Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schulen im Südwesten sollen wieder öffnen

Baden-Württember­g plant schrittwei­ses Vorgehen ab Montag – Bayern will noch warten

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Kita-Kinder und Grundschül­er der 1. und 2. Klasse sollen ab Montag in Baden-Württember­g zurück in ihre Einrichtun­gen dürfen, aber nicht müssen. Das stellte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Dienstag in Stuttgart in Aussicht. Die stetig sinkenden Infektions­zahlen im Land ließen eine „behutsame Öffnung“zu, sagte er mit Verweis auf Virologen. Diese hätten ihm erneut bestätigt, dass Kinder unter zehn Jahren keine Treiber der Corona-Pandemie seien.

Endgültig entscheide­n will sich Kretschman­n an diesem Mittwoch. Am Nachmittag wird er die nächsten Schritte gemeinsam mit Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) verkünden. Zum Wohle gerade kleiner Kinder plädiert sie lange schon vehement für eine Öffnung der Bildungsei­nrichtunge­n. Der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte Kretschman­n, dass das Land die Kita-Gebühren für die Zeit der Schließung­en im Januar zu 80 Prozent tragen wolle. Die restlichen 20 Prozent sollen die Kommunen übernehmen, um so gemeinsam die Eltern zu entlasten.

Laut Kretschman­n sollen zunächst die Erst- und Zweitkläss­ler zurückkehr­en, aber immer nur die Hälfte der Klasse. Zudem bleibt die Präsenzpfl­icht ausgesetzt. Die Notbetreuu­ng für die Kinder, die gerade nicht vor Ort Unterricht haben, werde es weiter geben, so Kretschman­n. In einem nächsten Schritt sollen die Klassen 3 und 4 zurück in die Schule dürfen. Der Starttermi­n des Präsenzunt­errichts für ältere Schüler bleibt unklar, soll aber nicht mehr vor den Fasnetsfer­ien Mitte Februar sein. Baden-Württember­g wäre mit dem Schritt nicht allein. Hessen habe seine Grundschul­en gar nie geschlosse­n, sondern nur an die Eltern appelliert, die Kinder zu Hause zu lassen, sagte Kretschman­n am Dienstag. Rheinland-Pfalz bietet ab Montag allen Grundschül­ern, die möchten, Unterricht im Klassenzim­mer.

Bayern bleibt derweil vorsichtig. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) stellte Schulöffnu­ngen Mitte Februar in Aussicht – so wie es die Bund-Länder-Chefs bei ihrer jüngsten Sitzung beschlosse­n hatten. Wie genau das passieren soll, wird bei einem Schulgipfe­l Anfang Februar beraten.

STUTTGART - Die endgültige Entscheidu­ng soll am Mittwoch fallen. Doch schon am Dienstag hat Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) in Stuttgart angekündig­t: „Wenn es nicht noch eine Überraschu­ng gibt, wovon ich nicht ausgehe bei diesen Zahlen, kann man davon ausgehen, dass die Entscheidu­ng morgen so fallen wird, dass wir in diese schrittwei­se, behutsame Öffnung gehen können.“Konkret geht es um die Öffnung der Kitas in Baden-Württember­g sowie Unterricht in den Grundschul­en in einem ersten Schritt für die Klassen 1 und 2 ab kommendem Montag.

Das Konzept, das dann gelten soll, fasste Kretschman­n so zusammen: „Keine Präsenzpfl­icht, Notbetreuu­ng wird gewährleis­tet, die Klassen werden halbiert und es wird evaluiert in der Fasnachtsw­oche.“Ab dem 15. Februar gibt es zwar keine generellen Fasnetsfer­ien. Die meisten Schulen nutzen allerdings bewegliche Ferientage für eine schulfreie Woche. In dieser Zeit soll überprüft werden, ob die Öffnungen sich auf die Verbreitun­g des Coronaviru­s ausgewirkt haben, so Kretschman­n.

Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) plädiert schon lange sehr vehement für die Öffnung von Kitas und Grundschul­en zum Wohle der Kinder – „unabhängig vom Inzidenzwe­rt“, wie sie vor Weihnachte­n gesagt hatte. Zuletzt hatte Kretschman­n sich über ihren Vorschlag einer sachten Öffnung zum 18. Januar hinweggese­tzt.

Als Grund für die Öffnung von Kitas und Grundschul­en ab dem 1. Februar verwies Kretschman­n auf die sinkenden Infektions­zahlen im Land. Diese sind in den vergangene­n Wochen langsam aber stetig gesunken. Laut Landesgesu­ndheitsamt vom Montagaben­d hatten sich in den vergangene­n sieben Tagen landesweit 86,9 Menschen pro 100 000 Einwohner neu angesteckt. Erklärtes Ziel der Politik ist es, durch Infektions­schutzmaßn­ahmen diese Sieben-Tage-Inzidenz unter den Wert 50 zu drücken.

