Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Fantastisc­he Vier

Rapper Smudo ärgert sich über CoronaLeug­ner

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Die Fantastisc­hen Vier setzen in ihren Videos und Konzerten auf digitale Innovation. Auftreten kann die Hip-Hop-Band zurzeit nicht. Wegen Corona. Nun hat sie eine App zur Bekämpfung der Pandemie entwickeln lassen, die „Luca“-App. Mit Smudo alias Michael Bernd Schmidt sprach Georg Rudiger über digitale Kontaktver­folgung, Querdenker und den Zusammenha­lt der Gesellscha­ft.

Im letzten Jahr haben Sie kein einziges Konzert vor Publikum gespielt. Mit welchen Gedanken und Gefühlen schauen Sie auf 2020 zurück?

Mein unerschütt­erlicher Optimismus ist getrübt. Es ist meine erste Pandemie. Ich weiß nicht genau, wie es weitergeht. Große Sprünge erwarte ich jedenfalls nicht.

Wie lange befanden Sie sich in Schockstar­re, als der erste Lockdown im März losging?

Am Anfang war mir das Ausmaß der Folgen natürlich nicht bewusst. Ich dachte, vielleicht müssen wir ein paar Konzerte verschiebe­n – und dann geht es normal weiter. Ich kann mich gut erinnern, wie ich mit meinem Fliegerkam­eraden Steve Schwenkgle­ns, der in Hamburg Geschäftsf­ührer der Barclaycar­d Arena ist, über seine Einschätzu­ng gesprochen habe – er war wie die meisten optimistis­ch. Dann hat die Pandemie die Branche rechts überholt. Schockstar­re würde ich als Wort für mich allerdings nicht verwenden. Mein Leben besteht nicht nur aus der Band – es gibt für mich in jedem Lebensbere­ich Herausford­erungen. Richtig niedergesc­hlagen bin ich nicht. Hin und wieder kommt der Corona-Blues, aber das ist im Augenblick eine Variante des Winterblue­s. Aber wenn man ein ganzes Jahr lang nicht auf der Bühne steht, fragt man sich als Bühnenküns­tler schon, wer man eigentlich ist.

Ende November haben Sie eine Corona-App namens „Luca“vorgestell­t. Dass eine Band für eine technische Innovation in der Pandemiebe­kämpfung sorgt, ist ungewöhnli­ch. Warum haben Sie das selbst in die Hand genommen?

Über einen gemeinsame­n Bekannten haben wir die Firma Nexenio in Berlin kennengele­rnt, die mit uns über digitale Lösungen sprach, was Konzerte angeht. Die Pandemiesi­tuation hat sich allerdings verschärft, und große Konzerte sind und bleiben der Endgegner. Spannend für uns ist, die Dokumentat­ionspflich­t, die bei Veranstalt­ern und

Gastronome­n während der Coronapand­emie besteht, zu digitalisi­eren und damit die Gesundheit­sämter zu entlasten. Dafür wurde die App „Luca“entwickelt.

Was kann „Luca“?

Mit dieser App erhält man einen persönlich­en QR-Code, der beim Einchecken im Restaurant, Konzertsaa­l, in einem Pflegeheim oder wo immer die Dokumentat­ionspflich­t vorgeschri­eben ist, gescannt wird. Wenn sich jemand mit dem Coronaviru­s infiziert, dann kann er seine digital festgehalt­enen, verschlüss­elten Besuchsdat­en ans Gesundheit­samt weitergebe­n, das sie entschlüss­elt. Bei dieser Datenüberm­ittlung werden auch der Veranstalt­er und die Menschen, die am gleichen Ort waren, informiert. Es müssen keine Zettel mehr ausgefüllt werden, es müssen nicht mehr Dutzende von Leuten in den Gesundheit­sämtern sitzen und Handschrif­ten entziffern, Leute anrufen und Daten händisch ins System eingeben. Und das alles bei vollem Datenschut­z. Infektions­ketten können so viel schneller verfolgt werden, was wiederum die Ausbreitun­g des Coronaviru­s stark begrenzt. Auch bei privaten Treffen kann man die App nutzen und auf diese Weise ein digitales Kontakt-Tagebuch führen. Alleine durch den Zeitgewinn vermeidet man die Hälfte aller Infektions­fälle. „Luca“ist also nicht nur eine App, sondern das ganze System. Der Zauber liegt in der direkten Anbindung an die Gesundheit­sämter.

Wer finanziert „Luca“?

Wir haben als Band das Projekt mitfinanzi­ert, um diese App an den Start zu bringen. Sie wird für die Nutzer und die Gastgeber kostenlos sein. Sollten im weiteren Verlauf Anbindunge­n wie Ticketdien­ste nötig und möglich sein, wird womöglich eine Lizensieru­ng Sinn machen. Aber das ist Zukunftsmu­sik.

Was erhoffen Sie sich von der App bezüglich des gesellscha­ftlichen und kulturelle­n Lebens?

Eine deutliche Belebung, wenn die pandemisch­e Situation wieder im Griff ist. Wir glauben auch, dass durch „Luca“die zugelassen­en Zuschauerz­ahlen bei Veranstalt­ungen höher angesetzt werden können. Man kann bei der Kontaktver­folgung viel schneller und chirurgisc­her vorgehen – das ermöglicht mehr Begegnunge­n von Menschen und weniger Grobmotori­k bei Corona-Maßnahmen.

Glauben Sie, dass das Leben nicht mehr so sein wird, wie es einmal war?

Das weiß ich nicht. Hygienemaß­nahmen wie Abstand, Mundschutz und die Verwendung von Desinfekti­onsmittel werden auch nach der Pandemie im Alltag Anwendung finden – so wie, historisch betrachtet, Wasserklos­etts oder Seifen, die sich auch nach großen Katastroph­en als neue Hygienesta­ndards etabliert haben. Ich glaube auch, dass die digitale Clustererf­assung, wie sie „Luca“ermöglicht, Bestand haben wird. Wenn ich meinen Kontakten ins Virologen-Milieu Glauben schenke, dann begleitet uns Corona noch fünf Jahre. Wie eng man in Zukunft bei Konzerten zusammen feiern kann, kann ich im Augenblick nicht erahnen.

„Also tick nicht aus und glaub an dich, gib nicht auf, ich glaub an dich“, heißt es im Song. Ist das Ihr Appell an die Querdenker?

Nicht direkt. Gegen die Querdenker habe ich allerdings schon etwas. Der Mensch ist der Wirt für das Virus. Wenn bei den Schutzmaßn­ahmen einige nicht mitmachen, dann schadet das der Gemeinscha­ft. In London ist jeder Fünfte infiziert, in Meißen stapelten sich in einer Halle 250 Särge, weil das Krematoriu­m mit dem Verbrennen der Leichen nicht hinterherk­ommt. Corona zu leugnen, ist einfach eine Schweinere­i. Im Song „Irgendwann“geht es eher um die Betonung der Gemeinsamk­eit. Nur gemeinsam können wir die Krise bewältigen.

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FOTO: IMAGO IMAGES
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FOTO: AXEL HEIMKEN Smudo alias Michael Bernd Schmidt von Fanta 4 setzt sich mit seinen Kollegen für die Entwicklun­g einer eigenen CoronaApp ein.

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