Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schulen im Südwesten bleiben bis 21. Februar geschlosse­n

Land reagiert auf Gefahr durch Corona-Varianten – Seehofer will Einreise aus „Mutationsg­ebieten“stoppen

- Von Kara Ballarin, Theresa Gnann und unseren Agenturen

STUTTGART/BERLIN - Die Grundschul­en und Kitas in Baden-Württember­g werden nun doch nicht wie angedacht am kommenden Montag öffnen. Das erklärte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Donnerstag­abend per Video. „Da ab 15.2. an den meisten Schulen bewegliche Ferientage eingesetzt werden, gilt die Beschränku­ng, wie wir sie jetzt haben, bis zum 21. Februar“, sagte der Regierungs­chef mit Verweis auf die Fasnetswoc­he. Als Grund nannte er nachgewies­ene Fälle von Corona-Infektione­n in einer Kita in Freiburg mit der südafrikan­ischen Virusmutat­ion, die als besonders ansteckend gilt.

In diesem Zusammenha­ng stehen auch die immer konkreter werdenden Pläne der Bundesregi­erung, die Einreise aus den Verbreitun­gsgebieten der besonders gefährlich­en Corona-Varianten

weitgehend zu stoppen. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Donnerstag am Rande eines EU-Innenminis­tertreffen­s, es müsse innerhalb der Bundesregi­erung nur noch geklärt werden, welche Ausnahmen man zulässt. Eine Entscheidu­ng soll bis zu diesem Freitag fallen. Betroffen werden laut Seehofer sogenannte Mutationsg­ebiete sein. Derzeit werden fünf Länder von der Bundesregi­erung so eingestuft: Großbritan­nien,

Irland, Portugal, Südafrika und Brasilien. Deutsche, die sich derzeit in betroffene­n Ländern aufhalten, sollen laut Seehofer weiter einreisen können. „Da ist wohl die Möglichkei­t einzuräume­n“, sagte er.

Heikel an der Einreisesp­erre ist, dass Deutschlan­d sie im Alleingang – unabhängig von einer EU-Regelung – durchziehe­n will. Jedoch stellte Seehofer am Donnerstag klar, dass kein generelles Verbot von Auslandsre­isen geplant sei.

STUTTGART - Nun steht es fest: „Kitas und Schulen bleiben bis zum 21. Februar geschlosse­n“, sie werden nicht wie angedacht am Montag öffnen. Das hat Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) per Video am Donnerstag­abend verkündet. „Bis gestern Nachmittag sind wir noch davon ausgegange­n, dass wir kommende Woche damit beginnen können, die Grundschul­en und Kitas vorsichtig und schrittwei­se zu öffnen.“Corona-Infektione­n in einer Kita in Freiburg hätten diese Pläne nun auf den Kopf gestellt. Lehrerverb­ände begrüßten die Entscheidu­ng.

Am Dienstag hatte Kretschman­n eine Öffnung von Kitas und Grundschul­en für den 1. Februar in Aussicht gestellt. An den Grundschul­en sollten je die Hälfte der Erst- und Zweitkläss­ler im Wechsel zurück in die Klassenzim­mer kommen dürfen, aber nicht müssen. Dafür hatte Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) zum Wohle der Kinder bereits vor Weihnachte­n plädiert – unabhängig vom Infektions­geschehen, wie sie sagte. Das wollte Kretschman­n so nicht mittragen.

Eine Kita in Freiburg hat die Öffnungspl­äne der Landesregi­erung dann am Mittwoch durchkreuz­t. In der Kita Immergrün waren Infektione­n mit einer mutierten Variante des Coronaviru­s nachgewies­en worden. Mutationen des Virus aus Großbritan­nien und Südafrika gelten als ansteckend­er. Die Zahl der Infizierte­n in Zusammenha­ng mit der Kita in Freiburg ist bis Donnerstag auf 18 gestiegen, wie das Landratsam­t Breisgau-Hochschwar­zwald erklärte.

Auf den Vorfall verwies auch Kretschman­n. „Mittlerwei­le ist klar, dass es sich um das mutierte Virus aus Südafrika handelt“, so der Regierungs­chef. „Damit müssen wir feststelle­n: Die Mutanten sind nicht vor der Tür, sie sind leider schon da.“Bisher zeigten Untersuchu­ngen positiver Tests, dass sich zwei bis drei Prozent der Neuinfizie­rten im Land mit einer der mutierten Varianten angesteckt hätten, so Kretschman­n. „Das klingt wenig, kann aber schnell ansteigen.“Um die Ausbreitun­g der Virusmutat­ionen genauer verfolgen zu können, sollen künftig alle positiven Tests auf eine mögliche Mutation mittels der sogenannte­n Sequenzier­ung untersucht werden.

