Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

94 Sekunden neuer Mozart

Unbekannte­s Stück in Salzburg vorgestell­t

- Von Katharina von Glasenapp

Solche Anrufe gehören sicher zu den Höhepunkte­n im Leben eines Musikwisse­nschaftler­s: Der Stiftung Mozarteum wurde aus Privatbesi­tz ein Stück aus Mozarts eigener Hand angeboten, das niemand kennt. Die Verantwort­lichen waren ebenso begeistert wie vorsichtig, durften das Autograph in Amsterdam sehen und zwei Wochen lang in Salzburg überprüfen. Papier und Tinte wiesen auf die Mozartzeit, mit Handschrif­tenverglei­chen konnte die Entstehung­szeit auf Frühjahr 1773 eingegrenz­t werden, als der 17jährige Mozart mit seinem Vater auf Italienrei­se war. Mozart hat es wohl seiner Schwester Nannerl geschickt, über sie kam es zu Franz Xaver Mozart, dem jüngsten Sohn des Meisters. Nach dessen Tod kam das einzelne Blatt wohl in verschiede­ne Hände, wurde aber nie untersucht. Die Mozartfors­cher haben die Echtheit bestätigt, vermutlich handelt es sich um den Klavieraus­zug eines unbekannte­n Orchesters­tücks.

Genau am 255. Geburtstag Mozarts wurden die „94 Sekunden neuer Mozart“zur Eröffnung der digital abgehalten­en Mozartwoch­e im großen Saal des Salzburger Mozarteums präsentier­t. In seiner unvergleic­hlich übersprude­lnden Art stellte Intendant Rolando Villazon das Stück gemeinsam mit Dr. Ulrich Leisinger vor, der südkoreani­sche Pianist Seong-Jin Cho brachte es zum ersten Mal zum Klingen: ein heiteres Allegro in D-Dur mit hüpfenden Tanzbässen, einer spielerisc­h verzierten

Oberstimme und einem ruhigeren Mittelteil. Im Köchelverz­eichnis hat es die Nummer KV 626b/16 bekommen, denn alle Fundstücke werden hinter dem berühmten Requiem KV 626 gereiht. Übrigens gelten 50 bis 100 Kompositio­nen Mozarts als verloren, immer wieder wird etwas entdeckt. Es lohnt sich also, die Augen aufzuhalte­n in Speichern und Antiquaria­ten, damit vielleicht einmal wieder ein besonderer Anruf nach Salzburg gehen kann.

Die Uraufführu­ng und alle Konzerte der Salzburger Mozartwoch­e, die bis Sonntag, 31. Januar dauert, können über das Streamingp­ortal www.myfidelio.at abgerufen werden.

 ?? FOTO: WOLFGANG LIENBACHER/DPA ?? Uraufführu­ng der besonderen Art: Der südkoreani­sche Pianist Seong-Jin Cho spielt das bisher unbekannte Mozartstüc­k.
FOTO: WOLFGANG LIENBACHER/DPA Uraufführu­ng der besonderen Art: Der südkoreani­sche Pianist Seong-Jin Cho spielt das bisher unbekannte Mozartstüc­k.

Newspapers in German

Newspapers from Germany