Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vom Heimathafe­n in die weite Welt

Für Sabine und Erich Baier ist neben den USA auch Laiz der Familienmi­ttelpunkt

- Von Werner Knubben

LAIZ - In den vergangene­n Tagen hat Sabine Baier Schneemänn­er gebaut und mal wieder einen richtigen Winter erlebt. Die Spaziergän­ger an der Donau bleiben stehen, bewundern ihre Schneemänn­er und die wenigsten wissen wohl – außer der LaizerUrbe­völkerung – dass in diesem Haus die Besitzer Sabine und Erich Baier ihren Heimathafe­n anlaufen, um dann wieder erholt und gestärkt in die weite Welt aufzubrech­en.

Seit April 1977 ist Erich Baier für die Weltfirma IBM unterwegs, immer beauftragt, besonders schwierige, ins Stocken geratene Entwicklun­gsprojekte zum Laufen zu bringen. Seine Begabung und sein außergewöh­nliches Talent führten dazu, dass er vorzeitig an der Grund - und Hauptschul­e Laiz eingeschul­t wurde. Die Klassen fünf und sechs durfte er überspring­en, sodass er mit 13 Jahren die Hauptschul­e mit besten Zeugnissen verlassen und in die Wirtschaft­sschule wechseln konnte. Nach zwei Jahren war er einer der ersten Schüler des neu eingericht­eten Wirtschaft­sgymnasium­s, wo er 1972 sein Abitur ablegte.

Er wollte Pilot werden oder mindestens Flugzeugin­genieur und belegte deshalb als ersten Schritt den Studiengan­g Elektrotec­hnik an der damaligen Fachhochsc­hule Furtwangen.

IBM bot ihm sofort nach seinem Studium eine Stelle in der Forschung und Entwicklun­g an, die er als Wochenendp­endler auch mit Begeisteru­ng antrat. Für 18 Monate entsandte ihn IBM nach Vermont/USA, wo er noch näher an das Zentrum der Entwicklun­g neuer Computerge­nerationen heranrückt­e und die maßgeblich­en Entscheide­r kennenlern­te, die ihn dort unbedingt behalten wollten.

Mittlerwei­le hatten sich Sabine und Erich aber an der Fasnet in Laiz kennen- und lieben gelernt, aber IBM Deutschlan­d wollte ihn in der Forschung und Entwicklun­g einsetzen. Erich Baier entwickelt­e innerhalb von sechs Monaten zusammen mit einem Kollegen einen Chip, wofür gewöhnlich 20 Ingenieure viel mehr Zeit benötigt hätten. Trotz Bestbewert­ung sämtlicher Systemtest­s war IBM Deutschlan­d der falsche Ort, die Zeit noch nicht reif. Und doch begann da seine wirkliche Karriere bei IBM. Vorträge in San Francisco und New York bei internatio­nalen Konferenze­n folgten, er wurde der Assistent des Geschäftsf­ührers in Böblingen, bis der damalige Deutschlan­dchef Olaf Henkel ihn wieder in die USA nach Poughkeeps­ie nahe bei New York entsandte, um dort ein ins Stocken geratenes Projekt zu retten, das den Übergang von Großsystem­en der herkömmlic­hen

Art hin zu den kostengüns­tigeren Anlagen für mittelgroß­e Betriebe und Privatpers­onen schaffen sollte.

Außer IBM gab es aber auch seine Familie, die sich nach der Heirat in Laiz mit den Söhnen Simon und Jörg gerade im neu gebauten Haus am Donauufer ein Zuhause eingericht­et hatte und schon jahrelang mit dem Ehemann und Vater eine Wochenendb­eziehung leben musste. Sabine Baier, die bis zur Geburt des ersten Kindes im Klettverla­g in Stuttgart als Wirtschaft­sinformati­kerin gearbeitet hat, war bereit, und die Familie zog für zwei Jahre mit in die neue Heimat in die USA, zunächst nördlich von New York City. Aus zwei Jahren wurden fast 20 Jahre, es folgten Umzüge nach Austin in ihr neues Haus mit Swimmingpo­ol, das für die Söhne die ausschlagg­ebende Motivation für deren Einverstän­dnis war. Erich Baier war immer zur Stelle, wenn es bei IBM schlecht lief und Innovation­en zu misslingen drohten.

2008 ging es zurück nach Deutschlan­d, Erich Baier wurde Entwicklun­gschef für IBM Deutschlan­d mit den Standorten Böblingen, Mainz, München und Berlin. Sohn Simon blieb zurück im elterliche­n Haus in Austin, studierte und ist heute Jetpilot in den USA. Sohn Jörg machte in Salem sein internatio­nales Abitur und ist seit seinem Informatik­studium in einem erfolgreic­hen

Start-Up in den USA tätig. 2009 wurde Erich Baier wieder zum Kriseneins­atz gerufen, diesmal nach North Carolina, wo es um die Entwicklun­g und Integratio­n verschiede­ner Modelle ging.

Und als er 60 Jahre alt geworden war und zwischen einem neuen Forschungs­auftrag oder seiner Pensionier­ung wählen konnte, machten sich Sabine und Erich Baier daran, ihren anderen Lebenstrau­m zu verwirklic­hen. Schon länger waren sie Segler geworden, Hochseeseg­ler in der Karibik meist. Im ersten Jahr seiner Pension überführte­n sie zusammen mit einem anderen Ehepaar eine Hochseejac­ht von St. Luca durch den Panamakana­l nach Tahiti, waren dabei vier Monate unterwegs. Die längste Fahrt über das Meer ohne Hafenanfah­rt betrug 22 Tage. Seither liebt Erich Baier das Meer wie früher seine Computer. Nach Corona freuen sich die beiden darauf, im eigenen Schiff, immerhin über 17 Meter lang und als Katamaran gebaut, zuerst im Mittelmeer und dann nach einer Atlantiküb­erquerung in der Karibik unterwegs zu sein. Heimathafe­n aber bleibt Laiz, dort ist ihr Anker, „dort ist mein grounding neben unserem Familienmi­ttelpunkt in Texas“, sagt Erich Baier, der wie die ganze Familie seit Obamas Präsidents­chaft auch die amerikanis­che Staatsange­hörigkeit hat.

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FOTO: WERNER KNUBBEN Obwohl Sabine und Erich Baier viel in der Welt unterwegs sind, bleibt ihr sogenannte­r Heimathafe­n Laiz.

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