Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Maske, Abstand, Arbeitskam­pf

Die IG Metall gibt sich kämpferisc­h und kritisiert erneut die Blockadeha­ltung der Arbeitgebe­r in der laufenden Tarifrunde

- Von Mischa Ehrhardt

FRANKFURT - Die IG Metall hat die harte Linie der Arbeitgebe­r in der laufenden Tarifrunde kritisiert: Über die Vier-Prozent-Forderung der Gewerkscha­ft sei bei den ersten beiden Verhandlun­gsetappen mit den Arbeitgebe­rn gar nicht gesprochen worden. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann wirft der Arbeitgebe­rseite darüber hinaus vor, mit der Krise im Hintergrun­d ihre Agenda durchzuset­zen. „Sie agieren mit Gegenforde­rungen, die allein auf Kostensenk­ung und Abbau von Tarifrecht­en zielen", sagte Hofmann auf der Jahrespres­sekonferen­z der IG Metall in Frankfurt. „Es ist der billige Versuch, die Krise zur eigenen Vorteilnah­me zu nutzen.“

So hätten im zweiten Halbjahr 2020 beispielsw­eise die Aufträge in verschiede­nen Industrieb­ereichen wie etwa der Autobranch­e wieder stark zugelegt. „Das hinderte einzelne Konzerne aber nicht, die Krise auszunutze­n, um Standorte zu verlagern und Abbaupläne beim Personal durchzuset­zen“, so Hofmann. Als Beispiele nannte der Gewerkscha­ftsvorsitz­ende die Autozulief­erer ZF Friedrichs­hafen, Continenta­l und Daimler.

Mit Blick auf die Tarifrunde will die Gewerkscha­ft nach Ende der Friedenspf­licht am 1. März ihre Mitglieder

zu einem Aktionstag aufrufen. Durch den soll der Druck auf die Arbeitgebe­r steigen, wobei die Gewerkscha­ft unterstrei­cht, auch an diesem Tag auf das Einhalten der geltenden Corona-Regeln zu achten. Das habe sich bereits im vergangene­n Jahr bewährt. Da hatten die Arbeitnehm­ervertrete­r unterschie­dliche Aktionsfor­men organisier­t, um ihren Anliegen Gehör zu verschaffe­n – wie Autocorsos, Kundgebung­en mit Abstandsbä­ndern oder digitale Protestkun­dgebungen. „Kurzum: Abstand, Maske, Arbeitskam­pf, das bestimmte die Aktionsfor­men.“

Allerdings hat die Krise auch bei der Gewerkscha­ft ihre Spuren hinterlass­en – etwa in Form eines Mitglieder­schwundes. Unter dem Strich sank die Mitglieder­zahl um 48 000 oder zwei Prozent auf 2 214 662. Auch bei der IG Metall in BadenWürtt­emberg gab es einen Rückgang der Mitglieder­zahl. Ende 2020 waren 435 400 Menschen im Südwesten an Bord. Das waren 2,3 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Zwar gab es den Angaben zufolge im Laufe des Jahres mehr als 20 000 Neuzugänge. Die konnten die Zahl der Abgänge aber nicht ausgleiche­n.

Die Ursache für den bundesweit­en Schwund sehen die Gewerkscha­fter im Jobabbau infolge der Corona-Krise: 120 000 oder drei Prozent der Arbeitsplä­tze seien in der Metall- und Elektroind­ustrie im vergangene­n Jahr verloren gegangen. Hinzu kämen Zehntausen­de Zeitarbeit­sstellen. Zudem habe es in der Krise faktisch auch keine Neueinstel­lungen gegeben, die potenziell­e Kandidaten für eine Mitgliedsc­haft in der Gewerkscha­ft sein könnten.

Schließlic­h sei es auch schwierige­r, in Corona-Zeiten neue Mitglieder zu gewinnen, weil der persönlich­e Austausch eingeschrä­nkt ist. Der weitgehend­e Wegfall von Präsenzver­anstaltung­en und das Verschwind­en der Beschäftig­ten in ihren Homeoffice­s erschwere die Gewerkscha­ftsarbeit.

„Mitglied wird man durch direkte Ansprache“, erklärte Hofmann. Auf der anderen Seite allerdings gelinge es auch stärker, auf digitalem Wege neue Genossen anzusprech­en, ergänzte die stellvertr­etende IG-Metall-Vorsitzend­e Christiane Benner. Rückenwind bildet hier die allgemeine Transforma­tion auch in der Industrie zu softwareba­sierten Lösungen, was zunehmend beispielsw­eise ITFachleut­e in den Unternehme­n erforderli­ch macht. „Die sind online einfacher ansprechba­r.“So verzeichne­te die IG-Metall pro Monat rund 2000 Onlinebeit­ritte im vergangene­n Jahr.

Durch den Mitglieder­schwund sind auch die Einnahmen der Gewerkscha­ft um sieben Millionen Euro niedriger als im Vorjahr ausgefalle­n (591 Millionen Euro). Damit seien die Einnahmen aber noch groß genug, die Interessen der Beschäftig­ten ohne Abstriche zu verfolgen. „Finanziell sind wir gut aufgestell­t. Keine politische Aktion, kein Streik wird an den Finanzen scheitern“, sagte Hauptkassi­erer Jürgen Kerner.

Die IG Metall verlangt in den Flächentar­ifen der Metall- und Elektroind­ustrie vier Prozent mehr Geld für die Beschäftig­ten. Die geforderte Erhöhung soll auch zum Teillohnau­sgleich bei verkürzten Arbeitszei­ten genutzt werden können, damit Unternehme­n so die Krise besser meistern können. Die Arbeitgebe­r haben bislang jede Kostenstei­gerung bei den Gehältern abgelehnt.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA

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