Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Leben in Bad Saulgau: Stadt fragt Bürger
Land fördert Projekt – Das Ziel sind Quartiere, in denen sich alle Generationen wohlfühlen
BAD SAULGAU - 10 000 Fragebogen hat die Stadtverwaltung Bad Saulgau drucken lassen. Mit dem Stadtjournal flattere der Fragebogen zu Beginn des Jahres in die Haushalte in der Kernstadt und in den Ortschaften. Es geht um ein Zukunftskonzept für das „Leben und Wohnen“in Bad Saulgau. Mit dem Fragebogen sollen Bürger die Möglichkeit erhalten, Ideen und Vorschläge in diesem Prozess einzubringen. Begleitet wird dieser Prozess vom Verein Bürger helfen Bürger. Das Land fördert die Befragung mit 70 000 Euro. Durchgeführt und ausgewertet wird die Befragung vom Institut AGP Sozialforschung in Freiburg.
Elisabeth Gruber, Vorsitzende des Vereins Bürger helfen Bürger, illustriert das der Befragung zugrundeliegende Thema mit ihren persönlichen Zukunftsplänen: „So lange ich gehen kann, will ich hier bei mir zu Hause wohnen. Ich möchte nicht ins Pflegeheim.“Mit ihrer persönlichen Zukunftsplanung ist die pensionierte Lehrerin laut sozialwissenschaftlichen Studien nicht allein. „Selbstbestimmt zu leben, in soziale Netzwerke eingebunden zu sein und bei Bedarf vor Ort ambulant gut versorgt zu sein – das wünschen sich die Menschen heute.“Mit dieser Aussage aus der Vorlage zur Gemeinderatssitzung im Oktober 2019 beschloss der Gemeinderat den Antrag auf Teilnahme am Landesprogramm „Quartiersimpulse. Beratung und Umsetzung von Quartiersprojekten vor Ort“. Bad Saulgau bekommt den neuen Trend bei Senioren auch an anderer Stelle zu spüren. Nach der Landesheimbauverordnung sind im Altenund Pflegeheim St. Antonius die baulichen Voraussetzungen für ein möglichst selbstbestimmtes Wohnen im Altenheim nicht erfüllt. Die Konsequenz: die Zukunft des erst 2002 erbauten Gebäudes als Altenund Pflegeheim ist nach einer Übergangsfrist in Frage gestellt. Hinzu kommt: Die Zahlungen der Pflegeversicherung und die Rente reichen in der Regel nicht aus, um die Kosten für die stationäre Pflege zu finanzieren.
Um ein Leben bis ins hohe Alter in der gewohnten Umgebung, im Bedarfsfall mit Unterstützung ehrenamtlicher oder professioneller ambulanter Dienste, geht es in dem Fragebogen. Entstehen sollen Quartiere für das Zusammenleben aller Generationen durch kommunale Projekte und durch Investitionen Dritter. Solche Projekte und der Bau der dafür notwendigen Infrastruktureinrichtungen
kann auch über die städtische Bauleitplanung entwickelt werden. Stichworte wie Wohngemeinschaften für Senioren, Wohnen für Jung und Alt und bezahlbarer Wohnraum nennt Elisabeth Gruber als Stichworte. „Das betrifft alle Generationen“, so Elisabeth Gruber.
Die Umfrage wendet sich deshalb ausdrücklich auch an junge Menschen ab 18 Jahren. Die mit der Umfrage betraute AGP weist im Fragebogen darauf hin, dass die Angaben ohne Namen gespeichert werden.
„Das ist der erste Schritt“, macht Elisabeth Gruber deutlich. Wenn es konkreter an die Umsetzung geht, soll die Bürgerbeteiligung fortgesetzt werden. „Die Menschen müssen mit im Boot sein, sie müssen sich in den Konzepten wiederfinden“, fordert Elisabeth Gruber. Auch deshalb hofft sich auf eine hohe Teilnehmerquote bei der Befragung: „30 Prozent wäre schön.“
Für den Ersten Beigeordnet Richard Striegel hängt die Form der Bürgerbeteiligung nach der Fragebogenaktion auch von der Entwicklung der Corona-Infektionszahlen ab. „Die ausgewerteten Daten sollen Ende März vorliegen“, schreibt Striegel in einer Mail auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Ob anschließend im April eine Präsenzveranstaltungen zur Vorstellung der Ergebnisse möglich sein wird, müsse noch abgewartet werden. Ob und wann die geplanten Bürgertische machbar sind, bleibe ebenfalls offen. Nach wie vor bleibe ein Projektabschluss noch in diesem Jahr das Ziel. Als Elemente der Bürgerbeteiligung nennt er die öffentliche Vorstellung der Ergebnisse, Bürgertische mit Themen, Exkursionen mit Teilnehmern sowie eine Beratung der Abschlussergebnisse im Gemeinderat zur konzeptionellen und planerischen Umsetzung von Teilschritten. Zum Abschluss denkt Striegel an einen Aufruf zu genossenschaftlichen und privaten Initiativen in Eigenregie auf Basis der Ergebnisse.