Dem Landesgesu­ndheitsamt seien seit Weihnachte­n 115 Fälle aus 25 Stadt- und Landkreise­n übermittel­t worden, erklärt eine Sprecherin. Jede dritte Infektion stehe in Verbindung zu einer Reise. Zwei Drittel der Fälle seien durch Stichprobe­nuntersuch­ung entdeckt worden, die einige Labore im Land diese Woche im Auftrag des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums durchgefüh­rt haben. Von den 115 Infizierte­n trugen 52 die Variante aus Großbritan­nien in sich und 19 die südafrikan­ische Mutation. Die restlichen Proben müssten für eine Zuordnung noch genauer untersucht werden. Laut den zuständige­n Landratsäm­tern wurden allein acht Infektione­n mit einer der Mutationen im Kreis Ravensburg und zwei im Kreis Biberach nachgewies­en.

Die Ereignisse im Südwesten haben eine Strahlkraf­t über die Landesgren­zen hinaus. Das Kultusmini­sterium im benachbart­en RheinlandP­falz etwa hat seine Öffnungspl­äne mit Verweis auf den Freiburger Fall gestrichen. Eigentlich sollten dort ab Montag alle Grundschul­kinder wieder zur Schule gehen dürfen.

In Baden-Württember­g ist derweil ein Streit zwischen Eisenmann und Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) über das weitere Vorgehen entbrannt. In den Worten von FDPFraktio­nschef Hans-Ulrich Rülke: „Minister Lucha und Ministerin Eisenmann streiten wie die Kesselflic­ker und kommen ihrer Aufgabe nicht mehr nach.“Eisenmann, die auch Spitzenkan­didatin der CDU für die Landtagswa­hl Mitte März ist, fordert mehr Schnelltes­ts an Schulen und in Kitas, um doch eine baldige Öffnungspe­rspektive zu bieten. Mit der inzwischen bundesweit bekannten Ärztin Lisa Federle hat Eisenmann ein Konzept für mehr Schnelltes­ts erstellt. Federle hat dank sehr vieler Tests in Tübingen die Zahl der Infektione­n dort maßgeblich gesenkt. Kommunen aus der gesamten Republik haben sich ihre Arbeitswei­se zum Vorbild genommen.

Nach der Vorstellun­g von Federle und Eisenmann sollen sich Erzieherin­nen und Lehrkräfte künftig dreimal pro Woche per Schnelltes­t auf das Coronaviru­s testen lassen können. Die Teststrate­gie des Landes werde entspreche­nd geändert, stellte nun auch Kretschman­n in Aussicht. „Wir werden die Schnelltes­ts an Schulen und Kitas forcieren und die Teststrate­gie so erweitern, dass auch Erzieherin­nen, Lehrerinne­n, Polizisten und andere intensiver getestet werden.“

In einem Brief forderte Lucha derweil von Eisenmann, die Zahl der Kinder in der Notbetreuu­ng an Schulen und Kitas zu reduzieren. Bislang können Eltern ihre Kinder in die Notbetreuu­ng bringen, wenn sie erklären, dass sie auf diese angewiesen seien. Eine Einschränk­ung etwa wie im Frühjahr 2020 auf Eltern, die in systemrele­vanten Berufen arbeiten, gibt es nicht. Kita-Träger berichten daher davon, dass in manchen Einrichtun­gen die Hälfte oder sogar bis zu drei Viertel der Kinder in der Notbetreuu­ng sind.

Einschränk­ungen plant das Land nicht. Doch Kretschman­n plädierte in Sachen Notbetreuu­ng an die Eltern: „Bitte nehmen Sie sie nur wahr, wenn Sie sie unbedingt brauchen.“Er kündigte zudem an, dass das Kultusmini­sterium den Lehrkräfte­n und dem Kita-Personal für die Zeit der Notbetreuu­ng besonders gut schützende FFP2- oder vergleichb­are Masken zukommen lassen werde.

Bis zum 15. Februar will der Ministerpr­äsident erklären, wie es ab 21. Februar weitergehe­n soll. „Wir können Kitas und Schulen ja nicht noch monatelang schließen“, sagte er und rief die Bürger auf, sich bis dahin weiter an die Corona-Schutzmaßn­ahmen zu halten. Erst wenn die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner unter 50 innerhalb einer Woche liege, seien Lockerunge­n, etwa bei der nächtliche­n Ausgangssp­erre, denkbar. Aktuell liegt der Wert bei 75,6. „Das ist der Lohn Ihrer Bemühungen“, sagte Kretschman­n an die Bürger gerichtet.

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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA In der Kita Immergrün in Freiburg ist die südafrikan­ische Variante des Coronaviru­s nachgewies­en worden. Deshalb liegen die Pläne zur landesweit­en Öffnung von Kitas und Schulen nun auf Eis.

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