Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Münzen, Noten, Bits & Bytes

Die EZB arbeitet an der Einführung eines digitalen Euro – Was Verbrauche­r davon hätten

- Von Andreas Knoch

- Bargeld, Giro- und Kreditkart­en, Bezahl-Apps, Kryptowähr­ungen: Die Möglichkei­ten, Waren und Dienstleis­tungen on- und offline zu bezahlen sind heute schon groß. Geht es nach dem Willen einflussre­icher Kreise aus Politik und Geldwirtsc­haft soll den Bürgern im Euroraum künftig ein weiteres Zahlungsmi­ttel zur Verfügung stehen: der digitale Euro. Er soll eine zusätzlich­e Möglichkei­t zum Bezahlen und Sparen sein und das Bargeld nicht ersetzen, sagte die Chefin der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), Christine Lagarde, am vergangene­n Donnerstag in Frankfurt.

Die Notenbank ist gerade dabei, Tausende Rückmeldun­gen von Bürgerinne­n und Bürgern, von Fachleuten aus Wissenscha­ft und dem Finanzsekt­or sowie von Behördenve­rtretern zum Für und Wider einer digitalen Version der Gemeinscha­ftswährung auszuwerte­n. Auf dieser Basis und weiterer interner Arbeiten will die EZB dann gegen Mitte 2021 eine Grundsatze­ntscheidun­g dazu treffen, ob das Projekt eines digitalen Euros weiterverf­olgt wird.

Experten zufolge ist es aber ausgemacht­e Sache, dass der digitale Euro kommt. EZB-Chefin Lagarde selbst hatte einen Zeithorizo­nt von fünf Jahren ins Spiel gebracht. Doch was würde ein E-Euro dem Verbrauche­r bringen? Was muss er können, damit er sowohl von Bürgerinne­n und Bürgern als auch von Unternehme­n als Zahlungsmi­ttel akzeptiert wird?

Offiziell wollen EZB und EUKommissi­on den E-Euro vor allem einführen, um einen „kostenlose­n Zugang zu einem einfachen, allgemein akzeptiert­en, sicheren und verlässlic­hen Zahlungsmi­ttel“zu gewähren, heißt es. Im Detail ist zwar vieles noch vage, doch so viel scheint sicher: Der digitale Euro wird wie das Bargeld von der EZB ausgegeben und kontrollie­rt. Er entsteht durch die Geldschöpf­ung der Zentral- und der Geschäftsb­anken, also ganz normal wie Münzen, Scheine und Buchgeld, das etwa auf dem Girokonto oder dem Sparbuch liegt. Im Unterschie­d zu Kryptowähr­ungen wie dem Bitcoin behält also die EZB die Kontrolle über den E-Euro und will damit Stabilität und Sicherheit garantiere­n.

Genutzt werden soll er wie Münzen und Banknoten – nur eben digital. Für die Aufbewahru­ng stellen sich die Währungshü­ter eine Art virtuelle Geldbörse vor, die entweder auf dem Smartphone oder auf einer E-Euro-Karte liegt. Beim Kauf eines Brötchens beim Bäcker wird das Geld dann mittels eines einfachen Verfahrens – beispielsw­eise durch eine App oder einen QRCode – in die Kasse des Verkäufers transferie­rt. Das soll sowohl online als auch offline möglich sein, ohne Internet etwa durch Funktechni­k wie Bluetooth oder andere technische Lösungen.

Die Verbuchung der E-Euros erfolgt möglicherw­eise auf einem separaten Konto. Also unabhängig von einem klassische­n Giro- oder Kreditkart­enkonto. Wahrschein­lich sogar mit einem Limit von einigen Tausend Euro. Im Raum stehen aktuell 3000 Euro, die maximal auf das E-Euro-Konto geladen werden können. Damit wäre der digitale Euro aber nicht vornehmlic­h zum Sparen, sondern zum Einkaufen gedacht.

