlängerung bis Mitte Februar. Für manchen der Friseur- und Kosmetiksalons, die nach den Schließungen vom Frühjahr 2020 zum zweiten Mal keine Kunden mehr bedienen dürfen, könnte dies das Aus bedeuten. In gemeinsamen Briefen an Ministerpräsident Kretschmann, Sozialminister Lucha und Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut fordern die Handwerkskammer Reutlingen und die fünf Innungen des Friseur-Handwerks aus dem Kammerbezirk deshalb einen Neustart zum 1. Februar, das geht aus einer Pressemitteilung der Handwerkskammer hervor.
Ein Vorstoß, der vom Sigmaringer Friseur Philipp Geuder begrüßt wird. „Das ist super. Je schneller wir wieder öffnen können, umso besser ist es“, sagt Geuder gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“. Er sehe bei dem Vorhaben keine Bedenken, da Friseursalons über gut ausgearbeitete Hygienekonzepte verfügten. Zudem steige die Zahl der CoronavirusInfektionen trotz der geschlossenen Salons. Ob eine fortdauernde Schließung von Kosmetik- und Friseursalons sinnvoll und zielführend sei, um die Ausbreitung der Infektionen tatsächlich einzudämmen, diese Frage stellen auch die Obermeister der Friseurinnungen, heißt es in der Mitteilung der Handwerkskammer.
Auch Friseur Andreas Schmauder zeigt sich der „Schwäbischen Zeitung“gegenüber überzeugt von den Hygienekonzepten der Friseursalons. „Ich persönlich halte rasche finanzielle Hilfen aber für sinnvoller als eine schnelle Wiederöffnung der Friseursalons und damit Gefahr zu laufen, dass es in absehbarer Zeit zu weiteren Schließungen kommt “, so Schmauder, der als stellvertretender Obermeister der Friseurinnung im Kreis Sigmaringen auch im Austausch mit Kollegen steht. „Für mich ist es unbegreiflich, dass viele Kollegen bislang keine Hilfe bekommen haben. Die Lage ist sehr ernst“, sagt der Friseurmeister. In der aktuellen Situation sieht Schmauder aber auch noch ein anderes Problem: Schwarzarbeit. „Wenn ich heute jemanden mit professionell geschnittenen Haaren sehe, muss ich davon ausgehen, dass sich derjenige über die momentan geltende Verordnung hinweggesetzt hat. Dies schadet der Wirtschaft zusätzlich und wirkt der notwendigen Senkung der Inzidenz entgegen“, sagt Schmauder. Um diese Situation zu vermeiden, müssten die finanziellen Hilfen an der entsprechenden Stelle ankommen.
Die finanzielle Misere greifen auch Innungen und Handwerkskammer in ihrem Brief auf: „Die von Bund und Ländern beschlossenen Corona-Maßnahmen haben die Leidensfähigkeit der Friseure und Kosmetiker auf eine harte Probe gestellt. Durch die mehrmaligen
Verlängerungen geraten diese Betriebe und dadurch auch die betroffenen Mitarbeiter und deren Familien zunehmend in existentielle Schwierigkeiten“, fassen Harald Herrmann, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, und der Vizepräsident der Arbeitnehmerseite, Harald Walker, die wirtschaftliche und soziale Lage zusammen. Im Kammerbezirk sind aktuell 1033 Friseur- und 719 Kosmetikbetriebe betroffen.