Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wohl des Kindes hat Vorrang
Schon der Verdacht auf Körperverletzung reicht aus, um einer Tagesmutter die Erlaubnis zu entziehen
POTSDAM (dpa) - Gerät eine Tagesmutter in den Verdacht einer Körperverletzung, reicht dies aus, um ihre Erlaubnis zur Kindertagespflege aufzuheben. Auch ein Fall kann hierfür schon Anlass bieten, wie das Verwaltungsgericht Potsdam entschieden hat (Az.: 7 L 295/20). Darauf weist die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins hin.
In dem verhandelten Fall hatten die Eltern ihren einjährigen Sohn in die Obhut einer Tagesmutter gegeben. Bereits nach einigen Tagen entdeckten sie Hämatome hinter dem Ohr des Jungen sowie an Armen und Beinen. Der Kinderarzt untersuchte die blauen Flecken und kam zu dem Ergebnis, dass es sich wahrscheinlich um die Abdrücke einer Erwachsenenhand handele. Das bestätigte ein weiterer Arzt im Krankenhaus.
Der Tagesmutter wurde daraufhin die Erlaubnis zur Kindertagespflege
entzogen. Gegen die Aufhebung legte sie ohne Erfolg Widerspruch ein. Das Gericht wog die Interessen der Tagesmutter gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Aufhebung ab. Das öffentliche Interesse überwiege hier. Sei das Wohl eines Kinds in der Kindertagespflegestelle
gefährdet, müsse die Erlaubnis ganz oder teilweise aufgehoben werden, sofern die Tagespflegeperson die Gefährdung nicht abwenden wolle oder könne.
Es spreche viel dafür, dass die Tagesmutter dem Jungen die Hämatome zugefügt habe. Sie habe damit eine zumindest fahrlässige Körperverletzung begangen. Bereits aufgrund dieses einen Falls bestehe die Besorgnis, dass das Kindeswohl in der Tagespflegestelle gefährdet sein könne. Zahlreiche Eltern hätten sich außerdem darüber beschwert, dass die Tagesmutter mitunter einen recht ruppigen Tonfall gegenüber den Kindern habe.
Die Richter konnten nicht ausschließen, dass die Tagesmutter in der täglichen Betreuung immer wieder in Situationen des Kontrollverlusts gerate, bei denen man eine Kindeswohlgefährdung nicht ausschließen könne.