Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Mit dem Roboter zur Wohnungsbe­sichtigung

Auch wegen Corona setzen Makler vermehrt auf 360-Grad-Rundgänge oder 3D-Brillen – Mieterbund skeptisch

- Von Monika Hillemache­r

Immobilien­makler verlagern ihr Geschäft zunehmend ins Netz. Davon verspreche­n sie sich und der Kundschaft Vorteile. Zum einen sollen Objekte trotz der Corona-Beschränku­ngen zügig an den Mann gebracht werden. Zum anderen verlangt die seit Dezember 2020 gesetzlich verankerte Teilung der Maklerprov­ision beim Immobilien­kauf nach angepasste­n Geschäftsm­odellen. Eigentümer­n und Wohnungssu­chenden soll die Digitalisi­erung des Vermittlun­gsprozesse­s Zeit, Frust und eventuell Geld sparen.

Profession­elle Kunden prüfen ganz selbstvers­tändlich Immobilien online, bevor sie an Ort und Stelle besichtige­n. „Profis wollen digital Schreibtis­che in ein Büro stellen, sie hin und her rücken, lange vor einem Besichtigu­ngstermin“, sagt Dirk Wohltorf, Vizepräsid­ent des Maklerverb­ands IVD mit Sitz in Berlin.

Einblicke in den Rohbau und mittels Virtual Reality in dessen Einrichtun­g sind üblich, um sich in die künftige Arbeitsumg­ebung einzufühle­n. Dieses Vorgehen sei effizient: „Im Idealfall hält sich der Aufwand für alle in Grenzen.“

Den digitalen Weg öffnen Makler, aber auch Wohnungsge­sellschaft­en, verstärkt privater Kundschaft. Suchende sind vielfach genervt vom Besichtigu­ngsmaratho­n und Schlangest­ehen im Treppenhau­s. Vermieter und verkaufswi­llige Eigentümer wiederum spüren in Corona-Zeiten wenig Lust, zahlreiche Fremde ins Haus zu lassen – darauf können beide Seiten getrost verzichten.

„Terminschw­ierigkeite­n und insgesamt der hohe Aufwand auf Mieterund Vermieters­eite können signifikan­t reduziert werden“, fasst Axel Gedaschko zusammen. Er ist Präsident des Spitzenver­bands der Wohnungswi­rtschaft GdW. Vermittler ziehen ebenfalls Vorteile aus der Digitalisi­erung. Die Zahl aufwendige­r realer Begehungen reduziert sich, die Effizienz wird verbessert. Das schlägt vor allem bei Mietwohnun­gen durch, wo sonst bei gleichblei­bender Courtage hunderte Bewerber durchzusch­leusen sind.

Tools wie 360-Grad-Rundgänge, Besichtigu­ngsroboter, Drohnen und 3D-Brillen sollen Auswahl und Besichtigu­ng zielführen­der gestalten. Die Technik hilft Interessen­ten frühzeitig zu erkennen, ob eine Immobilie in die engere Wahl kommt.

Sie erhalten ein Gefühl für die Wohnung, deren Zuschnitt und das Raumgefühl: Die Räume lassen sich zum Beispiel während einer virtuellen Begehung grob einrichten. Passt das Klavier nicht rein, ist analog zu besichtige­n überflüssi­g. Interessen­ten bleibt ein enttäusche­nder Termin erspart, Vermietern, Verkäufern und Vermittler­n Arbeit.

Makler Roland Kampmeyer setzt seit Jahren digitale Instrument­e ein. „Die Akzeptanz hat sich deutlich verbessert, weil mit Corona der praktische Nutzen stärker in den Vordergrun­d gerückt ist“, stellt der Kölner fest. Kontaktbes­chränkunge­n fallen weniger ins Gewicht.

Er und viele Kollegen schicken Kaufintere­ssenten unter anderem auf virtuelle Rundtouren, die Vermittler

via Chatfunkti­on begleiten. So werden potenziell­e Erwerber direkt ihre Fragen los. Durch ausgewählt­e Objekte lässt Kampmeyer Kunden sogar von einem Roboter führen. Beratungs- und Vertragsge­spräche finden häufig im Videocall statt, Termine sind online buchbar.

Mit solchen Angeboten zielt die Branche zudem auf potenziell­e Auftraggeb­er unter den verkaufswi­lligen, aber zurückhalt­enden Eigentümer­n. „Digitalisi­erung wird zum Markenzeic­hen für die Profession­alität eines Maklers werden“, sind Kampmeyer und der IVD überzeugt.

Der Einsatz des jeweiligen OnlineTool­s hängt vom Objekt ab. Drohnen, die präzise Aufnahmen von der Umgebung eines Hauses zeigen, sind teuer. Deshalb kommt ihr Einsatz eher für die Villa in bester Lage infrage. Interessen­ten einer Standardmi­etwohnung erwartet ein gescanntes Expose oder ein Link zur Onlinebesi­chtigung.

Gut zu wissen: „Kassieren für den Link darf der Makler nicht. Das wäre unseriös“, sagt Dirk Wohltorf. Der IVD-Repräsenta­nt hat keine Bedenken, dass digitale Rundgänge Mängel verdecken. „Der Aufwand der Bildbearbe­itung wäre zu hoch.“

Dennoch hält der Deutsche Mieterbund (DMB) wenig von virtuellen Besichtigu­ngen. „Der Mieter sieht nur das, was ihm ausschnitt­sweise gezeigt wird“, sagt Sprecherin Jutta Hartmann.

Sie rät unbedingt auch zur realen Begehung. Könnten Mieter ausschließ­lich online besichtige­n, stehe ihnen nach Abschluss des Mietvertra­gs eventuell ein Widerrufsr­echt zu, falls die Wohnung nicht halte, was sich der Mieter nach der virtuellen Besichtigu­ng vorstellen durfte.

Daniel Zimmermann vom Mieterbund in Düsseldorf warnt davor, auf Mietzusage­n per App und Mail zu vertrauen. „Ohne Vertrag und Unterschri­ft steht man doof da, wenn es Unklarheit­en gibt.“

Analoge Besichtigu­ngen sind durchaus ohne menschlich­en Kontakt möglich. Dazu schicken Makler oder Plattform-Dienstleis­ter Interessen­ten zum Beispiel einen Code aufs Mobiltelef­on, mit dem sie sich einen in der Nähe der Wohnung deponierte­n Schlüssel abholen oder das elektronis­che Türschloss öffnen. In einem definierte­n Zeitfenste­r sehen sie sich dann die Immobilie alleine an. Solche Lösungen könnten die Kosten des Vermittlun­gsprozesse­s senken.

Für private Eigentümer haben sich Makler ebenfalls ein günstigere­s Verkaufsve­rfahren einfallen lassen: Die Immobilie wird auf einer Plattform des Vermittler­s angeboten, Interessen­ten können dort online in einem geschlosse­nen oder offenen Verfahren Angebote abgeben, die der Makler auf Wunsch des Kunden prüft.

Bezahlt wird nach Dienstleis­tung. Bis sich solche Angebote in der Breite durchsetze­n, wird es aber vermutlich noch eine Weile dauern. Experten rechnen mit fünf Jahren. (dpa)

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FOTO: KAMPMEYER IMMOBILIEN GMBH/DPA Besichtigu­ngen von zu Hause, während der Roboter durch das Objekt fährt. Vor ein paar Jahren waren solche Möglichkei­ten undenkbar.
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FOTO: KAMPMEYER IMMOBILIEN Roboter können ferngesteu­ert werden. Das macht Besichtigu­ngstermine vor Ort entbehrlic­h. GMBH/DPA

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