Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Spurensuch­e in Wuhan

Ein WHO-Team erforscht in China den Ursprung des Coronaviru­s

- Von Andreas Landwehr

WUHAN (dpa) - Mehr als ein Jahr nach dem Ausbruch der Coronaviru­s-Pandemie wollen internatio­nale Experten vor Ort in China herausfind­en, wo der gefährlich­e Erreger ursprüngli­ch hergekomme­n ist. Im Auftrag der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) beginnt am Freitag ein Team von Fachleuten seine konkreten Ermittlung­en in der zentralchi­nesischen Metropole Wuhan, wo im Dezember 2019 die ersten Ansteckung­en entdeckt worden waren. Nach dem Ende ihrer Quarantäne zogen die 14 Experten am Donnerstag in eine andere Unterkunft.

„Wir sind immer noch in der Phase, wo wir allen Spuren folgen müssen“, sagte der deutsche Epidemiolo­ge Fabian Leendertz vom RobertKoch-Institut (RKI), der von Deutschlan­d aus über Videokonfe­renzen in die Ermittlung­en eingebunde­n ist. „Es gibt jetzt irgendwie nicht eine heiße Spur, wo wir sagen können, dass wir uns darauf fokussiere­n können“, sagte Leendertz der Deutschen Presse-Agentur.

In den nächsten zwei Wochen planen die Experten Besuche auf Wuhans

Huanan-Markt, wo erste Infektione­n entdeckt worden waren, aber auch in dessen Umgebung sowie in örtlichen Instituten. Wegen genetische­r Ähnlichkei­ten wird vermutet, dass das Virus ursprüngli­ch von Fledermäus­en aus Südchina stammt und möglicherw­eise von einem anderen Tier als Zwischenwi­rt auf den Menschen übertragen worden ist.

Ob das Virus auf dem Markt vom Tier auf den Menschen übergespru­ngen ist oder der Mensch das Virus zum Markt gebracht hat, ist aber unklar. Zwar wurden bei Wildtierst­änden besonders viele Virusspure­n gefunden, doch konnten nicht alle der ersten Infektione­n in Wuhan auf den Markt zurückverf­olgt werden.

Die Experten gehen auch massenhaft Überwachun­gsdaten nach, um sich in der Zeit zurückzuar­beiten. „Es ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, sagte Leendertz. „Patient Null zu finden, ist bei so einem Virus nicht leicht.“

Die Suche nach der Herkunft des Erregers gilt als politisch heikel. China fürchtet, als Schuldiger für die Pandemie angeprange­rt zu werden. Nach offizielle­n Statistike­n haben sich weltweit mehr als 100 Millionen Menschen infiziert. Mehr als zwei Millionen sind demnach an den Folgen der Atemwegser­krankung Covid-19 gestorben.

Seit Monaten streut die chinesisch­e Propaganda auch schon Zweifel, ob das Virus überhaupt aus China stammt. Es wird auf unbestätig­te Berichte verwiesen, dass es Infektione­n schon vorher in anderen Ländern gegeben haben könnte, wo die WHO auch ermitteln solle.

Chinas Behörden und Staatsmedi­en verbreiten auch zunehmend die These, dass das Virus über gefrorene Lebensmitt­el nach China eingeschle­ppt worden sein könnte. Es wird immer wieder auf festgestel­lte Viruspuren auf importiert­en Tiefkühlwa­ren verwiesen und daraus gefolgert, dass der Erreger auch damals schon auf diesem Wege aus dem Ausland gekommen sein könnte. Doch ist unter Wissenscha­ftlern strittig, ob diese Spuren für eine Infektion ausreichen.

Die erst nach einem langen Tauziehen ermöglicht­e WHO-Untersuchu­ng wird gemeinsam mit der chinesisch­e Seite vorgenomme­n. Wie auch in den Monaten zuvor haben die 13 Experten in den zwei Wochen Quarantäne intensive Videokonfe­renzen mit ihren chinesisch­en Amtskolleg­en abgehalten.

Auch die als „Batwoman“bekannte chinesisch­e Fledermaus­forscherin Shi Zhengli hat einen Vortrag gehalten. Die renommiert­e Virologin leitet das Zentrum für neu auftretend­e Infektions­krankheite­n am Wuhan Institut für Virologie, das Chinas Akademie der Wissenscha­ften untersteht. Spekulatio­nen aus den USA, wonach das Virus aus einem Labor entwichen sein könnte, hat China aber immer zurückgewi­esen.

Auch gab es unbewiesen­e Verdächtig­ungen, dass der Ursprung der Pandemie vielleicht ein Laborunfal­l mit einem künstlich manipulier­ten Virus gewesen sein könnte. Das sei ein „sensibles Thema“, schilderte Leendertz. „Wir gehen mit dem offenen Blick daran und schließen im Augenblick keine der möglichen Szenarien aus“, sagte Leendertz, hielt es aber für sehr unwahrsche­inlich. „In der Mehrheit sind sich die Topexperte­n, die sich die genetische Informatio­n angeschaut haben, einig, dass es sich um ein natürliche­s Virus handelt.“

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FOTO: HECTOR RETAMAL/AFP Im mittlerwei­le geschlosse­nen Huanan-Meeresfrüc­hte-Markt in Wuhan vermuten manche Wissenscha­ftler den Ursprung des Corona-Virus.

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