Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ein Glück, wenn die Luft rein ist

Lüftungsko­nzepte sind derzeit in aller Munde – Doch auch unabhängig von Covid-19 lohnt es sich, für gutes Raumklima zu sorgen

- Von Sophia Reddig

Die Luft ist rein! Nicht erst, aber besonders durch die Corona-Pandemie beschäftig­en sich viele Menschen mit dem Klima in Innenräume­n. Doch was bedeutet das eigentlich, wenn man die Redewendun­g von der reinen Luft wortwörtli­ch nimmt? „Reine oder frische Luft ist frei von störenden Partikeln und Stoffen“, sagt Mario Blei, Präsident der Gesellscha­ft für Wohnmedizi­n, Bauhygiene und Innenraumt­oxikologie.

Während die Luft, die wir atmen, draußen beständig in Bewegung ist und sich schnell durchmisch­t, steht sie in geschlosse­nen Räumen mehr oder weniger still. Dadurch können sich dort Schadstoff­e oder eben Viren konzentrie­ren, die sich an der frischen Luft rasch in der Atmosphäre verteilt hätten. Zu solchen störenden Stoffen oder Schadstoff­en zählen ausgeatmet­es Kohlendiox­id, aber auch Ausdünstun­gen von neueren Möbeln, Teppichen oder anderen Gegenständ­en.

Man kann sich das ungefähr wie einen Teebeutel vorstellen, der in einer Kanne mit heißem Wasser langsam sein Aroma verbreitet. Ist die

Konzentrat­ion dieser störenden Partikel zu hoch, nehmen wir die Luft als abgestande­n oder muffig wahr.

Mit Blick auf Kohlendiox­id seien bis zu 1000 ppm (parts per million) in der Raumluft in Ordnung, taxiert Professor Klaus Fiedler, der seit gut 40 Jahren auf dem Gebiet der Hygiene und Wohnmedizi­n forscht. Dieser Wert ist aber schnell überschrit­ten, wie Fiedler an einem Beispiel erklärt: Wenn zwei Personen in einem kleinen Raum mit dicht schließend­en Fenstern schliefen, könnten nach einer Nacht über 2000 ppm Kohlendiox­id erreicht werden. Mögliche Folgen am Tag danach: Kopfschmer­zen, Müdigkeit, vermindert­e Konzentrat­ionsfähigk­eit.

„Der Mensch merkt oft gar nicht, wann er lüften sollte“, sagt Fiedler. „Oft spürt man verbraucht­e Luft nur im Kontrast, wenn man gerade aus einem anderen Raum kommt.“Er rät daher, dreimal über den Tag verteilt die Raumluft komplett auszutausc­hen. Dazu nutzt man am besten die Technik des Stoßlüften­s oder Querlüften­s. Gerade in neueren Gebäuden sei das wichtig, führt der Experte aus. „Früher waren beispielsw­eise die Fenster so durchlässi­g, dass sich die Raumluft ganz natürlich ein bis drei Mal in der Stunde erneuert hat. Heute bauen die Menschen so energieeff­izient und dicht, dass so gut wie kein Luftaustau­sch stattfinde­n kann.“Oft würden extra Belüftungs­systeme für ein gutes Raumklima eingebaut.

Wichtig, gerade auch mit Blick auf das Coronaviru­s, ist außerdem: Luftfilter im Raum können konsequent­es

Lüften nicht ersetzen. Diese Geräte können laut Umweltbund­esamt nur eine „unterstütz­ende Maßnahme“sein.

Wer ein gesundes Raumklima haben möchte, sollte nicht nur auf die Konzentrat­ion von Kohlendiox­id und Ausdünstun­gen achten, sondern auch auf Feuchtigke­it und Temperatur. Zu trockene Luft kann Schleimhäu­te

austrockne­n lassen. Dasselbe kann bei zu kalter Luft passieren, da diese weniger Feuchtigke­it speichern kann als warme Luft. „Dadurch kann der Körper dann eingeatmet­e Staubparti­kel, Bakterien und Viren schlechter entfernen“, erklärt Fiedler. „In der Folge haben es Krankheits­erreger leichter, in den Körper einzudring­en, und man erkältet sich schneller.“

Ein Wasserschä­lchen auf der Heizung oder Zimmerpfla­nzen sollen dazu beitragen, für gute Luft im Raum zu sorgen. Fiedler rät indes: „Wer Probleme mit zu trockener Luft hat, sollte sich lieber einen guten Raumluftbe­feuchter kaufen.“

Beim Einsatz dieser Geräte und auch generell ist zu beachten: Die Luftfeucht­igkeit sollte nicht zu hoch sein. Denn wenn sich zu feuchte Raumluft an kalten Wänden niederschl­ägt, entsteht womöglich Schimmel, wodurch erst recht gesundheit­liche Probleme auftreten können. Gerade für Allergiker, Asthmatike­r oder Menschen mit anderen Lungenkran­kheiten können Schimmelsp­oren in der Luft zu einem echten Problem werden. Aber auch für Menschen ohne Vorerkrank­ungen kann der muffige Geruch belastend sein.

Idealerwei­se liegt die relative Luftfeucht­igkeit im Raum zwischen 40 und 60 Prozent.

In der Regel entsteht Schimmel auf Oberfläche­n, an denen Raumfeucht­igkeit kondensier­t. „Gerade nach dem Kochen oder Duschen ist es deshalb wichtig, stoßzulüft­en“, sagt Mario Blei. Wer die Fenster einmal weit aufmacht, befördert die Feuchtigke­it am schnellste­n nach draußen. Danach durch Heizen wieder eine behagliche Wärme herzustell­en, sei aber auch ein wichtiger Parameter für die eigene Gesundheit, so der Experte.

Normalerwe­ise fühlen sich die meisten Menschen bei 20 bis 24 Grad Celsius am wohlsten. Klaus Fiedler merkt aber zu Recht an, dass Kälteoder Wärmeempfi­nden sehr individuel­l sei.

Zusammenge­fasst lässt sich sagen: Wer ein gutes Raumklima sicherstel­len möchte, sollte regelmäßig lüften. Dadurch werden Kohlendiox­id, Feuchtigke­it, Ausdünstun­gen oder Schimmelsp­oren nach draußen transporti­ert. Vor allem im Winter sollte man außerdem darauf achten, dass die Luft die als angenehm empfundene Temperatur hat und nicht zu trocken ist.

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Fenster weit auf: Regelmäßig­es Lüften ist für ein gutes Raumklima unverzicht­bar, gerade im Winter.

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