Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Nabu gerät an seine Kapazitätsgrenze
Immer mehr Menschen wenden sich bezüglich verletzter Vögel an die Experten
SIGMARINGEN - Was tun, wenn man als Spaziergänger einen verletzten oder flugunfähigen Vogel findet? Diese Frage stellen sich in der kalten Jahreszeit wahrscheinlich viele Menschen, die trotz hoher Schneemassen häufiger als je zuvor draußen unterwegs sind. Da es beim Landratsamt Sigmaringen einen Überblick an möglichen Notfallrufnummer gibt, wäre es wohl das Naheliegende bei einer Nummer, die speziell für Vögel in Not aufgeführt ist, anzurufen. Unter dieser Nummer ist namentlich Karl Fidelis Gauggel, stellvertretender Vorsitzender des Nabu Sigmaringen, aufgeführt, sodass sich der Anrufer auch gleich mit einem Experten verbunden fühlt.
Gauggel und der Vorsitzende der Nabu Ortsgruppe Sigmaringen, Alfred Bauernfeind, sehen einige Anliegen besorgter Bürger allerdings etwas differenzierter und erklären auch warum.
Der Nabu Sigmaringen, so Bauernfeind, ist ein Naturschutzverband, dessen Hauptaufgabe darin besteht, Biotope zu pflegen, Führungen und Vorträge zu veranstalten, Stellungnahmen zu Eingriffen in die Natur zu verfassen und vieles andere mehr. Die Hauptaufgaben seien aber der Schutz gefährdeter Arten und deren Lebensräume. So betreue der Nabu mit sehr viel Aufwand die Krauchenwieser Baggerseen. Die dort vorkommenden seltenen Vogelarten seien zum Beispiel der Kiebitz, Flussregenpfeifer, der Eisvogel, Krick-, Knäk- und Schnatterenten, sowie die Zwergdommel und noch etliche andere mehr.
Das heiße allerdings im Umkehrschluss, dass die Pflege verletzter oder junger Tiere nur soweit übernommen werden könne, soweit die Kapazitäten der einzelnen aktiven Mitglieder des Nabus ausreichen würden. Bauernfeind erläutert dazu, dass sich in der letzten Zeit die Anfragen von Menschen, die einen verletzten Vogel gefunden haben, häuften.
Für Kleinvögel mit einem verletzten Flügel sei es absehbar, dass sie nie wieder fliegen könnten. In der freien Natur hätten sie dazu auch keine Überlebenschance. Der Verlust einzelner Individuen sei in einer gesunden Population auch kein Problem. Wenn Großvögel gefunden werden, die beispielsweise angefahren wurden, könnten diese in einer Decke eingewickelt zu den Vogelschützern gebracht werden. Oder der Fundort werde genau beschrieben, dann könne auch er oder weitere Unterstützer tätig werden und den Vogel einsammeln und entsprechend versorgen.
Auf die Frage an Gauggel, was dann aber beispielsweise mit einer Taube gemacht werden sollte, die nicht mehr fliegen kann, erklärt dieser, dass es am besten wäre, das Tier dort zu belassen, wo es sich befindet. Entweder hole sie dann der Fuchs oder sie ereile ein anderes Schicksal. Im Notfall könne der Finder sie auch vor Ort füttern, wenn dieser das unbedingt möchte. Aus seiner Erfahrung fehle es dabei an Leuten, die bereit seien, einer Taube oder einen anderem Vogel ein Obdach auf der eigenen Terasse zu gewähren und damit auch die Verkotung und Verschmutzung in Kauf zu nehmen. Er selbst habe dies jahrelang immer wieder gemacht.
Vorsicht sei außerdem geboten, da die Vogelgrippe aktuell wieder auf dem Vormarsch sei. Da sich seit Ausbruch der Pandemie die Meldungen der Vogelfunde vervielfacht hätten, sei diesem Aufwand mit den wenigen Helfern nicht mehr nachzukommen. Auf die Frage, wie es sich erklären lässt, dass sich die Meldungen seit Corona häufen würden, erklärt Gauggel seine Vermutung dahingehend, dass es immer mehr Menschen gebe, die Zeit hätten, draußen entweder mit oder ohne Hund unterwegs zu sein. Das Aufkommen sei auf alle Fälle frappierend. Eine Lösung zu diesem Problem sehen Gauggel und Bauernfeind wohl am ehesten noch darin, dass sich
Menschen bereit erklärten, entweder beim Nabu mitzuwirken und/oder selbst mit in die Versorgung der verletzten Tiere einzusteigen. Für „Verkehrsopfer“, so Bauernfeind, könne der Vogel auch direkt in die Vogelstation nach Mössingen gebracht werden. Wer Fledermäuse findet, könne sich außerdem an das Naturschutzzentrum Wilhelmsdorf wenden. Dort seien auf alle Fälle kompetente Fachleute zu finden.
Das Vogelschutzzentrum Mössingen ist unter Telefon 07473/1022 oder per Mail an Info@nabuvogelschutzzentrum.de zu erreichen. Das Naturschutzzentrum
Wilhelmsdorf unter Telefon 07503/739 oder per Mail an shb@naturschutzzentrumwilhelmsdorf.de. Weitere Ansprechpartner sind in der Notfallliste für Tiere beim Landratsamt Sigmaringen aufgeführt.