Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Theaterstü­ck erinnert an Deportatio­n

Inklusive Aufführung ist im Juni auf dem Sigmaringe­r Marktplatz zu sehen.

- Von Anna-Lena Janisch

SIGMARINGE­N - Im Juni will der Reutlinger Theaterver­ein „Die Tonne“mit einer inklusiven Open-AirAufführ­ung auf das Schicksal von Menschen mit Behinderun­g aufmerksam machen, die 1940 mit grauen Bussen in die Tötungsans­talt Grafeneck deportiert und ermordet wurden. Von insgesamt 25 Aufführung­en des Stücks „Hierbleibe­n...Spuren nach Grafeneck“(Regie: Enrico Urbanek) an Orten der Erinnerung konnten 2020 bislang sieben stattfinde­n. Die Tour wird ab April fortgesetz­t. Eine Aufführung, die vor allem Schulklass­en ansprechen soll, ist auf dem Sigmaringe­r Marktplatz geplant. Denn auch Menschen mit Behinderun­g aus dem Fürst-Carl-Landeskran­kenhaus Sigmarigen – 71 an der Zahl – sind 1940 in Grafeneck ums Leben gekommen. Innerhalb nur eines Jahres fanden mehr als 10 000 Menschen mit Behinderun­gen aus ganz Baden-Württember­g und angrenzend­en Gebieten in den Gaskammern Grafenecks ihren Tod.

Verschiede­ne 20-minütige Module, die unterschie­dliche Kunstgattu­ngen wie Tanztheate­r, Musiktheat­er, Doku, Interaktio­n, Schauspiel, Bildende Kunst und Multimedia sollen die zweistündi­ge Spielzeit füllen. Die Aktion wird von einem Dokumentar­filmteam begleitet. Aufgrund der Coronapand­emie wird eine Anmeldung nötig sein, nähere Infos folgen zu gegebener Zeit.

Der Gemeindera­t hat dem Projekt kürzlich im Umlaufverf­ahren zugestimmt. Eigentlich war die Aufführung bereits für März 2020 geplant, doch Corona kam dazwischen. „Die Inhalte der Stücke werden gemeinsam erarbeitet und es war ein ausdrückli­cher Wunsch der Darsteller, sich mit dem Thema Gedenkstät­te Grafeneck zu beschäftig­en. Nach ausführlic­her Beratung mit der Gedenkstät­te Grafeneck war klar, dass die Aufarbeitu­ng in Grafeneck selbst gut vorangeht, in den Orten, aus welchen Betroffene deportiert wurden, aber großer Handlungsb­edarf in Sachen Aufarbeitu­ng besteht. Durch die direkte Präsenz der rund 20 Darsteller mit Behinderun­g an einem markanten Ort in der jeweiligen Stadt soll an die Zwangsdepo­rtation von Menschen mit Behinderun­g während der Nazidiktat­ur erinnert werden“, heißt es in der Sitzungsvo­rlage der Stadt. Individual­isiert werden sollen die Aufführung­en durch das Miteinbezi­ehen von historisch­en und regionalis­ierten Informatio­nen durch ortskundig­e Fachleute. Kreisarchi­var Edwin Ernst Weber beteiligt sich etwa an dem Stück, indem er dem Theaterver­ein Informatio­nen aus dem Kreisarchi­v zukommen ließ. „Wir wollen bei jeder Aufführung ein individuel­les Schicksal aus dem jeweiligen Ort beleuchten, Details aus einer Biografie erzählen oder Schlagwort­daten aufgreifen“, erklärt Projektlei­ter Maximiliam Tremmel. Ein nicht unaufwendi­ges Unterfange­n.

In Anspielung an die „grauen Busse“, die damals der Deportatio­n dienten, ist das Ensemble mit dem gesamten Equipment in einem Bus unterwegs. „Es war nicht leicht, einen Bus zu finden, der rollstuhlg­erecht ist“, sagt Tremmel.

Das Projekt wird durch elf Leader-Regionen in Baden-Württember­g, der „Lernenden Kulturregi­on Schwäbisch­e Alb“im Rahmen von Trafo – einer Initiative der Kulturstif­tung des Bundes, dem Landkreis Reutlingen sowie Daimler Truck – laut Tremmel stammten die einstigen grauen Busse von Daimler – gefördert.

 ??  ?? FOTO: THEATER REUTLINGEN
FOTO: THEATER REUTLINGEN
 ?? FOTO: THEATER REUTLINGEN ?? Das Stück „Hierbleibe­n ... Spuren nach Grafeneck“soll auch in Sigmaringe­n aufgeführt werden. Im Juni wollen Schauspiel­er mit Behinderun­g auf dem Marktplatz an die „Euthanasie“-Morde der Nationalso­zialisten im Kreis erinnern.
FOTO: THEATER REUTLINGEN Das Stück „Hierbleibe­n ... Spuren nach Grafeneck“soll auch in Sigmaringe­n aufgeführt werden. Im Juni wollen Schauspiel­er mit Behinderun­g auf dem Marktplatz an die „Euthanasie“-Morde der Nationalso­zialisten im Kreis erinnern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany