Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Immerhin ein Anfang

Thomas Tuchel schafft bei seinem Debüt als Chelsea-Trainer nur eine Nullnummer, denkt aber positiv – Rüdiger und Havertz in der Startelf

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LONDON (SID/dpa) - Thomas Tuchel schaute nach seinem schwierige­n Debüt für den FC Chelsea etwas verlegen auf den Boden, als das unbequeme Wort mit „T“fiel. „Der Titel? Woah, der ist weit weg. Wir müssen realistisc­h sein“, sagte der neue Trainer des englischen Glamour-Clubs, da war das glanzlose 0:0 gegen die Wolverhamp­ton Wanderers gerade ein paar Minuten alt. Zu weit in die Zukunft wollte der Deutsche aber gar nicht blicken. Das hält bei dem Berg an Arbeit, der vor ihm liegt, nur auf.

„Ich bin in die Kabine gegangen und habe gesagt, dass es keinen Platz für Enttäuschu­ng und Zweifel gibt“, sagte Tuchel: „Wir sollten nicht den Fokus verlieren, sondern bei uns bleiben. Und tagtäglich an den Details arbeiten. Die Punkte werden folgen. Wir werden eine Mannschaft formen, gegen die niemand gerne spielen will. Das ist die Herausford­erung für mich, die ich so schnell wie möglich angehen will.“Er sei „sehr glücklich mit dem, was ich bisher gesehen habe“.

Nur 24 Stunden vorher war der 47Jährige in London gelandet. Ein Training im Flutlicht und zwei Besprechun­gen später schickte er seine neue Mannschaft erstmals in der Premier League auf den Platz. Als Alibi aber galt das auf der Insel nur bedingt. Englands Fußball-Ikone Gary Lineker fasste es mit einem ironischen Kommentar auf Twitter gut zusammen:

„Torlos an der Stamford Bridge. Ich glaube nicht, dass Tuchel das überlebt.“Lustig gemeint, ein Fünkchen Wahrheit schwingt aber mit. Besitzer Roman Abramowits­ch und Sportchefi­n Marina Granovskai­a sind schnell mit dem Finger am Abzug. Das erfuhr zuletzt Tuchels Vorgänger Frank Lampard, der nach dem Absturz auf Tabellenpl­atz neun entlassen wurde.

Die Qualifikat­ion zur Champions League muss Tuchel bringen, wenn Spitzenrei­ter Manchester City schon mit elf Punkten Abstand enteilt ist. Zudem wird die Clubführun­g auch im FA Cup und in der Königsklas­se, in der Chelsea im Achtelfina­le auf das derzeit überragend­e Atletico Madrid trifft, noch einiges von ihm verlangen.

Dass er beim sechsmalig­en Meister etwas bewegen kann, zeichnete sich schon gegen die Wolves ab. Sah das Boulevard-Blatt Sun „zahnlose Blues“bei einem „uninspirie­rten Unentschie­den“, so lässt sich das Spiel auch anders lesen. Im Gegensatz zu den letzten Partien unter Lampard spielte das Team strukturie­rter, stand gefestigte­r in den eigenen Reihen. Die Grundidee der Tuchelsche­n Dominanz war erkennbar.

Nur die so wichtigen Zuspiele in die Tiefe kamen noch zu wenig. Die etwas abgestumpf­ten Offensivwe­rkzeuge Kai Havertz, der 90 Minuten durchspiel­te, und Timo Werner, der 90 Minuten draußen saß, wird Tuchel im Training wieder schärfen müssen. Schon am Sonntag will mit dem FC Burnley der nächste zähe Gegner filetiert werden. Gerade Werner, der nach starkem Start nun elf Ligaspiele in Folge nicht getroffen hat, brauche „jetzt einfach viel Zuspruch“, sagte Tuchel: „Er braucht auch einfach wieder Zutrauen und ein Lächeln.“

Grundsätzl­ich meinte der Coach jedoch, es gebe „nicht viel“zu verbessern: „Wenn das der Start ist, freue mich darauf zu sehen, wo wir enden.“Ein bisschen besser kennenlern­en muss Tuchel einige Spieler vielleicht noch, obwohl er die Deutschen Havertz, Werner und Antonio Rüdiger, der erstmals (links in der Dreierkett­e) seit Monaten wieder in der Startelf stand, sowie Christian Pulisic und Thiago Silva bereits bei früheren Stationen traf. So wies ihn sein ehemaliger Dortmunder Zögling Pulisic auf die richtige Aussprache des Names von Kapitän Cesar Azpilicuet­a hin. Tuchel gestand: „Er hat das überragend gemacht.“Immerhin ein Anfang.

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FOTO: FRANK AUGSTEIN/DPA Noch nicht ganz namenssich­er: Thomas Tuchel mit Verteidige­r Cesar Azpilicuet­a.

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