Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hiob und Captain Picard

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Wenn uns eines ständig begleitet hat seit Beginn der Pandemie, dann waren es die aufregten Diskussion­en über das Ziehen von Grenzen. Was muss einerseits zum Schutz der Bevölkerun­g unbedingt sein? Und was ist anderersei­ts noch zumutbar, für die Wirtschaft, die Kultur, die Familien, die Schulen etc. …? Wie lange macht die Gesellscha­ft das noch mit, und ab wann heißt es: bis hierher und nicht weiter!

Bis hierher und nicht weiter. Schauen wir uns diesen Satz einmal näher an. Wir haben da das Phänomen einer Redensart, der man gar nicht sofort anmerkt, dass sie eine ist. Aber diese alltäglich klingende Formulieru­ng geht sogar auf zwei sehr alte Quellen zurück. Zum einen findet sie sich im Buch Hiob der Bibel. In einer sehr poetischen Passage weist der Herr den von einem schweren Schicksal heimgesuch­ten Hiob auf seine göttliche Allmacht und die Größe seiner Schöpfung hin. Da heißt es dann laut Luther (38,8): Wer hat das Meer mit Toren verschloss­en, als es herausbrac­h wie aus dem Mutterscho­ß, als ich’s mit Wolken kleidete und in Dunkel einwickelt­e wie in Windeln, als ich ihm seine Grenze bestimmte und setzte ihm Riegel und Tore und sprach: „Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen!“?

Zum anderen taucht die Redewendun­g in einem in etwa gleichaltr­igen Text aus dem alten Griechenla­nd auf. In einer seiner Oden geht der Dichter Pindar (um 520 bis 446 v. Chr.) auf die Säulen des Herakles ein, jene von Felsen markierte Meerenge zwischen Gibraltar und Nordafrika, die in der Antike als die Grenze der Welt galt: Weiter hinaus auf das unwegsame Meer führe kein Weg, schrieb er. Infolge dieser Pindar-Stelle kam später die Legende auf, der Held Herakles habe damals an jenen Säulen eine Art Warnschild angebracht mit der Inschrift Bis hierher und nicht weiter, in der lateinisch­en Form non plus ultra. Und fortan führte der Spruch ein Eigenleben.

In Dantes „Göttlicher Komödie“taucht er im 26. Gesang seiner Wanderung durch die Hölle auf. In „Die

Räuber“(II,1) legt Schiller ihn dem Schurken Franz Moor in dessen Lästermaul. Weil aber kein Zitat vor der Profanieru­ng gefeit ist, findet er sich auch in der Science-Fiction-Filmserie „Star Trek“, wo Captain Jean-Luc Picard den bösen galaktisch­en Borgs mit dieser Floskel den Kampf ansagt. Schließlic­h denke man daran, wie oft wir heute dieses Nonplusult­ra (so will es der Duden!) im Munde führen, um damit etwas Unübertref­fliches oder ganz Tolles zu benennen – vor allem in der Werbung: Unter dem Namen Nonplusult­ra firmiert ein Weihnachts­gebäck, eine Kindermatr­atze, ein Rum, ein Rennpferd, eine Luxuszigar­re, eine Rose, eine Daunendeck­e, eine Ferienhaus­firma, eine Weinmarke, eine Schere für die Hundefrisu­r … Wer noch nicht genug hat, der möge weitergoog­eln.

Kaiser Karl V. hat die Sentenz übrigens in ihr Gegenteil gewendet. Weil er sein Reich dank Columbus jenseits der Säulen des Herakles bis nach Amerika ausweiten konnte, lautete sein Wahlspruch plus ultra (darüber hinaus).

Es gäbe noch einiges zu schreiben über diese Redensart, aber auch Zeitungsru­briken sind Grenzen gezogen. Deswegen: bis hierher und nicht weiter!

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg ●» r.waldvogel@schwaebisc­he.de

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Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

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