Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nabu gerät an seine Kapazitäts­grenze

Immer mehr Menschen wenden sich bezüglich verletzter Vögel an die Experten

- Von Manuela Steiert

SIGMARINGE­N - Was tun, wenn man als Spaziergän­ger einen verletzten oder flugunfähi­gen Vogel findet? Diese Frage stellen sich in der kalten Jahreszeit wahrschein­lich viele Menschen, die trotz hoher Schneemass­en häufiger als je zuvor draußen unterwegs sind. Da es beim Landratsam­t Sigmaringe­n einen Überblick an möglichen Notfallruf­nummer gibt, wäre es wohl das Naheliegen­de bei einer Nummer, die speziell für Vögel in Not aufgeführt ist, anzurufen. Unter dieser Nummer ist namentlich Karl Fidelis Gauggel, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Nabu Sigmaringe­n, aufgeführt, sodass sich der Anrufer auch gleich mit einem Experten verbunden fühlt.

Gauggel und der Vorsitzend­e der Nabu Ortsgruppe Sigmaringe­n, Alfred Bauernfein­d, sehen einige Anliegen besorgter Bürger allerdings etwas differenzi­erter und erklären auch warum.

Der Nabu Sigmaringe­n, so Bauernfein­d, ist ein Naturschut­zverband, dessen Hauptaufga­be darin besteht, Biotope zu pflegen, Führungen und Vorträge zu veranstalt­en, Stellungna­hmen zu Eingriffen in die Natur zu verfassen und vieles andere mehr. Die Hauptaufga­ben seien aber der Schutz gefährdete­r Arten und deren Lebensräum­e. So betreue der Nabu mit sehr viel Aufwand die Krauchenwi­eser Baggerseen. Die dort vorkommend­en seltenen Vogelarten seien zum Beispiel der Kiebitz, Flussregen­pfeifer, der Eisvogel, Krick-, Knäk- und Schnattere­nten, sowie die Zwergdomme­l und noch etliche andere mehr.

Das heiße allerdings im Umkehrschl­uss, dass die Pflege verletzter oder junger Tiere nur soweit übernommen werden könne, soweit die Kapazitäte­n der einzelnen aktiven Mitglieder des Nabus ausreichen würden. Bauernfein­d erläutert dazu, dass sich in der letzten Zeit die Anfragen von Menschen, die einen verletzten Vogel gefunden haben, häuften.

Für Kleinvögel mit einem verletzten Flügel sei es absehbar, dass sie nie wieder fliegen könnten. In der freien Natur hätten sie dazu auch keine Überlebens­chance. Der Verlust einzelner Individuen sei in einer gesunden Population auch kein Problem. Wenn Großvögel gefunden werden, die beispielsw­eise angefahren wurden, könnten diese in einer Decke eingewicke­lt zu den Vogelschüt­zern gebracht werden. Oder der Fundort werde genau beschriebe­n, dann könne auch er oder weitere Unterstütz­er tätig werden und den Vogel einsammeln und entspreche­nd versorgen.

Auf die Frage an Gauggel, was dann aber beispielsw­eise mit einer Taube gemacht werden sollte, die nicht mehr fliegen kann, erklärt dieser, dass es am besten wäre, das Tier dort zu belassen, wo es sich befindet. Entweder hole sie dann der Fuchs oder sie ereile ein anderes Schicksal. Im Notfall könne der Finder sie auch vor Ort füttern, wenn dieser das unbedingt möchte. Aus seiner Erfahrung fehle es dabei an Leuten, die bereit seien, einer Taube oder einen anderem Vogel ein Obdach auf der eigenen Terasse zu gewähren und damit auch die Verkotung und Verschmutz­ung in Kauf zu nehmen. Er selbst habe dies jahrelang immer wieder gemacht.

Vorsicht sei außerdem geboten, da die Vogelgripp­e aktuell wieder auf dem Vormarsch sei. Da sich seit Ausbruch der Pandemie die Meldungen der Vogelfunde vervielfac­ht hätten, sei diesem Aufwand mit den wenigen Helfern nicht mehr nachzukomm­en. Auf die Frage, wie es sich erklären lässt, dass sich die Meldungen seit Corona häufen würden, erklärt Gauggel seine Vermutung dahingehen­d, dass es immer mehr Menschen gebe, die Zeit hätten, draußen entweder mit oder ohne Hund unterwegs zu sein. Das Aufkommen sei auf alle Fälle frappieren­d. Eine Lösung zu diesem Problem sehen Gauggel und Bauernfein­d wohl am ehesten noch darin, dass sich

Menschen bereit erklärten, entweder beim Nabu mitzuwirke­n und/oder selbst mit in die Versorgung der verletzten Tiere einzusteig­en. Für „Verkehrsop­fer“, so Bauernfein­d, könne der Vogel auch direkt in die Vogelstati­on nach Mössingen gebracht werden. Wer Fledermäus­e findet, könne sich außerdem an das Naturschut­zzentrum Wilhelmsdo­rf wenden. Dort seien auf alle Fälle kompetente Fachleute zu finden.

Das Vogelschut­zzentrum Mössingen ist unter Telefon 07473/1022 oder per Mail an Info@nabuvogels­chutzzentr­um.de zu erreichen. Das Naturschut­zzentrum

Wilhelmsdo­rf unter Telefon 07503/739 oder per Mail an shb@naturschut­zzentrumwi­lhelmsdorf.de. Weitere Ansprechpa­rtner sind in der Notfalllis­te für Tiere beim Landratsam­t Sigmaringe­n aufgeführt.

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FOTO: THOMAS HINSCHE Bei verletzten oder flugunfähi­gen Vögeln wissen viele Menschen nicht weiter. Der Nabu erklärt, was in einem solchen Fall getan werden kann.

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