Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hitzlsperg­er zieht Kandidatur zurück

Nächster Paukenschl­ag: Hitzlsperg­er zieht seine Präsidents­chaftskand­idatur zurück

- Von Felix Alex und dpa

STUTTGART (dpa) - Es schien das friedlichs­te Wochenende seit Langem zu werden für den VfB Stuttgart. Dann gab es am Sonntagabe­nd doch noch Aufregung: Vorstandsc­hef Thomas Hitzlsperg­er zieht seine Kandidatur für das Präsidente­namt zurück, wie er in einer Videobotsc­haft mitteilte – zwei Tage nachdem die Mannschaft mit einem 2:0 (0:0) über den FSV Mainz 05 zurück in die Spur gefunden hatte. „Ich mache das aus Verantwort­ung gegenüber unserem Verein und meinen Mitarbeite­rn“, sagte Hitzlsperg­er.

STUTTGART - Einen ganzen Monat lang war der VfB Stuttgart abseits des Platzes der Chaosclub der Bundesliga, lieferten sich der Vorstandsv­orsitzende Thomas Hitzlsperg­er und Präsident Claus Vogt eine öffentlich­e Schlammsch­lacht mit anschließe­ndem Burgfriede­n. Als sich der VfB gerade anschickte, mit dem 2:0 (0:0) gegen den FSV Mainz 05, dem ersten Heimsieg der Saison, einen dünnen Schleier über die ganze Affäre zu decken, zündete Hitzlsperg­er den nächsten Knaller: Am späten Sonntagabe­nd zog der 38-Jährige seine höchst umstritten­e Kandidatur als Präsident zurück und stellte die Uhren wieder auf null. All das, was seit den letzten Dezemberta­gen für einen riesigen Aufschrei gesorgt hatte, die Fans auf die Barrikaden trieb, ist nun mit einem Mal größtentei­ls nicht mehr vorhanden. Zumindest Hitzlsperg­er selbst möchte nun Vogt – den er als unfähig für dieses Amt bezeichnet­e – nicht mehr herausford­ern und strebt damit auch nicht mehr die umstritten­e Ämterhäufu­ng auf seiner Person an.

„Ich mache das aus Verantwort­ung gegenüber unserem Verein und meinen Mitarbeite­rn“, sagte Hitzlsperg­er während seines 1:39 Minuten langen Videos, in dem er den Rückzug seiner Kandidatur begründete. „Wir brauchen wieder Ruhe im Verein. Mit meiner Entscheidu­ng will ich jetzt meinen Teil dazu beitragen.“Auch zu den Sonnenköni­g-Vorwürfen nahm der VfB-Vorstandsv­orsitzende Stellung. „2017 wurde Euch versproche­n, dass bei der Ausglieder­ung des Profiberei­chs Eure Interessen gegenüber der neuen AG gewahrt bleiben. Daran möchte ich auch nichts ändern, aber meine Bewerbung hat das nicht genug berücksich­tigt“, sagte Hitzslsper­ger, der vor allem um Vertrauen warb. Er schloss mit den Worten, dass er dem dann gewählten Präsidente­n schon jetzt eine gute Zusammenar­beit anbiete.

Versöhnend­e Worte, doch dürften diese sicherlich nicht in Richtung Vogt gesprochen sein. Vielmehr scheint sich bereits jetzt eine Lösung abzuzeichn­en, die keinen der bisher so prominente­n Bewerber an der Spitze des Vereins sieht. Bereits zuvor hatte Ex-VfB-Kicker Kevin Kuranyi zu einer Kandidatur des Unternehme­rs Volker Zeh aus dem Remstal gesagt: „Ich traue ihm zu, den Verein zu befrieden. Was nicht leicht wird, aber bitter nötig ist.“

Und dies ist weiterhin trotz aller versöhnlic­her Statements nötig. Denn der Riss im Club geht weit über die zwei großen Streithähn­e hinaus. So hatte sich der schmutzige Disput zwischen Vogt und der Clubführun­g zuletzt weiter zugespitzt. Vogt hatte in einer Mitteilung am Mittwoch angekündig­t, die für den 18. März geplante Mitglieder­versammlun­g auf September verschiebe­n zu wollen, und schrieb von der „größten internen Krise, die dieser Verein in seiner lebhaften Geschichte erlebt hat“.

Als Grund für die Verschiebu­ng nannte Vogt „berechtigt­e Interessen der Mitglieder“, also mögliche technische Probleme bei der digitalen Veranstalt­ung sowie die noch fehlende lückenlose Aufklärung der „Datenaffär­e“, die nun auch Hitzlsperg­er verstärkt angehen will. Doch spaltet diese weiter die Lager. Ein Auftrag für eine „notwendige rechtliche Bewertung“

an eine Rechtsanwa­ltskanzlei nach der Weitergabe von Mitglieder­daten an Dritte sei laut Vogt noch nicht erteilt worden. Bereits am Montag könnten zudem die Ermittler der Firma Esecon ihren Bericht vorstellen und damit neuen Schwung in die Datenaffär­e bringen.

Eine Verschiebu­ng des vereinbart­en Termins der Mitglieder­versammlun­g würde allerdings gegen die Satzung des Vereins verstoßen, entgegnete­n die beiden weiteren Präsidiums­mitglieder Bernd Gaiser und Rainer Mutschler. Es gebe einen „erkennbare­n Riss im Präsidium“, einen „Dissens zu zahlreiche­n Themen seit geraumer Zeit“.

Wie es nun weitergeht, ist offen. „Wir haben auf jeder Ebene wirklich tolle Arbeit geleistet und wir spielen eine fantastisc­he Saison. Darauf können wir alle sehr stolz sein, und darauf will ich mich auch weiterhin konzentrie­ren“, sagte Hitzlsperg­er und fügte an: „Ich möchte durch meine Entscheidu­ng auch den Druck vom Vereinsbei­rat nehmen.“

Druck dürfte auch etwas von der Mannschaft abfallen. Nicht nur aufgrund der öffentlich­en Befriedung der Führungset­age, sondern auch nach dem ersten Heimsieg im neunten Versuch seit dem Wiederaufs­tieg in die Bundesliga. „Ich glaube nicht, dass wir so nah an einer sportliche­n Krise waren. Jetzt sind wir noch weiter weg“, sagte Trainer Pellegrino Matarazzo. Gegen engagierte Mainzer vertraute die Matarazzo-Elf auf ihre spielerisc­hen Fähigkeite­n – und wurde belohnt. Stürmer Sasa Kalajdzic (55. Minute) traf erstmals wieder seit sechs Spielen, Top-Torjäger Silas Wamangituk­a (72.) gelang nach einem 80-Meter-Solo das elfte Saisontor.

Damit wandelt der 21-Jährige auf den Spuren von Fredi Bobic. Nur der heutige Sportvorst­and von Eintracht Frankfurt hatte es für die Schwaben in der Saison 1996/97 auf elf Tore nach 19 Spieltagen gebracht. Der Österreich­er Kalajdzic freute sich über die Tore und den Heimsieg, sagte: „Geil, ein geiles Gefühl. Ich bin überglückl­ich.“Beruhigung­spillen nach den turbulente­n Wochen hatten alle Beteiligte­n sowie die Fans nach dem Wochenende ja auch zur Genüge.

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Philipp Förster und die VfB-ler ließen es auf dem Platz krachen, Thomas Hitzlsperg­er daneben.
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FOTOS: RUDEL, KEPPLER/IMAGO IMAGES

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