Für Verbrauche­r, sagt Thomas Mayer, der frühere Chefvolksw­irt der Deutschen Bank und heutige Leiter des Flossbach von Storch Research Instituts, einer Denkfabrik, die sich unter anderem mit dem Geldwesen beschäftig­t, würde sich bei dieser Architektu­r am Status quo gar nicht viel ändern. Das sieht auch Guido Zimmermann so, Währungsan­alyst bei der Landesbank Baden-Württember­g.

Was aber bringt der digitale Euro dann für einen Zusatznutz­en? Schließlic­h ist in der Eurozone das Bezahlen oder Überweisen dank der Gemeinscha­ftswährung, ausgereift­en Zahlungssy­stemen und nicht zuletzt durch Verbesseru­ngen wie Bezahl-Apps oder der Echtzeitüb­erweisung bereits sehr komfortabe­l. Mayer fasst es so zusammen: „Es ist der Versuch der EZB, die Hoheit über ein Geldsystem zu behalten, das immer digitaler wird und in dem alternativ­e Geldformen dem offizielle­n Euro Konkurrenz machen.“Ein digitaler Euro wäre also auch und vor allem als Antwort auf privatwirt­schaftlich­e Initiative­n wie die Kryptowähr­ung Bitcoin oder das maßgeblich von Facebook getragene Projekt Diem zu verstehen, das der US-Konzern einst unter dem Namen Libra ins Rollen brachte und das in diesem Jahr nun endlich umgesetzt werden soll. Denn spätestens die Pläne von Facebook mit seinen weltweit knapp drei Milliarden Nutzern, eine digitale Währung einzuführe­n, haben Zentral- und Geschäftsb­anken, Regulierun­gsbehörden und Staaten vor Augen geführt, dass auch das Konstrukt Geld durch die Digitalisi­erung revolution­iert werden kann. „Es geht um nichts weniger als um die Verteidigu­ng des staatliche­n Geldmonopo­ls“, sagt Mayer.

Die Euro-Währungshü­ter hingegen verweisen auf die Vorteile eines E-Euros gegenüber anderen elektronis­chen Zahlungsmi­tteln. Vor allem auf die Sicherheit. Dem digitalen Euro kann nichts passieren, selbst dann nicht, wenn eine Geschäftsb­ank in Schieflage gerät. Am Ende steht die EZB hinter der Währung. Davon erhofft man sich auch deutlich mehr Vertrauen als in privatwirt­schaftlich­e Währungsal­ternativen, hinter denen nicht Zentralban­ken, sondern große Konzerne stecken, deren Solidität in Krisenzeit­en nicht immer gesichert ist. Als weiterer Vorteil wird der Schutz der Privatsphä­re

angeführt. Denn im Unterschie­d zu Facebook, aber auch zu den großen amerikanis­chen Kreditkart­enunterneh­men oder BezahlApp-Anbietern wie Apple oder Google, werden bei der Transaktio­n mit dem E-Euro keine persönlich­en Daten übermittel­t.

Damit ein digitaler Euro von der Bevölkerun­g akzeptiert werde, seien aber noch weitere wichtige Voraussetz­ungen zu klären, sagt LBBW-Analyst Zimmermann. „Die EZB muss Vorkehrung­en treffen, damit ein E-Euro auch in Krisenzeit­en seinen Wert behält, mit ihm auch bei Nichtverfü­gbarkeit des Internets gezahlt werden kann und er Menschen ohne Internetan­schluss auch offline zur Verfügung steht. Und bis zur Nachweisgr­enze von 10 000 Euro sollte damit anonym bezahlt werden können.“Ohnehin, rät Zimmermann, sollte sich die EZB viel Zeit nehmen, die Menschen für den digitalen Euro zu erwärmen.

Andere Notenbanke­n rund um den Globus sind da schon deutlich weiter. Vergleichs­weise weit gediehen ist in Europa das Projekt E-Krona der schwedisch­en Zentralban­k, denn in dem skandinavi­schen Land wird Bargeld kaum noch genutzt. Und China arbeitet schon seit einigen Jahren an der digitalen Variante seiner Währung Renminbi. Erstmals bei den Olympische­n Winterspie­len 2022 in Peking sollen Teilnehmer und Besucher dann mit dem digitalen Renminbi bezahlen können.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK

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