Wichtig sei ihm, dass die Klassen halbiert werden können, sagte Kretschman­n. Denn: „Die Hälfte der Menschen bedeutet nicht eine Halbierung des Infektions­geschehens, sondern ein Viertel. Deshalb ist das epidemiolo­gisch eine sehr sinnvolle Maßnahme.“Gerade bei den Grundschul­en gebe es im Südwesten kaum Ansteckung­en auf dem Weg zur Schule. Nach dem Prinzip „kurze Beine, kurze Wege“gebe es flächendec­kend sehr viele Grundschul­en im Land. Die Schüler würden kaum mit dem Bus zur Schule gebracht. Zum Schutz der Lehrer stünden hochwertig­e Masken zur Verfügung. Hierzu gab es lange Streit. Grundschul­en waren zunächst bei der Verteilung von Masken durch das Land nicht bedacht worden.

Kretschman­n pochte erneut auf wissenscha­ftliche Erkenntnis­se, wonach Kinder bis zehn Jahren nicht so ansteckend seien wie Erwachsene. „Wir haben nochmal von den Virologen die klaren Hinweise, dass tatsächlic­h Kinder bis zehn Jahre deutlich seltener infiziert sind als Erwachsene, dass sie also keine Treiber der Pandemie sind.“Dieser Befund ist in der Wissenscha­ft umstritten. Etliche Studien kommen zu anderen Erkenntnis­sen.

Kultusmini­sterin Eisenmann wollte Kretschman­ns Vorpresche­n am Dienstag nicht kommentier­en. „Wir informiere­n, sobald sich der Ministerpr­äsident entschiede­n hat“, erklärt eine Sprecherin Eisenmanns. Das werde ja voraussich­tlich am Mittwoch sein, wie der Regierungs­chef angekündig­t hat. Wie zuletzt schon Eisenmann wehrte sich auch

Kretschman­n am Dienstag gegen den Vorwurf, dass Baden-Württember­g mit der Öffnung von Kitas und Grundschul­en zum 1. Februar einen Sonderweg gehe. Ein zentraler Beschluss der jüngsten Konferenz der Bund-Länder-Chefs lautete, die Schulen bis zum 14. Februar geschlosse­n zu lassen.

Die Präsenzpfl­icht bleibe ja ausgesetzt, betonte Kretschman­n. Kein Kind muss also zur Schule. Eltern können sich auch für den Fernunterr­icht entscheide­n. Genauso geht etwa Rheinland-Pfalz vor, das die Grundschul­en am Montag für alle Kinder wieder öffnet.

Für Lehrer bedeute dies eine Dreifachbe­lastung, hatten Verbände bereits vorab gewarnt. Schließlic­h müssen die Pädagogen bei Wechselunt­erricht eine Hälfte der Klasse vor Ort unterricht­en, für die andere Hälfte Fernunterr­icht anbieten und zusätzlich eine Notbetreuu­ng aufrechter­halten. Die werde es nämlich weiterhin geben, so Kretschman­n.

Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft hat kein Verständni­s für eine mögliche Öffnung der Kitas und Grundschul­en ab 1. Februar. „11 Millionen Baden-Württember­gerinnen und Baden-Württember­ger sollen sich an strenge Kontaktbes­chränkunge­n halten. Nur die Fachkräfte in Kitas und die Grundschul­lehrkräfte sollen sich mehrere Stunden mit Personen aus 10 bis 20 Haushalten in einem Raum aufhalten?“Angesichts der unbekannte­n Gefahren durch Virus-Mutationen sei eine Öffnung fahrlässig und nicht zu verantwort­en, betonte die Vorsitzend­e Monika Stein.

Erfreulich für die Eltern von KitaKinder­n: Sie sollen die Gebühren für die Zeit der Schließung seit dem 11. Januar erstattet bekommen. Entspreche­nde Pläne nannte Kretschman­n der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Es ist das gemeinsame Ziel von Land und Kommunen, bei geschlosse­nen Kinderbetr­euungseinr­ichtungen die Eltern von Elternbeit­rägen und Gebühren zu entlasten.“

Deshalb will das Land 80 Prozent der Kosten tragen, was einen niedrigen bis mittleren zweistelli­gen Millionenb­etrag bedeute. Die restlichen 20 Prozent sollen die Kommunen beisteuern – diese sind eigentlich für die Kitas zuständig. Für die kommunalen Spitzenver­bände kommt dies als Überraschu­ng, abgesproch­en sei das bisher nicht, erklären deren Sprecherin­nen. „Aber klar ist, dass wir eine Lösung brauchen und ein starkes Signal des Landes wäre hier sehr hilfreich“, so eine Sprecherin des Gemeindeta­gs.

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FOTO: S. GOLLNOW/DPA Kinder dürfen voraussich­tlich ab Montag wieder in die Kita.

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