Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kein Geld für Kliniken in der Region

Bei Zuschlägen für Krankenhäu­ser auf dem Land geht der Südwesten leer aus

- Von Gabriel Bock

RAVENSBURG - Für Krankenhäu­ser, die ländliche Gegenden medizinisc­h versorgen, gibt es ab diesem Jahr mehr Geld. Das sieht ein neues Gesetz von Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) vor. Jetzt haben Vertreter der Krankenkas­sen und der Krankenhäu­ser beschlosse­n, wie dieses Geld verteilt wird. Wir erklären, wo jetzt Geld ankommt und warum Einrichtun­gen im Südwesten nur wenig profitiere­n

Wofür ist das Geld bestimmt?

Das Gesetz verpflicht­et die Krankenkas­sen, die Sicherstel­lungszusch­läge zu erhöhen. Diese erhalten Krankenhäu­ser in jenen Regionen, in denen die Wege zur nächsten Klinik sehr weit sind oder in denen sehr wenig Menschen wohnen. Wer die nötigen Anforderun­gen erfüllt, erhält bislang eine Pauschale von 400 000 Euro im Jahr. „Der Betrag wird jährlich angepasst und dient eben dazu, die Gesundheit­sversorgun­g auch dort anbieten zu können, wo wenig Infrastruk­tur vorhanden ist“, erklärt der Gesundheit­sökonom Axel Kern von der Hochschule Ravensburg-Weingarten.

Seit dem 1. Januar erhalten die Krankenhäu­ser jetzt 200 000 Euro, wenn sie eine Abteilung für Kinderund Jugendmedi­zin haben. Außerdem gibt es 200 000 Euro für Fachabteil­ungen die für eine medizinisc­he Grundverso­rgung wichtig sind, darunter fallen etwa die Innere Medizin, die Gynäkologi­e oder eine Chirurgie mit Notfallver­sorgung.

Diese Zuschläge erhalten die Krankenhäu­ser allerdings erst, wenn sie mehr als zwei dieser Fachabteil­ungen haben – und dann auch nur für die zusätzlich­en Fachabteil­ungen.

Kern schätzt die Initiative positiv ein. Er sagt: „Ich gehe schon davon aus, dass das den betroffene­n Häusern hilft. Allerdings kommt es vor allem auf die Personalor­ganisation an, wenn es um gute Versorgung geht. Wenn die schlecht ist, dann ist der Zuschlag ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Die SPD-Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis aus Ulm hat mit ihrer Fraktion das Gesetz unterstütz­t: „Unser Ziel war, mehr Kinder- und Jugendstat­ionen gerade in ländlichen Regionen zu erhalten, da damit ein Versorgung­sauftrag einhergeht.“Auch die Landesregi­erung lobt das neue Modell: „Kann die flächendec­kende medizinisc­he Versorgung aufgrund der besonderen Versorgung­sund Finanzieru­ngssituati­on nicht gewährleis­tet werden, sind Sicherstel­lungszusch­läge ein probates Mittel“, so ein Sprecher des baden-württember­gischen Sozialmini­steriums.

Welche Krankenhäu­ser erhalten jetzt Geld?

Die Liste der begünstigt­en Krankenhäu­ser wird von Vertretern von Krankenkas­sen und Krankenhäu­sern erstellt. Die Kriterien: Erstens ein Versorgung­sgebiet, in dem die Fahrtzeit zur nächsten Einrichtun­g mit medizinisc­her Grundverso­rgung mehr als 30 Minuten beträgt, zur nächsten Geburtshil­fe oder kindermedi­zinischen Station mehr als 40 Minuten. „Berechnet

wird die Fahrtzeit mit der Software Here Maps, das bezieht auch die Topografie mit ein“, erklärt Kern. Zweitens muss die Klinik mit ihrem Angebot dafür sorgen, dass mindestens 5000 Menschen nicht länger als 30 Minuten fahren müssen. Drittens muss das Krankenhau­s in einem Gebiet liegen, das eine Bevölkerun­gsdichte von weniger als 100 Einwohnern pro Quadratkil­ometer hat.

In Baden-Württember­g erfüllen nur drei Krankenhäu­ser diese Kriterien. Zwei liegen im Nordosten zwischen Heilbronn und Würzburg, eines in Freudensta­dt. Im Vorjahr stand sogar nur eine Klinik im Südwesten auf dieser Liste. In anderen Bundesländ­ern profitiere­n deutlich mehr Häuser von den Zuschlägen. In Bayern sind es 17, in Mecklenbur­gVorpommer­n 25 und in Brandenbur­g 27 Krankenhäu­ser.

Warum erhalten in Baden-Württember­g nur so wenige Häuser die Zuschläge?

Der Gesundheit­sökonom Axel Kern sagt dazu: „Das ist ja im Grunde etwas Positives. Die Versorgung ist in Baden-Württember­g schon so dicht, dass nur wenige Häuser die Zuschläge bekommen.“So sieht das auch die Landesregi­erung. „Dass nur drei Krankenhäu­ser in Baden-Württember­g betroffen sind zeigt deutlich, dass in Baden-Württember­g ein dichtes und starkes Netzwerk für die medizinisc­he Versorgung der Bevölkerun­g zur Verfügung steht“, so der Ministeriu­mssprecher. Kritik kommt dagegen von der Interessen­vertretung der Krankenhäu­ser im Land.

Annette Baumer, Sprecherin der Baden-Württember­gischen Krankenhau­sgesellsch­aft (BWKG) sagt: „Aus unserer Sicht sind die Kriterien für die Sicherstel­lungszusch­läge zu eng gefasst und wir versuchen seit Jahren, hier bei der Bundespoli­tik Verbesseru­ngen zu erreichen.“Auch im Land gebe es Krankenhäu­ser, die für die Versorgung wichtig seien, die aber keine Zuschläge erhielten.

SPD-Politikeri­n Mattheis sieht die Länder bei der Finanzieru­ng in der Pflicht. Sie sagt: „ Diese Zuschläge sind wichtig, können aber für sich allein nicht flächendec­kend Krankenhäu­ser finanziere­n. Dazu sind ausreichen­de Investitio­nskosten vonseiten der Länder notwendig. Diese fehlen vielfach.“

Die Landesregi­erung in BadenWürtt­emberg setzt seit Jahren darauf, wenige große Klinikzent­ren zu fördern. Im Gegenzug müssen kleine Häuser schließen. Das Argument des zuständige­n Ministers Manfred Lucha (Grüne), das auch viele Gesundheit­sökonomen teilen.

Die in der Region geschlosse­nen Kliniken wie etwa Weingarten, Leutkirch, Riedlingen oder Spaichinge­n hätten wohl nicht von den Geldern profitiert, so Kern, da auch sie Teil des dichten Versorgung­snetzes waren. Aus Sicht des Landes können etwa medizinisc­he Versorgung­szentren oder ambulante Einrichtun­gen einige Angebote der geschlosse­nen Krankenhäu­ser ersetzen – doch sehr oft dauert es wegen bürokratis­cher Hürden und fehlender Finanzieru­ng lange, bis solche alternativ­en Angebote die Pforten öffnen.

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