Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Münzen, Noten, Bits & Bytes
Die EZB arbeitet an der Einführung eines digitalen Euro – Was Verbraucher davon hätten
- Bargeld, Giro- und Kreditkarten, Bezahl-Apps, Kryptowährungen: Die Möglichkeiten, Waren und Dienstleistungen on- und offline zu bezahlen sind heute schon groß. Geht es nach dem Willen einflussreicher Kreise aus Politik und Geldwirtschaft soll den Bürgern im Euroraum künftig ein weiteres Zahlungsmittel zur Verfügung stehen: der digitale Euro. Er soll eine zusätzliche Möglichkeit zum Bezahlen und Sparen sein und das Bargeld nicht ersetzen, sagte die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am vergangenen Donnerstag in Frankfurt.
Die Notenbank ist gerade dabei, Tausende Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern, von Fachleuten aus Wissenschaft und dem Finanzsektor sowie von Behördenvertretern zum Für und Wider einer digitalen Version der Gemeinschaftswährung auszuwerten. Auf dieser Basis und weiterer interner Arbeiten will die EZB dann gegen Mitte 2021 eine Grundsatzentscheidung dazu treffen, ob das Projekt eines digitalen Euros weiterverfolgt wird.
Experten zufolge ist es aber ausgemachte Sache, dass der digitale Euro kommt. EZB-Chefin Lagarde selbst hatte einen Zeithorizont von fünf Jahren ins Spiel gebracht. Doch was würde ein E-Euro dem Verbraucher bringen? Was muss er können, damit er sowohl von Bürgerinnen und Bürgern als auch von Unternehmen als Zahlungsmittel akzeptiert wird?
Offiziell wollen EZB und EUKommission den E-Euro vor allem einführen, um einen „kostenlosen Zugang zu einem einfachen, allgemein akzeptierten, sicheren und verlässlichen Zahlungsmittel“zu gewähren, heißt es. Im Detail ist zwar vieles noch vage, doch so viel scheint sicher: Der digitale Euro wird wie das Bargeld von der EZB ausgegeben und kontrolliert. Er entsteht durch die Geldschöpfung der Zentral- und der Geschäftsbanken, also ganz normal wie Münzen, Scheine und Buchgeld, das etwa auf dem Girokonto oder dem Sparbuch liegt. Im Unterschied zu Kryptowährungen wie dem Bitcoin behält also die EZB die Kontrolle über den E-Euro und will damit Stabilität und Sicherheit garantieren.
Genutzt werden soll er wie Münzen und Banknoten – nur eben digital. Für die Aufbewahrung stellen sich die Währungshüter eine Art virtuelle Geldbörse vor, die entweder auf dem Smartphone oder auf einer E-Euro-Karte liegt. Beim Kauf eines Brötchens beim Bäcker wird das Geld dann mittels eines einfachen Verfahrens – beispielsweise durch eine App oder einen QRCode – in die Kasse des Verkäufers transferiert. Das soll sowohl online als auch offline möglich sein, ohne Internet etwa durch Funktechnik wie Bluetooth oder andere technische Lösungen.
Die Verbuchung der E-Euros erfolgt möglicherweise auf einem separaten Konto. Also unabhängig von einem klassischen Giro- oder Kreditkartenkonto. Wahrscheinlich sogar mit einem Limit von einigen Tausend Euro. Im Raum stehen aktuell 3000 Euro, die maximal auf das E-Euro-Konto geladen werden können. Damit wäre der digitale Euro aber nicht vornehmlich zum Sparen, sondern zum Einkaufen gedacht.
Für Verbraucher, sagt Thomas Mayer, der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank und heutige Leiter des Flossbach von Storch Research Instituts, einer Denkfabrik, die sich unter anderem mit dem Geldwesen beschäftigt, würde sich bei dieser Architektur am Status quo gar nicht viel ändern. Das sieht auch Guido Zimmermann so, Währungsanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.
Was aber bringt der digitale Euro dann für einen Zusatznutzen? Schließlich ist in der Eurozone das Bezahlen oder Überweisen dank der Gemeinschaftswährung, ausgereiften Zahlungssystemen und nicht zuletzt durch Verbesserungen wie Bezahl-Apps oder der Echtzeitüberweisung bereits sehr komfortabel. Mayer fasst es so zusammen: „Es ist der Versuch der EZB, die Hoheit über ein Geldsystem zu behalten, das immer digitaler wird und in dem alternative Geldformen dem offiziellen Euro Konkurrenz machen.“Ein digitaler Euro wäre also auch und vor allem als Antwort auf privatwirtschaftliche Initiativen wie die Kryptowährung Bitcoin oder das maßgeblich von Facebook getragene Projekt Diem zu verstehen, das der US-Konzern einst unter dem Namen Libra ins Rollen brachte und das in diesem Jahr nun endlich umgesetzt werden soll. Denn spätestens die Pläne von Facebook mit seinen weltweit knapp drei Milliarden Nutzern, eine digitale Währung einzuführen, haben Zentral- und Geschäftsbanken, Regulierungsbehörden und Staaten vor Augen geführt, dass auch das Konstrukt Geld durch die Digitalisierung revolutioniert werden kann. „Es geht um nichts weniger als um die Verteidigung des staatlichen Geldmonopols“, sagt Mayer.
Die Euro-Währungshüter hingegen verweisen auf die Vorteile eines E-Euros gegenüber anderen elektronischen Zahlungsmitteln. Vor allem auf die Sicherheit. Dem digitalen Euro kann nichts passieren, selbst dann nicht, wenn eine Geschäftsbank in Schieflage gerät. Am Ende steht die EZB hinter der Währung. Davon erhofft man sich auch deutlich mehr Vertrauen als in privatwirtschaftliche Währungsalternativen, hinter denen nicht Zentralbanken, sondern große Konzerne stecken, deren Solidität in Krisenzeiten nicht immer gesichert ist. Als weiterer Vorteil wird der Schutz der Privatsphäre
angeführt. Denn im Unterschied zu Facebook, aber auch zu den großen amerikanischen Kreditkartenunternehmen oder BezahlApp-Anbietern wie Apple oder Google, werden bei der Transaktion mit dem E-Euro keine persönlichen Daten übermittelt.
Damit ein digitaler Euro von der Bevölkerung akzeptiert werde, seien aber noch weitere wichtige Voraussetzungen zu klären, sagt LBBW-Analyst Zimmermann. „Die EZB muss Vorkehrungen treffen, damit ein E-Euro auch in Krisenzeiten seinen Wert behält, mit ihm auch bei Nichtverfügbarkeit des Internets gezahlt werden kann und er Menschen ohne Internetanschluss auch offline zur Verfügung steht. Und bis zur Nachweisgrenze von 10 000 Euro sollte damit anonym bezahlt werden können.“Ohnehin, rät Zimmermann, sollte sich die EZB viel Zeit nehmen, die Menschen für den digitalen Euro zu erwärmen.
Andere Notenbanken rund um den Globus sind da schon deutlich weiter. Vergleichsweise weit gediehen ist in Europa das Projekt E-Krona der schwedischen Zentralbank, denn in dem skandinavischen Land wird Bargeld kaum noch genutzt. Und China arbeitet schon seit einigen Jahren an der digitalen Variante seiner Währung Renminbi. Erstmals bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking sollen Teilnehmer und Besucher dann mit dem digitalen Renminbi bezahlen können.