Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Merkel-Vertrauter gegen die schwarze Null
Rest der Union empört über Brauns Vorschlag zur Aussetzung der Schuldenbremse
BERLIN - Ein Vorstoß von Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), die Schuldenbremse längere Zeit auszusetzen, sorgt für einen Aufschrei der Empörung bei der Union. Diese begrenzt die Möglichkeiten für den Bund, zusätzliche Kredite aufzunehmen, auf wenige Milliarden Euro im Jahr. Das sei „auch bei strenger Ausgabendisziplin nicht einzuhalten“, schrieb Braun in einem Gastbeitrag im „Handelsblatt“. Dabei hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ausdrücklich als Ziel ausgegeben, die Schuldengrenze 2022 wieder zu erfüllen, nachdem sie wegen der Corona-Pandemie vergangenes und dieses Jahr ausgesetzt wurde.
Braun will mit einer Grundgesetzänderung „für die kommenden Jahre einen verlässlichen degressiven Korridor für die Neuverschuldung“und ein klares Datum für die Rückkehr zur Schuldenbremse festlegen.
Das sei Brauns persönliche Meinung, lehnte der oberste Haushaltspolitiker der Union, Eckardt Rehberg, das Ansinnen postwendend ab. Die Schuldenbremse „steht für Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Fraktionschef Ralph Brinkhaus pflichtete ihm bei: Das sei „nicht mehrheitsfähig in der Fraktion“. Auch CDU-Chef Armin Laschet zeigte sich empört. „Die Schuldenbremse sollte erhalten bleiben. Ebenso wie wir Steuererhöhungen ablehnen“, sagte er vor der Unionsfraktion nach Angaben von Teilnehmern. Sollten Regierungsmitglieder es für erforderlich halten, die Verfassung ändern zu wollen, sollten sie dies mit Partei und Fraktion abstimmen.“
Die Schuldenbremse ist seit 2009 im Grundgesetz: Der Bund darf seit 2016 nur maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts an Schulden aufnehmen, Länder und Gemeinden gar keine mehr. Nur in außergewöhnlichen Situationen sind Ausnahmen möglich. Ändern ließe sich das nur mit einer Zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat.
Braun gilt als Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Deren Sprecher Steffen Seibert äußerte sich sehr einsilbig: „Das ist ein persönlicher Meinungsbeitrag“, sagte er dem „Spiegel“.
Scholz zeigte sich dagegen offen für Brauns Vorstoß. Auch die Wirtschaftsweisen hätten vorgeschlagen, die Schuldenbremse quasi neu zu starten und dadurch erst einmal schrittweise wieder wirken zu lassen, sagte der Finanzminister. Ihm dürfte Brauns Vorstoß entgegenkommen: Viele in der SPD sehen die Schuldenbremse heute kritisch, genauso wie Grüne und Linke.
Kanzleramtsminister Braun ruderte nach wenigen Stunden zurück: Er habe die Schuldenbremse nicht infrage stellen wollen, sondern halte sehr viel von ihr, schrieb er auf Twitter. Er wolle nur nicht jedes Jahr neu über eine Ausnahme entscheiden.